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Ausgabe:

November/1997

Spalte:

1031–1033

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

(2) (3) Nicolai de Cusa

Titel/Untertitel:

(1) Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hrsg. von E. Meuthen und H. Hallauer. Bd. I. Lfg. 3a: 1451 Januar–September 5. VII, S. 669–1110, 1 Tab., 1 Kte.; Lfg. 3b: 1451 September 5–1452 März. VI, S. 1111–1563, 1 Tab., 1 Kte. Hrsg. von E. Meuthen.

/ (2) Nicolai de Cusa: Opera omnia. Bd. XVII: Sermones II (1443–1452), Fasc. 3: Sermones XLIX–LVI. Ed. R. Haubst(†) et H. Schnarr. Bd. XIX: Sermones IV (1455–1463). Fasc. 1: Sermones CCIV–CCXI. Ed. K. Reinhardt et W. A. Euler.

/ (3) Nicolai de Cusa: Compendium. Kurze Darstellung der philosophisch-theologischen Lehren. Hrsg. von B. Decker (†) u. C. Bormann.

Verlag:

(1) Hamburg: Meiner 1996. 4°. Kart. je DM 328,­. ISBN 3-7873-1242-0 und 3-7873-1283-8. (2) Hamburg: Meiner 1996. S. 213-273 u. 96 S. Kart. DM 98,­ u. 128,­. 4°. ISBN 3-7873-1276-5 u. ISBN 3-7877-3. (3) Hamburg: Meiner 1996. 110 S. 8° = Philosophische Bibliothek, 267. Kart. DM 36,­. ISBN 3-7873-1190-4.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Nachdem 1976 die 1. Lieferung und nach 7 Jahren 1983 die 2. Lieferung der Acta Cusana, Bd. I, erschienen waren (vgl. ThLZ 1986, 38-40), sind nun gar 13 Jahre vergangen bis Lieferung 3 ­ zweigeteilt ­ dieses voluminösen Aktenwerkes vorliegt. Die jetzt herausgegebenen beiden Teillieferungen enthalten ausschließlich die Akten über die Legationsreise, die Nikolaus von Kues (=NvK) im Auftrage von Papst Nikolaus V. als frisch gekürter Kardinal und eben ernannter Fürstbischof von Brixen in der Zeit von Januar 1451 bis März 1452 in Deutschland unternommen hat. Am 24. bzw. 29.12.1450 hatte ihn der Papst zu seinem Legaten ernannt und ihm die Vollmacht für die Kirchenreform in Deutschland offiziell erteilt (vgl. Acta Cusana I/2, Nr. 952 f., 657 ff.). Die Legation hat ein großes Echo bei seinen Zeitgenossen gefunden (vgl. Nr. 973-977) und für das innerkirchliche Leben in Deutschland eine immense Bedeutung gehabt, jedoch die Reformation 70 Jahre später nicht unnötig gemacht.

Der Herausgeber gibt zu, daß der "Umfang des einschlägigen Quellenmaterials ... weit über das hinausging, was früheren Planungen zugrunde gelegt worden war": Die Sachverhalte, mit denen es NvK zu tun hatte, waren zu heterogen. Viele örtliche Situationsbeschreibungen waren nötig, damit die Texte und damit ebenso die ganze Persönlichkeit ­ auch in seiner Widersprüchlichkeit ­ von NvK verstanden werden können. Wer Editionen betreut hat, weiß, welche Schwierigkeiten ein solches Unternehmen mit sich bringt. 1490 Texte (dazu einige Nachträge) aus 335 Archiven und Bibliotheken (wozu noch die kämen, die auf Anfragen nicht geantwortet haben), chronologisch geordnet, wurden aufgenommen. Es ist nun ein Werk entstanden, das wohl dem Vorhaben entspricht, das aber weit darüber hinaus "ein Stück ’Zeitgeschichte’ des 15. Jh.s präsentiert und die kirchlichen Strukturen der Zeit dokumentiert". Auf Einzelheiten einzugehen, verbietet die Fülle des vorgelegten Materials.

Beeindruckend ist die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit von NvK, mit der er seinen Auftrag erfüllt hat. Das Autograph über den Entwurf einer Urkunde über eine Frankfurter Pfarrteilung (Nr. 2394) liegt ebenso vor wie die Begrüßungsrede des Thomas Ebendorfer im Namen der Wiener Universität (Nr. 1068), die Kundgabe des Reformdekretes des NvK "Quoniam dignum esse" (Nr. 1008) ebenso wie Statuten, die er als Vorsitzender des Kölner Provinzialkonzils erlassen hat (Nr. 2343). Zurückhaltung war bei der sachlichen Interpretation der Texte geboten und ist vom Herausgeber auch geübt worden.

Eine 4. Lieferung des I. Bandes wird Register enthalten; sie waren an sich erst für den abschließenden III. Band vorgesehen. Durch die wohl bald zu erwartende Lieferung wird das Werk jedoch dann schon viel leichter benutzbar sein. Ein Itinerar der Reise ist dem Werk auf Faltblättern beigefügt, ebenso ein Verzeichnis der Reformdekrete des NvK.

Ein Werk ist entstanden, das einmal Zeugnis ablegt von dem ungeheuren Fleiß des Hrsg. und seiner Mitarbeiter/innen, einmal aber auch Ausdruck gibt über die unwahrscheinlich günstige Quellenlage. Dazu sind nunmehr Quellen erschlossen, die für die Geschichte des 15. Jh.s von ebensolch großer Bedeutung sind wie für die Lebensgeschichte des NvK. Allen, die am Zustandekommen dieses Werkes beteiligt waren, muß dafür herzlich gedankt werden.

Erfreulich ist zudem, daß die auch Edition der Predigten des Nikolaus von Kues rasch voranschreitet. Vorgelegt werden jetzt zwei Faszikel, die Predigten aus verschiedenen Epochen beinhalten.

In Fasc. XVII/3 werden acht Predigten (Pr.) aus dem Jahr 1445 ediert. Sie wurden zumeist in Koblenz gehalten. Sie sind nur teilweise mit Datum und Ortsangabe versehen und dem sog. 1. Entwurfbuch ( so J. Koch) zuzuordnen.

Pr. XLIX hat NvK zum Tage der Verkündigung an Maria über den Engelsgruß an Maria gehalten, Pr. L (am gleichen Tag oder 1444?) über Lc 1,35 b; Pr. LI zu Palmarum über Mt 21,5; Pr. LII über H 5,7 zu Karfreitag, Pr. LIII am gleichen Tag über ein nicht ausdrücklich genanntes Thema; Pr. LIV am Marien-Magdalenen-Tag über Lc 7,47; Pr. LV und LVI am Tage Marien Himmelfahrt über Lc 10,42 (das Wort Jesu wird auf Jesu Mutter bezogen): Das eine, das nötig ist, wird neuplatonisch interpretiert. Wichtig für die Rechtfertigungslehre des NvK ist die Marien-Magdalenen-Predigt: "Denn er, der der Schöpfer ist, ist auch der Rechtfertigende. Denn wie die Erhebung des Nichts zum Sein die Allmacht erfordert, so ist auch die Überführung des Gottlosen zur Rechtfertigung kein Werk geringerer Macht ... Denn Christus war es selbst, der sie vergab, als er sprach: ’Dir sind die Sünden vergeben’; die, die mit zu Tische lagen, verstanden es richtig. Aber nun sagt er, daß ihr (Marias) Glaube rettend (salvam) gewesen sei. Also war es der Glaube, der sie rettete, daß es Christus ist, der die Sünden vergab. Christus also rettet nicht, außer es wird geglaubt, daß er der Retter ist. Der Glaube also, der gleichsam zu Christus als dem Retter hinzutritt, bewirkt es (hoc agit), daß Christus rettet, so daß so die Rettung sei Christi und des Glaubens; es sind nicht gleichsam zwei (verschiedene) Dinge, der Glaube ein anderes als Christus, sondern durch Zusammenfall beider (per coincidentiam), so daß Christus der Glaube ist, der rettet" (n. 17 f., 259 f.).

In Fasc. XIX/1 sind Pr. von 1455/56 enthalten, aus der Zeit, die NvK in seinem Bistum Brixen verbracht hat. Es war eine große Ausnahme, daß damals ein Reichsbischof so häufig predigte (von 1455-1457 sind 84 Pr. überliefert!). Bis auf eine Ausnahme hat er sie alle in Brixen gehalten.

Pr. CCIV wurde zu Michaelis über das Sanctus/Benedictus gehalten, Pr. CCV am 19. 10. in Neuzelle über Apc 21,7; Pr. CCVI zum Gedenktag der Heiligen über Ps 149,5; Pr. CCVII am Tag der hl. Katharina auf einer Synode in Brixen über J 6,5; Pr. CCVIII f. am 1. Adventssonntag (zugleich Tag des Ap. Andreas) zweimal über R 13,14; Pr. CCX am 2. Adventssonntag über den Schluß des 2. Glaubensartikels; Pr. CCXI am 3. Adventssonntag über Mt 11,10; Pr. CCXII am 4. Adventssonntag (zugleich Tag des Ap. Thomas) über J 1,26; CCXIII am Christfest über J 1,2; Pr. CCXIV am Sonntag danach über Lc 2,34; Pr. CCXV zum Tag der Beschneidung Jesu über Lc 2,21 und Pr. CCXVI zu Epiphanias über Mt. 2,2. Elf Predigten wurden über biblische, zwei über liturgische Texte gehalten.

Zwei Predigten wecken besonderes Interesse. Die Michaelispredigt bezeichnet NvK selbst als "sermo noster quasi primus omnium atque fundamentalis". In ihr thematisiert er die Herrlichkeit Gottes, die sich in der Schöpfung zeigt und vom Menschen als vernunftbegabtem Geschöpf erkannt wird. Dieses Thema wird in den folgenden Predigten immer neu akzentuiert. Nach der auf der Synode gehaltenen Predigt wird nur die Verkündigung den Menschen überzeugen, die aus der vom Geist Christi erleuchteten Einsicht des Predigers kommt. Pr. CCX erhellt die eschatologischen Vorstellungen des Predigers (und seiner Zeit). In Pr. CCXII verwendet NvK das auch sonst von ihm verwandte Gleichnis vom Magneten, um das Wirken des Hl. Geistes in Christus und in den Christen zu verdeutlichen.

Die Pr. CCXVI hat J. Koch bereits ediert und übersetzt (CT I/2-4). In ihr spekuliert NvK "im Geiste Meister Eckharts" über Christus und Gott als "Wo", als der Ort aller Dinge. Die Edition weist auf zahlreiche Parallelstellen bei Eckhart u. a. hin. Vor allem hat NvK von ihm den Begriff des "lumen illuminans" (n. 11). In n. 4 und 16 beruft NvK sich ausdrücklich auf Eckhart (LW III, 168 ff. zu J 1,38): "Der König der Juden, der geboren ist, ist überall bzw. der Ort absolut, auch wenn die Weisen gesagt hätten: ’Jener König’, der geboren ist, ist Gott, der der Ort aller ist (n. 4) bzw. (n. 16) ... daß wir besser sehen können, wo (Gott) nicht ist. Wir können sagen, daß er nicht an irgendeinem (Ort) ist, wo Finsternis, Häßlichkeit, Leid, Beraubung oder Verneinung eingeschlossenen ist".

Die Predigtentwürfe sind wieder von ganz unterschiedlicher Länge (zwischen 2 und 27 Seiten); sie sind also ganz gewiß nicht in vorliegender Form gehalten worden. Während Fasc. XVII/3 von H. Schnarr noch in Zusammenarbeit mit R. Haubst erstellt wurde, zeichnen für Fasc. XIX die neuen Editoren K. Reinhardt und W. A. Euler verantwortlich. Die drei Apparate sind, wie stets in dieser Edition, sauber und sehr umfassend erarbeitet worden. Pr. LII wurde sicher am 26. März 1455, nicht am 26. April gehalten (h XVII, 237).

Unverändert im Text und in der Übersetzung, jedoch in der (zu) knappen Einleitung, in den Anmerkungen, Literaturnachweis und Register geringfügig verbessert hat Bormann diese kurze Zusammenfassung der cusanischen Lehre neu. Wir wissen nicht, wann NvK dieses Büchlein geschrieben hat (1463? 1464, vielleicht gar als sein letztes?). Im 1. Teil gibt NvK eine erkenntniskritische Grundlegung der Lehre von den Zeichen (die Erkenntnis hat es nur mit den Zeichen des Seins zu tun, nur die Zeichen sind Gegenstand unserer Erkenntnis), das Thema des 2. Teiles ist das "primum principium", der Dreieinige Gott ist als posse, aequale und unum Urgrund von allem, im Epilog wird ausdrücklich das "posse" mit der 1. Person der Trinität gleichgesetzt ("Den Vater des Wortes und der Gleichheit nennen wir ... das Können"; wie ist der Satz zu übersetzen: "Est enim res, quia ipsum posse esse est"? Ist das "Können-Selbst Sein" oder ist das "Können-Sein selbst"). Die gesamte Seins- und Erkenntnisordnung ist auf die Gottesschau ausgerichtet. Bormann ist zuzustimmen: "Das Philosophieren des Nikolaus von Kues ist eine unaufhörliche Denkbewegung, die sich im ständig neuen Ansatz um die Beschreibung des ersten Ursprung bemüht. Ihn beschäftigt letztlich nur ein Grundproblem ..." (80).