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Ausgabe:

März/2008

Spalte:

249–250

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lévêque, Jean

Titel/Untertitel:

Job ou le drame de la foi. Essais édités par M. Gilbert et F. Mies.

Verlag:

Paris: Cerf 2007. 292 S. 8° = Lectio divina, 216. Kart. EUR 26,00. ISBN 978-2-204-08185-6.

Rezensent:

Melanie Köhlmoos

Der französische Karmeliter Jean Lévêque ist seit der Studie »Job et son Dieu« (1970) eine wichtige Stimme der Hiobforschung. Eine halbseitige Lähmung infolge eines Schlaganfalls lässt ihm keine Möglichkeit zur Veröffentlichung mehr. Aus diesem Grund haben Maurice Gilbert S. J. und Françoise Mies die wichtigsten Publikationen L.s zur Exegese des Hiobbuches in diesem Sammelband zusammengestellt. Das Buch enthält 13 Studien zum Hiobbuch aus den Jahren 1974 bis 2001. Alle sind bereits an anderer Stelle veröffentlicht, unter ihnen befinden sich mit »Anamnèse et disculpation: la conscience du juste en Job 29–31« (109–129), »L’interprétation des discours de YHWH (Job 38,1–42,6)« (131–155) und »L’argument de la création dans le livre de Job« (201–234) wahre Klassiker der Hiobexegese.
Die einzelnen Beiträge sind in drei Hauptteilen angeordnet. Teil I »Le Livre de son contexte« enthält vier Aufsätze zur Theologie der Weisheit (»Le contrepoint théologique apporté par la réflexion sapientielle«: 13–35), zur mesopotamischen »Hiob«-Literatur (»Le thème du juste souffrant en Mésopotamie et la problematique du livre de Job«: 37–51), zur Theologie des Leidens im Alten Testament (»Souffrance et métamorphose de Job«: 53–66) und zur Datierung des Hiobbuches (»La datation du livre de Job«: 67–81). Die Texte dienen als Einleitung zu den detaillierteren Erwägungen in Teil II und III.
Teil II, »Le déploiement de l’intrigue«, zeichnet in fünf Aufsätzen die Dramaturgie des Hiobbuches nach. In »Job ou l’espoir déraciné« (85–97) zeigt L., wie die Tiefendimension der Prosaerzählung zu einer Reflexion des Doppelgesichtes Gottes ausgezogen wird. Von da aus kann der Hiob des Dialogs an seiner Hoffnung festhalten. »Tradition et trahison dans le discours des amis« (99–107) hält das immer wieder notwendige Plädoyer für die Freunde Hiobs, deren Theologie die andere Seite Gottes zur Sprache bringt. Hiobs Schlussrede Hi 29–31 ist demzufolge wie eine Bilanz beider Positionen zu verstehen (»Anamnése et disculpation«). Die Gottesrede, von der nur der erste Teil zum Grundentwurf gehört, ist nicht darauf aus, Hiob zu demütigen, vielmehr lässt der didaktische Durchgang durch die Schöpfung Hiob Raum zur erneuten Hoffnung auf Gottes »Zärtlichkeit« (140). Mit »L’Épilogue du livre de Job. Essai d’interprétation« (157–173) kommt ein oft vernachlässigter Teil des Hiob­buches zu seinem Recht: Durch seine Reue (zu 42,6 s. 153) er­weist sich Hiob überraschenderweise als »Knecht JHWHs«.
Teil III, »Thèmes fondamentaux du livre«, widmet sich thematischen Aspekten des Hiobbuches. »Le sens de la souffrance d’après de livre de Job« (177–199) geht der Theologie des Leidens in Prolog, Dialog und Elihu-Reden nach und zeigt, dass nur die Zuordnung des Leidens zu Gott den verschiedenen Hermeneutiken des Leidens ihren inneren Zusammenhalt gibt. In »L’argument de la création« wird noch einmal deutlich, dass Schöpfung eines der Hauptthemen des gesamten Buches ist und auf eine Einheit von Schöpfer und Erlöser tendiert; damit steht das Hiobbuch im Kontext biblischer Theologie. »Sagesse et paradoxe dans le livre de Job« (235–253) erweist das Hiobbuch als typisch weisheitliche Dichtung, die um die Verborgenheit Gottes weiß und gleichzeitig die Erkennbarkeit Gottes in der Welt theologisch festhält. Von hier aus gewinnt das Hiobbuch auch über die Frage nach dem Leiden hinaus seine theologische Gesamtdimension. »Le mal de Job« (255–275) schließlich rundet die Studien mit einem Gesamtbild auf das Böse im Hiobbuch ab. Auch hier zeigt sich, dass das Hiobbuch mit dem Doppelgesicht Gottes ringt und darin gerade sein Profil gewinnt.
Die Anordnung der 13 Einzeltexte macht »Job ou le drame de la foi« fast zu einer Monographie über das Hiobbuch, die Kontext, Theologie und exegetische Detailprobleme gleichermaßen wahrnimmt. Dabei erweist sich Hiob für L. als Exponent einer theologischen Weisheit, die der geheimen Ordnung der Welt auf die Spur zu kommen versucht, indem sie den Einzelnen als Geschöpf vor Gott stellt. Die Reflexion der Vergänglichkeit ist ein exklusives Kennzeichen dieser Weisheit, Hiobs Vergänglichkeitsklagen (Hi 7,7; 10,18–22; 17,1) sind parallel mit Texten wie Koh 3,1–8 zu lesen: Der an der Vergänglichkeit leidende Mensch bleibt ein Teil der von Gott geordneten Welt. Anders als bei von Rad oder Preuß ist für L. das Hiobbuch kein Fremdkörper weisheitlichen Denkens, sondern dessen notwenige nachexilische Fortentwicklung. Als eigenständig erweist sich das Hiobbuch eher gegenüber den mesopotamischen »Parallelen«: So sehr die mesopotamischen Texte die Frage nach dem Leiden als universale Frage thematisieren, so sehr erweist sich die Anlage des Hiobbuches mit Prosaerzählung und Konflikt mit den Freunden als einzigartig und macht das Hiobbuch somit zu einer Reflexion über die Wege Gottes (48–50). Die Theologie des Hiobbuches ist nur im Rahmen fiktiver Literatur möglich, gleichwohl kann der fiktionale Hiob empirischen Leidenden helfen, ihr Leiden zu verstehen (53 f.).
Der Band ist ein Musterbeispiel für eine Exegese, die sich als theo­logische Disziplin versteht – die existenzielle Situation L.s verleiht den Überlegungen zu Leid und Theodizee eine bewegende Dimension, der man sich schwerlich entziehen kann. Als Fazit möge die Einsicht von S. 53 dienen: »Job à la fois inquiète et fascine, parce qu’il pose les questions que l’on n’ose pas se poser«. Sowohl als Ertrag eines langen Forscherlebens als auch als umfassender Beitrag für die künftige Hiobexegese ist der Band unverzichtbar.