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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

153–155

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hoffmeier, James K. and Alan Millard [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Future of Biblical Archaeology. Reassessing Methodologies and As­sumptions. The Proceedings of a Symposium August 12–14, 2001 at Trinity International University.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2004. XVIII, 385 S. m. Abb. gr. 8. Kart. US$ 26,00. ISBN 0-8028-2173-1.

Rezensent:

Dieter Vieweger

Der Sammelband greift ein seit Jahrzehnten besonders im exege­tischen Bereich heftig diskutiertes Thema auf: die Rolle und Be­deutung der Biblischen Archäologie innerhalb der wissenschaftlichen Welt, die Sicherung ihrer archäologischen Relevanz und die Wahrung ihrer theologischen Bedeutung. Diese Debatte hatte W. Dever in den 1970ern begonnen. Sie zielte seinerzeit zunächst auf die allzu themenzentrierte Feldarbeit von Theologen im Heiligen Land ohne ausreichende methodische Vorarbeit und Reflexion. In der seit mehr als drei Jahrzehnten geführten Debatte ging es dann aber grundsätzlicher um die wissenschaftstheoretischen und me­thodischen Voraussetzungen der Biblischen Archäologie, um ihre sachgemäße Verknüpfung mit theologisch-exegetischen Fragestellungen und um die Deutung archäologischer Befunde auf dem Hintergrund biblischer Traditionen. Diese Debatte führte 1999 im­merhin dazu, dass die renommierte »American School of Oriental Research« den Namen ihres seit 60 Jahren eingeführten Journals »Biblical Archaeologist« in »Near Eastern Archaeology« änderte. Damit sollte eine in der Altertumsforschung und Archäologie angemessene und akzeptable Bezeichnung der archäologischen Arbeit in Palästina gefunden werden.
Im Umfeld dieser Diskussion fühlten sich die Herausgeber dieses Buches insbesondere von den sog. »Minimalisten« im theologischen Lager herausgefordert, die angespornt von der postmodernen Literaturwissenschaft nach Meinung der Editoren selbst ar­chäologische Befunde unberücksichtigt ließen, um unhaltbare Theorien aufzustellen. In einem solchen Klima von »wachsendem Kritizismus« gegen den historischen Wert der biblischen Schriften organisierte das »North Sinai Archaeological Project« (zum Projekt selbst s. 55 f.) der »Trinity Evangelical School« in Deerfield, Illinois, ein Kolloquium mit dem Titel »The Future of Biblical Archaeology: Reassessing Methods and Assumptions«, dessen Vorträge in diesem Sammelband veröffentlicht werden.
Die Tagung und damit auch der Band wurden von der Überzeugung getragen, dass die Biblische Archäologie als Wissenschaft nicht am Ende sei, sondern einer hellen Zukunft gegenüberstehe, in der biblische Texte und archäologische Befunde sinnvoll miteinander ins Gespräch gebracht werden könnten. Biblische Archäologie sei keinesfalls eine Archäologie Palästinas mit religiöser An­schauung. Vielmehr gehörte die Beschäftigung mit allen Kulturzeiten vom Paläolithikum bis zum 20. Jh. zu ihren Aufgaben, wenn auch der Bezug zu den biblischen Zeiten stets wesentlich bliebe.
Das Buch ist in vier Hauptteile gegliedert: »Biblical Archaeology«, »Archaeology«, »Using Texts in Biblical Archaeology« und »Hermeneutics and Theology«. Im Folgenden sollen zwei Aufsätze pars pro toto herausgestellt werden, um die Veröffentlichung und ihre theoretischen Grundlagen näher darzustellen.
Edwin Yamauchi, Homer and Archaeology. Minimalists and Maximalists in Classical Context (69–90): In dieser Auseinandersetzung mit den Minimalisten in der klassischen Geschichtsschreibung wird die These vertreten, dass die Kritik an ehemals mündlichen (erst später verschrifteten) Traditionen oftmals eher am fehlenden Wissen um die Geschichte liege (d. h. zum Beispiel auf dem Fehlen archäologischer Daten oder deren Unvollständigkeit) als an der Ungesichertheit von Traditionen (88). Viele Vergleiche aus der Debatte »Archäologie und homerische Texte« werden auf dem Hintergrund der Diskussion um die Biblische Archäologie geführt. Man könne daraus lernen, dass es gegenwärtig nicht allein um die historische Relevanz biblischer Texte gehe, sondern vielmehr um die Verlässlichkeit von (ehemals mündlichen) Traditionen ganz allgemein: »The parallels with the early history of Israel and the growth of biblical tradition and literature are clear, even extending to the chronology of events ... If Homer can in a sense be ›historical‹, why not the Hebrew Bible?«
Natürlich wird man zugeben müssen, dass die methodische Frage, wie historische Texte und archäologische Befunde miteinander korreliert werden können, vergleichbar ist. Doch muss es auffallen, dass Überlieferungswege, Schrift- und Traditionsträger, überbrückte Zeiträume und vieles andere mehr in den altgriechischen und alttes­tamentlich-semitischen Zusammenhängen recht verschieden wa­ren. Selbstverständlich kann dieser Aufsatz archäologisch bedeutsame Objekte, Bräuche, Häuser, Plätze, Völker und Personen mit alten Traditionen und ihrer späteren Bearbeitungen in Verbindung bringen. Der Clou des Aufsatzes vor dem Hintergrund der Debatte um die Biblische Archäologie liegt aber für den Rezensenten vielmehr in dem hier zur Schau gestellten erkenntnistheoretischen Zugang und den angewandten Methoden. Stellt man sich die Frage, weshalb einzelne Wissenschaftler bei gleicher Befundlage maximalistisch, minimalistisch oder ausweichend-unentschieden urteilen, so werden die Gründe hierfür nicht im Material, sondern eher in mehr oder weniger reflektierten wissenschaftstheoretischen Vorentscheidungen zu finden sein.
Steven M. Ortiz, Deconstructing and Reconstructing the United Monarchy. House of David or Tent of David (Current Trends in Iron Age Chronology) (121–147): »Das Buch, in dem Archäologen lesen, sind die Keramikscherben«, so in etwa lautet der Grundsatz dieses Artikels, in dem die »Low Chronology« von Israel Finkelstein (Keine Posaunen vor Jericho, München 2003) anhand einzelner Untersuchungen zu palästinischen Keramikbefunden angegriffen wird. Finkelstein hatte seinerseits auf Grund von Keramikstudien die bisher ins 10. Jh. v. Chr. datierte materielle Kultur Palästinas ins 9. Jh. verschoben und folglich den im 10. Jh. regierenden David zu einem beduinischen Stammeschef »degradiert« (122).
Der Artikel beharrt darauf, dass das »Prinzip der Homogenität von Keramik-Assemblagen« nicht in einem engen Sinne wie bei Finkelstein auszulegen sei. Der hatte Lachisch VI wegen des Fehlens von philistäischer monochromer Keramik (Myk IIIC 1b) gegenüber Orten mit solchen Funden (Tel Miqne, Aschkelon und Aschdod) um ca. 100 Jahre vorgeordnet. Darin hat der Artikel mit seiner Kritik zweifellos Recht. Das »Prinzip der Homogenität von Keramik-Assemblagen« ist nur auf größere Zeiträume anzuwenden. Dabei ist stets mit Streuungen zu rechnen. Wer Keramik-Vergesellschaftungen beurteilen will, tut gut daran, möglichst viele Keramikwaren einzubeziehen und längere Zeiträume zu beobachten (vgl. Vieweger, Archäologie der biblischen Welt, UTB 2394, 2003, Kapitel 7.2., 182–193; sowie speziell zum Problem: Vieweger, Rezension Finkelstein, OLZ 99, 2004, 265–270), was weder der vorgelegte Artikel noch Finkelstein ausreichend tun. Insofern wird in der verhandelten Sache hier auch nichts wirklich entschieden.
Vielmehr hat man den Eindruck, dass das Ziel der Argumentation letztlich wieder im theologisch-exegetischen Bereich liegt. Nämlich darin, dass das Haus Davids nach archäologischem Beleg (ein solcher wird aber im ganzen Artikel nicht angedeutet) mit dem Beginn von Staatlichkeit und dem Übergang von Eisenzeit I und II in Verbindung zu bringen sei. Und nahezu trotzig (und ohne jegliche Begründung) wird hinzugefügt: »Although archaeologists have a lot of work to define the nature of the kingdom, we know that it was not a small tribal chiefdom« (135).
Dem sei hinzugefügt, dass z. B. 14C-Proben zur Klärung der An­gelegenheit vom Autor nicht angemahnt werden. Genauso wenig werden sie von Finkelstein in seinem Buch seriös angekündigt – dabei wird dort nicht eine Beprobung veröffentlicht. Die Überzeugungen gehen also wieder einmal den Fakten voran. Hierin liegt das Problem des vorgelegten Sammelbandes und mehr noch, der Biblischen Archäologie generell. Sie wird sich angesichts des ideologischen Zugriffs von Maximalisten und Minimalisten davon nur befreien können, wenn ihre Vertreter ernst nehmen, dass sie für eine »egalitäre, interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Wissenschaften auf der Basis der ihnen je eigenen Methoden und der Maßgabe der Unbegrenztheit ihrer Fragestellungen« steht (Vieweger, op. cit., 43). Der gesamte Vorgang lehrt, was die »American School of Oriental Research« bereits 1999 vollzog: Die Biblische Archäologie wird nur als moderne, sachbezogene »Near Eastern Archaeology« eine Zukunft haben.