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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

155–158

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Stern, Ephraim

Titel/Untertitel:

En-Gedi Excavations I. Conducted by B. Mazar and I. Dunayevsky. Final Report (1961–1965). With Contributions by Y. Arbel, D. T. Ariel, D. Barag, F. M. Cross, A. de Groot, H. Eshel, G. Hadas, R. Kletter, S. Matskevich, B. Mazar, Y. Meshorer, N. Naveh, A. Pechuro, O. Peleg, R. Porat, Y. Shai, O. Shamir, G. D. Stiebel, D. Ussishkin, I. Yezerski.

Verlag:

Jerusalem: Israel Exploration Society 2007. XXVI, 435 S. m. zahlr. Abb. 4°. Lw. $ 88,00 . ISBN 965-221-064-1.

Rezensent:

Jürgen Zangenberg

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Hirschfeld, Yizhar: En-Gedi Excavations II. Final Report (1996–2002). With Contributions by R. Amir, D. Amit, S. Ben-Yehoshua, G. Bijovsky, E. Chernov, M. E. Craig, A. d. Vincenz, S. Ellis, M. Hershkowitz, R. E. Jachson-Tal, B. L. Johnson, A. Lester, N. Liphschitz, A. Pechuro, M. J. Ponting, B. Rosen, M. Sadeh, O. Shamir, N. Sidi. Jerusalem: Israel Exploration Society 2007. XII, 669 S. m. zahlr. Abb. 4°. Lw. $ 96,00. ISBN 965-221-063-3.


Sowohl für die judäische Königszeit als auch für das Judentum der hellenistischen, römischen und byzantinischen Periode spielte die Oase von En-Gedi eine bedeutende militärische und wirtschaftliche Rolle. Mit den beiden anzuzeigenden Bänden liegt nun endlich die (fast) vollständige Publikation der Ergebnisse intensiver archäologischer Arbeit seit 1961 vor, die die Rekonstruktion der Besiedlungsgeschichte der Oase von der frühesten Zeit bis ins Mittelalter auf eine völlig neue Grundlage stellen.
Band 1 dokumentiert die bisher nur in Vorberichten zugänglichen Grabungen zwischen 1961 und 1965, die Ephraim Stern auf Grundlage der Originaldokumentation und noch aufbewahrter Funde neu gesichtet und durch Spezialbeiträge von 20 Experten systematisch ergänzt hat. Kapitel I (1–28) führt unter Verwendung älterer Darstellungen Benjamin Mazars in die Geschichte, Erforschung, Landwirtschaft und historische Geographie der Oase En-Gedi ein. Deutlich wird dabei, dass En Gedi – wie zahlreiche andere größere Oasen (vgl. Jericho!) – über die Zeiten hinweg mehrere wechselnde Besiedlungsschwerpunkte aufwies. Drei dieser Siedlungskonzentrationen werden in diesem Band behandelt.
Die erste und zugleich die früheste Niederlassung in der Oase, stellt ein einphasiges Heiligtum des Chalkolithikums dar (Ende 4. Jt. v. Chr.; Kapitel II: 29–68, reproduziert aus TA 7 [1980], 1–44). Mit Kapitel III (»Stratigraphy of the Excavated Areas«, 69–75) beginnt die Dokumentation des zweiten zentralen Siedlungsschwerpunktes von En-Gedi: Tel Goren und die darauf errichtete Serie von Befes­tigungen.
Die anschließenden Kapitel folgen den Hauptbesiedlungsphasen (Straten) und präsentieren archäologischen Befund, Architektur, Keramik, Siegel, Kleinfunde etc. der jeweils ergrabenen Bau­reste. So befasst sich Kapitel IV mit den Resten der späten Eisen-II-Zeit (Stratum V; »The Late Judaean Period«, 77–193), Kapitel V mit den ausgedehnten und gut erhaltenen Relikten der Perserzeit (Stratum IV; »The Persian Period«, 193–270), die leider nur sehr kurze Notiz in Kapitel VI mit der frühhellenistischen Zeit des 3./2. Jh.s v. Chr. (Stratum III [nicht »IIII« wie auf S. 271]; »Stratigraphy of Stratum IIII«, allein 271), Kapitel VII hat die darauf errichtete hasmonäische Festung zum Thema, die mit Qumran zu Beginn der Herrschaft des Herodes zerstört wurde, sowie das frührömische Gebäude 236 (wohl ein Betrieb zur Herstellung von Balsam) samt seiner Keramik, das dem Ersten Jüdischen Krieg zum Opfer fiel (Stratum II; 273–290). Der stratigraphische Teil schließt mit einer knappen Notiz zu Resten der noch vergleichsweise wenig bekannten Besiedlung Tel Gorens in der Zeit nach den Jüdischen Kriegen sowie zugehörigen Kleinfunden (Stratum I: »open settlement«?, Terrassen; Kapitel VIII, 291–300).
Kapitel IX (301–359) widmet sich den Resten und der Bedeutung eines römerzeitlichen Badehauses, das 1964 zwischen Nahal David und Nahal Arugot entdeckt und 1964/65 ausgegraben wurde (weitere Untersuchungen durch Yizhar Hirschfeld 1997/98, siehe Band 2). Das Badehaus folgt dem Langhaustyp, wurde unter Verwendung von älteren Resten errichtet und war zwischen dem Ersten und Zweiten Aufstand durch römische Soldaten in Nutzung. Kapitel X (361–365) fasst die Ergebnisse nochmals zusammen und ordnet sie in den kulturgeschichtlichen Zusammenhang der Oase ein. Dabei zeigt sich, dass En-Gedi abgesehen von der chalkolithischen Besiedlung erst zwischen ca. 650 v. Chr. bis 650 n. Chr. praktisch kontinuierlich besiedelt war. Bis zur frühhellenistischen Periode war En-Gedi Grenzposten Judas, daneben und danach besaß es vor allem wegen seiner natürlichen Ressourcen Bedeutung (vgl. zahlreiche Indizien zur Balsam- und Lederindustrie) und wurde deswegen von der Obrigkeit gefördert.
Die Funde dokumentieren, dass die Oase trotz ihrer zeitweisen Randlage stets offen war für externe Einflüsse und Güter (s. z. B. perserzeitliche Importkeramik). Insgesamt neun er­gänzende An­hänge präsentieren numismatische Funde, zwei aramäische Ostraka des 4. Jh.s v. Chr., Webgewichte, das Inventar der »Morinaga Höhle« (Begräbnisstätte des Chalkolithikums und der Perserzeit), ein römerzeitliches Felsgrab des 1. Jh.s v./n. Chr. mit deutlichen Hinweisen auf Kontakte zwischen Juden und Nabatäern, einen Kalkbrennofen (in Nutzung zwischen der römischen und mamlukischen Periode) und eine höchst nützliche Bibliographie zu En-Gedi (433–435).
Band 2 schließt unmittelbar an Band 1 an. In einer Einleitung und 21 Kapiteln erschließen Yizhar Hirschfeld und 19 Spezialisten die Ergebnisse der Grabungen zwischen 1996 und 2002 (Resultate späterer kleinerer Nachgrabungen sind nicht mit aufgenommen). Nach der Einleitung zur Topographie der Oase, zu den klimatischen Bedingungen am Toten Meer und der dort möglichen, höchst lukrativen Form von Landwirtschaft und einem Blick in die Forschungsgeschichte (vgl. dies mit Kapitel I in Band 1) beschreibt Hirschfeld in Kapitel 1 (»Architecture and Stratigraphy«, 23–156) die Stratigraphie und Architektur seiner vier neuen Ausgrabungsbereiche, die das Bild der Besiedlungsgeschichte En-Gedis wesentlich erweitern, das die Grabungen 1961–1965 erbracht haben: das Dorf von En-Gedi (1. Jh. v. Chr. bis 7. Jh. n. Chr., Blüte zwischen 4. u. 6. Jh. n. Chr.), das römische Badehaus (hierzu ist auch Kapitel IX in Band 1 zu konsultieren), die Befestigung von Mezad Arugot (6. Jh. n. Chr.) und die sog. »Essene Site« (1./2. Jh. n. Chr., entgegen Hirschfeld wohl eher eine Oasenrandsiedlung saisonaler Arbeiter als die von Plinius angesprochene Essenersiedlung).
Die folgenden 17 Beiträge diskutieren Münzen (Kapitel 2, 157–233), Keramik (Kapitel 3–7, 234–473), Glasfunde (Kapitel 8, 474–506), Metallfunde (Kapitel 9, 507–543), Steinobjekte (Kapitel 10, 544–573), frührömische Architekturelemente aus Zweitverwendung (Kapitel 11, 574–577, vgl. dazu auch Band 1, 332–343) sowie Spezialberichte über Kupferlegierungen (Kapitel 12, 578–586) bis hin zu organischem Material wie Textilien, archäobotanischen und archäo­zoologischen Funden (Kapitel 12–16, 587–614; derartiges fehlt in Band 1). Hinzu kommen zwei kurze Notizen über eine Krugaufschrift (halift[an], 5. Jh. n. Chr.; Kapitel 17, 615 f.) und eine verzierte Schale des 13./14. Jh.s (Kapitel 18, 617 f.).
Hirschfelds Überlegungen über eine weitere, byzantinische Fundstelle am westlichen Rand der Oase (»The Enigma of Khirbet Samra«, Kapitel 19; 619–625), ein Beitrag zur römisch-byzantinischen Landwirtschaft im Lichte einer vieldiskutierten Passage der En Gedi-Inschrift (Kapitel 20: »The Agriculture of Roman-Byzantine En-Gedi and the Enigmatic ›Secret of the Village‹«, 626–640) und eine instruktive Zusam­menfassung des Gesamtbilds durch Yizhar Hirschfeld (Kapitel 21: »En-Gedi: ›A Very Large Village of the Jews‹ – Summary and Conclusions«, 641–660) schließen den Band ab.
Beide Bände ordnen sich in hervorragendem Maße ein in die großen laufenden Publikationsprojekte von Jericho, Masada, Qumran und Machärus, die Stück für Stück die notwendigen Daten zur Interpretation der Kulturgeschichte der Region am Toten Meer und ihrer Besiedlung zur Verfügung stellen. Bedauerlich ist nur, dass nicht auch die Ergebnisse der Grabungen, die Dan Barag, Joseph Porat und Ehud Netzer 1970–1972 in der zum Dorf von En-Gedi gehörigen Synagoge unternommen haben, ebenso sorgfältig aufbereitet und dokumentiert wurden (hier ist man weiterhin auf sehr knappe Vorberichte angewiesen), auch erwecken beide Bände immer wieder den Eindruck, dass der Text vor der Drucklegung nicht abschließend redigiert wurde (zahlreiche Druckfehler, z. B. Band 1, 321, Duplikat einer Abbildung in Band 1, 376 und 382).
Dies sind jedoch nur recht geringe Versäumnisse im Vergleich zu der immensen Leistung Sterns und Hirschfelds, die Datenfülle aus En-Gedi der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen, für die beide uneingeschränkten Dank verdienen.