Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

169–171

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Witulski, Thomas

Titel/Untertitel:

Die Johannesoffenbahrung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. 415 S. gr.8° = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 221. Geb. EUR 89,00. ISBN 978-3-525-53085-6.

Rezensent:

Roland Bergmeier

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Witulski, Thomas: Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007; Fribourg: Academic Press 2007. 210 S. gr.8° = Novum Testamentum et Orbis Antiquus. Studien zur Umwelt des Neuen Testaments, 63. Geb. EUR 59,90. ISBN 978-3-525-53986-6 (Vandenhoeck & Ruprecht). ISBN 978-3-7278-1586-7 (Academic Press).


Den nahezu identischen Vorworten beider Bücher zufolge handelt es sich beim erstgenannten um ein einzelnes Kapitel der von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 2004/05 als Habilitationsschrift angenommenen Studie »Hadrian oder Christus? Untersuchungen zur Frage der Datierung der neutestamentlichen Apo­kalypse«, beim zweiten um den neutestamentlichen Teil dieser Untersuchung. Beim Kopieren und korrigierenden Variieren des ersten Vorworts ist im zweiten der Dank an die Herausgeber der Reihe NTOA stehen, der an die Herausgeber der Reihe FRLANT auf der Strecke geblieben (s. auch die sinnlose Unterscheidung zwischen »Vgl. hierzu oben« und »Vgl. hierzu oben Witulski, Kaiserkult«, Johannesoffenbarung, 348.350). Überhaupt zeigen sich die Möglichkeiten der Computer-Schreibe, gleiche Wortfolgen durch Kopieren beliebig oft sich wiederholen zu lassen, von ihrer unschönen Seite, konfrontieren sie doch den Leser fortlaufend mit der Frage: Habe ich das nicht schon einmal oder gar mehrmals gelesen?
Was W. als »entwicklungsgeschichtliche Analyse der kultisch-religiösen Kaiserverehrung« begreift (7), stellt sich im Ergebnis eher als statischer Befund dar: Die Untersuchung des numismatischen, epigraphischen, archäologischen und literarischen Quellenmaterials macht deutlich, dass in der Provinz Asia nach Beendigung der Bürgerkriege mit der Verehrung des Augustus sogleich ein Höhepunkt der »kultisch-religiösen Kaiserverehrung« erreicht worden war, den die Verehrung der folgenden Kaiser, auch die des Domitian, nicht mehr erreichte. Erst Hadrian wurde intensiver als seine Vorgänger, auch intensiver als Augustus, kultisch-religiös verehrt: Im Zug der Weihe des Tempels des Ζεὺς Ὀλύμπιος in Athen 132 n. Chr. und der damit einhergehenden Gründung der Institution des Πανελλήνιον, in deren Zentrum Hadrians eigene »kultisch-religiöse Verehrung« stand, wurde Ἀδριανὸς Ὀλύμ-πιος durch die verordnete Aufstellung von Altären in Privathäusern provinzweit als σωτὴρ καὶ κτίστης gefeiert. Diese Intensivierung und Verschärfung der »kultisch-religiösen Kaiserverehrung« in den häuslich privaten Bereich hinein wurde durch ein weiteres Novum noch ergänzt: »Die erstmals als Reminiszenz an die Besuche eines Kaisers u. a. in der Provinz Asia geprägten Erinnerungsmünzen erinnerten an Hadrians dortigen adventus und an seine für die Einwohner der Provinz heilvolle und wirkmächtige praesentia« (Kaiserkult, 169). Mit der Arbeit von M. Clauss, Kaiser und Gott (2001), sich wenigstens zur Drucklegung noch auseinanderzusetzen, hat sich W. geschenkt und dem Leser vorenthalten. Aber für die Lektüre des zweiten oben angezeigten Buchs erfahren wir schon: »Der Verfasser der neutestamentlichen Johannesapokalypse reagiert mit seinem Werk auf eine in der gesamten römischen Provinz Asia Platz greifende aktuelle Intensivierung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung« (7, vgl. 174), also auf die für das Jahr 132 n. Chr. »nachweisbare Intensivierung der kultisch-religiösen Verehrung des Kaisers Hadrian« (174). Damit sind Thema und Inhalt des zweiten Buches vorgezeichnet.
Der Datierung der Apk gegen Ende der Herrschaft Domitians, so W., wurde durch die Ergebnisse neuerer Forschungen zum Ge­samtbild des domitianischen Prinzipats und zur Frage staatlicher Christenverfolgungen mehr und mehr der Boden entzogen. Da die kritische Durchsicht der wesentlichen forschungsgeschichtlichen Datierungsvorschläge aufzeigen kann, dass deren Argumente allesamt kaum beweiskräftig sind, schlägt W. einen neuen Weg ein. Er will aufweisen, dass der Apokalyptiker mit der von ihm entwi­ckelten theologischen Gesamtkonzeption auf verifizierbare aktuelle zeitgeschichtliche Vorgänge Bezug genommen hat. Der zuvor in historischer Analyse dargelegten exzeptionellen »Intensivierung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung« ab 132 n. Chr. lässt W. seine exegetische Wahrnehmung von Apk 2 f. korrespondieren: »Die Weckrufe und v. a. die mit ihnen verknüpften Überwindersprüche müssen … auf das Verhalten der Christen gegenüber einer offensichtlich intensiven religiös-kultischen Verehrung des zur Zeit der Abfassung der Apk amtierenden römischen Kaisers bezogen werden« (117). Gleichen Stils sind die Beobachtungen zu Apk 13: »Die Ausführungen des Apokalyptikers in Apk 13 lassen erkennen, daß die Christen in den Adressatengemeinden der Apk, d. h. in der rö­mischen Provinz Asia, offensichtlich mit der massiven kultisch-religiösen Verehrung des ersten θηρίον, d. h. letztlich des amtierenden römischen Kaisers, konfrontiert sind« (121). Dass nun der aktuell amtierende Kaiser als der endzeitlich letzte in der Reihe der römischen principes zugleich mit dem imperium Romanum als Ganzem identifiziert werde, mache die Annahme wahrscheinlich, »daß in der römischen Provinz Asia die kultisch-religiöse Verehrung dieses Kaisers über das zuvor übliche Maß hinaus signifikant ausgeweitet und intensiviert worden ist« (123). Auch die Beschreibung der Wirksamkeit des zweiten θηρίον, »insbesondere etwa Äußerungen wie Apk 13,14–17, und deren ausschließlicher Bezug auf den letzten in der Reihe der römischen Kaiser, … sprechen dafür, daß die kultisch-religiöse Verehrung des zur Zeit der Abfassung der Apk amtierenden Kaisers insbesondere auch in der Provinz Asia weit über diejenige seiner Amtsvorgänger hinausging« (124). Jetzt hat W. den Generalschlüssel zur zeitgeschichtlichen Dechiffrierung ausgewählter Texte der Apk, konkret Apk 13; 21,1–8; 2,12–17.18–27; 17,9–14 (142), zur Hand. Einige Beispiele seien genannt: Das erste θηρίον, das dem Meer entsteigt, ist Kaiser Hadrian, der bei seinen Visiten »die Provinz Asia auf dem Seeweg erreicht und auch wieder verlassen hat«, das zweite der Sophist Antonius Polemon, Freund und Mentor Hadrians, der zum kaiserlichen Gefolge gehörte und als das Tier vom Land, in Phrygien geboren und in Smyrna lebend, eben der γή Asia entstammte (219). »Der Apk 2,13 erwähnte Θρό­νος τοῦ σατανᾶ ist mit dem Thronsitz des Gottes Ζεύς, der in dem 129 n. Chr. geweihten Heiligtum des Ζεὺς Φίλιος und des Kaisers Traian aufgestellt gewesen ist, zu identifizieren« (278). Die als συναγωγὴ τοῦ σατανᾶ (Apk 2,9; 3,9) bezeichneten Juden waren, »auf dem Hintergrund der 132 n. Chr. erlassenen Anordnung der provinzweiten Aufstellung von privaten Altären für den amtierenden Regenten Hadrian« beurteilt, »Teile der jüdischen Bevölkerung Smyrnas, die sich der kultisch-religiösen Kaiserverehrung … grundsätzlich möglicherweise durchaus aufgeschlossen zeigten und u. U. diese Anweisung auch befolgt haben, diejenigen Christen bei den entsprechenden staatlichen Behörden denunzierten, die sich weigerten, sich an dieser Form der kultisch-religiösen Verehrung Hadrians zu beteiligen« (292).
Was sich W. selbst als durchaus schlüssig darstellt, kann exegetisch kaum nachvollzogen werden. Die umfassende weltweite An­betung des Tieres ist dem Apokalyptiker als Weissagung zukünftig (Apk 13,8; vgl. 17,8); er begreift sie als futurisch-eschatologischen πειρασμός (3,10). Gleichermaßen Zukunft ist ihm die Wiederkehr des fünften als achtes θηρίον, das im Übrigen dem Abgrund, nicht vom kaiserlichen Schiff aus dem Meer entsteigt (17,8). Die Parallelität zwischen 13,3.8 und 17,8 widerrät, W. in seinem Versuch zu folgen, die »augenscheinlich in die Zukunft weisenden Ausführungen Apk 17,8.10 f.« als vaticinium ex eventu (345) zu deuten. Gleichzeitig mit der in Apk 13,8.12 tatsächlich angesprochenen »Intensivierung der kultisch-religiösen Verehrung« (46) erwartet der Schreiber der Jo­hannesoffenbarung eine blutige Christenverfolgung (6,11; 12,17; 13,10.15; 14,13; 20,4), von deren zeitgeschichtlicher Aktualität wahrlich nicht die Rede sein kann, zur Zeit Hadrians ohnehin nicht.