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Ausgabe:

März/2008

Spalte:

259–260

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Spitaler, Peter

Titel/Untertitel:

Universale Sünde von Juden und Heiden? Eine Untersuchung zu Römer 1,18–3,20.

Verlag:

Würzburg: Echter 2006. VIII, 223 S. gr.8° = Forschung zur Bibel, 109. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-429-02798-8.

Rezensent:

Christof Landmesser

Der Gegenstand dieser im Jahr 2003 an der Münchener Katholisch-Theologischen Fakultät eingereichten Dissertation ist für ein Verständnis des Römerbriefes von großer Bedeutung. Es ist deshalb erfreulich, dass dem Abschnitt Röm 1,18–3,20 eine Untersuchung gewidmet wird, auch wenn der Text nicht in seiner Gesamtheit diskutiert wird. Der Vf. interessiert sich für bestimmte Fragestellungen, die er mittels der Texte Röm 1,18–32; 2,1–5.17 und 3,9 erörtert.
Das Fragezeichen im Titel der Untersuchung signalisiert, dass sich der Vf. vorrangig mit in der Forschung greifbaren Zugängen auseinandersetzt, die er als »Interpretationsrahmen« bezeichnet (1). Die gängige Auslegung von Röm 1,18–3,20 sieht der Vf. zum einen durch die These geprägt, dass Paulus hier die Universalität der Sünde thematisiere, und dies führe er dann so durch, dass er in 1,18–32 zunächst den Zorn Gottes über die Heiden und in 2,1–3,8 den Zorn Gottes über die Juden beschreibe. Die übliche Exegese sei insofern problematisch, als sie geprägt sei durch ein vorausgesetztes Verständnis von Röm 5 und von Röm 7. Dies entspreche aber nicht dem Argumentationsgefälle des Briefes. Der Vf. schlägt deshalb eine ›sequenzielle Analyse‹ vor (4), wobei er den Abschnitt Röm 1,18–3,20 »mit Blick auf bereits Gesagtes kontextualisier[en]« möchte (4, Anm. 8). Durch diese nicht gründlich reflektierte hermeneutische Positionierung erschwert sich der Vf. eine nachvollziehbare Verortung des Textes in der im Römerbrief erkennbaren Theologie des Paulus.
In Kapitel 1 (5–33) erörtert der Vf. die Frage nach der Universalität der Sünde als Thema von Röm 1,18–3,20. Der Vf. bestreitet den Vorrang einer Metathematik »Universalität der Sünde« in den ersten Kapiteln des Römerbriefes (11), vielmehr biete Paulus ein »reiches Muster verflochtener Themen« (13), z. B. ›die Gerechtigkeit Gottes und die Ungerechtigkeit der Menschen‹, ›Gottes Urteil und menschliches Urteilen‹, ›Menschen sündigen‹, ›Menschen wirken Gutes‹ (14). Da erst in Kapitel 3 die Universalität der Sünde thematisiert werde, könne diese nicht als dominierendes Thema angenommen werden (24). Zudem vernachlässige die verbreitete Exegese, dass Paulus »auch Christusgläubige mitgemeint haben könnte« (32).
Kapitel 2 trägt den Titel »Der Zorn Gottes über Heiden und Juden als Thema von Röm 1:18–3:20?« – wiederum eine vom Vf. be­strittene These. Einen wesentlichen Teil der Arbeit widmet der Vf. der Untersuchung von 1,18–32 (36–110). Er kommt zu dem Ergebnis, dass hier keinesfalls nur von der Sünde der Heiden die Rede sei, eine »ethnoreligiöse Engführung« auf die Heiden (107) lasse der Kontext nicht erkennen. Da Paulus in diesem Briefabschnitt von der Sünde nicht nur der Heiden redet, wird vom Vf. begründet angenommen, die verbreitete, auf die Heiden eingeschränkte In­terpretation wäre mit genaueren Textexegesen weiter zu hinterfragen. Auch in 2,1–5 spricht Paulus nach dem Vf. nicht nur von einem Richten der Juden, sondern eben der Menschen überhaupt. Paulus rede in diesen Zusammenhängen nicht von der Identität bestimmter Menschen (gemeint sind Juden oder Heiden), vielmehr thematisiere er bestimmte als Sünde deklarierte Handlungen (137). Die Idee einer angeblichen Unterschiedenheit der Gottlosigkeit der Heiden und der Juden sei bei Paulus nicht zu finden (146). Paulus biete vielmehr in 1,18–32 und 2,1–5 eine »Möglichkeit des Lebensentwurfes als negative Matrix«, die als Resultat »eine prototypische Metapher misslingenden Lebens« habe (149).
In Kapitel 3 wendet sich der Vf. noch »Röm 3:9 im Kontext von Röm 1–3« zu (157–185). Seine Neubewertung von Röm 3,9 fasst der Vf. zusammen: »Die von Paulus gemeinte Voranklage ist keine Anklage, die auf zuvor im Text angeführten Daten ruht, sondern eine Anklage, die allen Fakten zuvorkommt« (176). Diese theologische Aussage sei von dem in 1,18–3,8 dargestellten narrativen Porträt zu unterscheiden, wobei von Letzterem gerade »jene Menschen, die ihr Leben nicht von Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit dominieren lassen«, ausgeschlossen seien (177). Noch einmal ist damit festgestellt, dass Paulus hier nicht von der universalen Sündenverfallenheit redet.
Die zuweilen aus stilistischen Gründen schwer zu lesende Arbeit stellt mit Recht die Einschränkung der Sünde in Röm 1,18–32 auf die Gruppe der Heiden in Frage. Die exegetischen Begründungen dieser und der weiteren Thesen lassen viele Fragen offen. Insbesondere die Zuordnung von Röm 1,18–3,20 zu der im gesamten Brief erkennbaren Theologie des Paulus bleibt ungeklärt, – aber dies verdankt sich bereits dem vom Vf. gewählten hermeneutischen Zugang einer ›sequenziellen Analyse‹, mit der er sich der Notwendigkeit einer konsequent kohärenten Interpretation programmatisch enthebt. Der vom Vf. untersuchte wichtige Abschnitt des Römerbriefes bedarf weiterer Diskussion.