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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

199–200

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Dennebaum, Tonke

Titel/Untertitel:

Kein Raum mehr für Gott? Wissenschaftlicher Naturalismus und christlicher Schöpfungsglaube.

Verlag:

Würzburg: Echter 2006. 295 S. gr.8° = Religion in der Moderne, 14. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-429-02797-1.

Rezensent:

Dirk Evers

Die Freiburger Dissertation des katholischen Theologen Tonke Dennebaum sucht auf dem Gebiet der Kosmologie die direkte Auseinandersetzung zwischen Naturalismus und Theismus, um nicht in bloßen metatheoretischen Erörterungen über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie stecken zu bleiben, sondern um »die explikative und funktionale Valenz des christlichen The­ismus« (270) zu erweisen. Naturalistische Welterklärungen und religiöse Überzeugungen, so D., stellen auch inhaltlich »konkurrierende Erklärungsalternativen« (17) dar, zwischen denen eine »›dritte Position‹ ... nicht möglich« (20) ist und über die anhand ihrer Erklärungskraft entschieden werden muss. Er sieht sich dabei in der Tradition angelsächsischer Autoren wie Richard Swinburne oder William L. Craig, die auf Grund kosmologischer und teleologischer Argumente ein theistisches Verständnis von Schöpfung als plausible und rational gerechtfertigte Erklärung für die Entstehung des Kosmos erweisen wollen.
Unter der Hypothese des Theismus versteht D. die Überzeugung, dass »Gott aus freiem Willen für die Entstehung des Kosmos verantwortlich zeichnet, den er kraft seiner Omnipotenz im Sein erhält und in dessen Existenz er jenseits der naturgesetzlichen Ordnung jederzeit wirksam eingreifen kann« (20). Einem solchen Wirken Gottes soll »eine unmittelbare, empirisch relevante Bedeutung und Funktion für die Erklärung der Phänomene und Zusam­menhänge in der Welt« (17) zukommen, so dass bei bestimmten Phänomenen naturwissenschaftliche Erklärungsversuche scheitern müssen, während die Rückführung auf das absichtsvolle Eingreifen Gottes eine akzeptable Erklärung darstellt. Damit werde der christliche Glaube an den Schöpfer zwar nicht bewiesen, aber er könne dann, wenn er sich als konsistent und mit den empirischen Daten konsonant erweist, im Sinne des kritischen Rationalismus als rational gerechtfertigt gelten.
Im zweiten und eigentlichen Hauptteil sucht D. die Überlegenheit der Hypothese eines direkt die Schöpfung aus dem Nichts schaffenden und sie gestaltenden Schöpfergottes gegenüber einer rein naturalistischen Erklärung zu erweisen. Das Versagen der Einsteinschen Feldgleichungen in der Singularität des Urknalls wird als »indirekter Hinweis auf die Richtigkeit der creatio ex nihilo« (135) interpretiert. Sodann wird das kosmologische Argument für den Schöpfer erneuert, indem William L. Craigs Variante des sog. kalam-Arguments verteidigt wird, das aus der Tatsache, dass das Universum einen Anfang hat, auf eine anfanglose, immaterielle und personale Ursache des Universums schließt. Als naturalistische Alternativen werden Stephen Hawkings Quantengravitationsmodell eines anfanglosen Kosmos, die Theorie der oszillierenden Universen sowie Alan Guths Szenario eines »inflationären« Urknallmodells diskutiert. Sie alle sieht D. als wenig tragfähig an, so dass die theistische Annahme eines Ursprungs des Universums in Gott als plausibel zu gelten hat – ein Ergebnis, das »aus religiöser Perspektive als sehr erfreulich bezeichnet werden kann« (193).
Doch auch das teleologische Argument, das ›argument of design‹, das von der zweckhaften Verfassung der Schöpfung auf den Schöpfer schließt, will D. mit Hilfe der modernen Kosmologie wieder in Geltung setzen. Dafür bringt er das sog. Anthropische Prinzip in Anschlag, das auf die erstaunliche und mit den gängigen Theorien nicht erklärbare Feinabstimmung kosmischer Grundgrößen verweist, die innerhalb sehr enger Grenzen gerade solche Werte aufweisen, dass kosmische Strukturen und dann auch das Leben, wie wir es kennen, möglich werden. Diese »breite Erklärungslücke« (223) ist für D. zumindest ein Hinweis darauf, dass die Annahme eines für diese Feinabstimmungen verantwortlichen Schöpfers ge­rechtfertigt sei, und darüber hinaus ein Argument für die Sonderstellung, die der Mensch im Kosmos innehabe. Auch in diesem Fall sieht D. keinen Anlass, »die theistische Schöpfungshypothese für weniger plausibel zu halten als eine der naturalistischen Alternativen« (261).
D.s Arbeit stellt einen gut informierten Versuch dar, theistisches Denken mit den Erkenntnissen der modernen Kosmologie in »Konsonanz« (dazu vgl. 131 ff.) zu bringen. Leider findet keine Reflexion darüber statt, ob die Theologie nicht die Alternative von Theismus oder Naturalismus hinter sich lassen könnte oder gar müsste. Und so bleibt das Vorgehen schon rein methodisch unklar. Einerseits werden »breite Erkenntnislücken« (223) als Argument verwendet, andererseits legt D. Wert darauf, dass die explikative und funktionale Valenz des Theismus gerade keine Lücke der wissenschaftlichen Erkenntnis ausnutze (270). Einerseits soll es »lo­gisch nicht möglich« sein, Theismus und Naturalismus »zu harmonisieren und in Einklang zu bringen« (21), andererseits soll es sich »nicht um prinzipiell inkommensurable Ansätze« (76) handeln. Und so klug auch an manchen Stellen auf religionskritische, naturalistische Fehlschlüsse aufmerksam gemacht wird, der Status theistischen Argumentierens, das sich direkt auf naturwissenschaftliche Erkenntnis beziehen möchte, bleibt ungeklärt.