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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

144–147

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ipgrave, Michael

Titel/Untertitel:

Trinity and Inter Faith Dialogue. Plenitude and Plurality.

Verlag:

Oxford-Bern-Berlin-Bruxelles-Frankfurt a. M.-New York-Wien: Lang 2003. 397 S. 8° = Religions and Discourse, 14. Kart. EUR 69,30. ISBN 3-906769-77-1.

Rezensent:

Markus Mühling

In seiner an der University of Durham unter der Betreuung von David Brown, Gavin D’Costa und Ann Loades angenommenen Schrift zur Erlangung der PhD-Würde stellt der Anglikaner Ip­grave die Doppelfrage, welchen Beitrag ein konsequent trinita­rischer Ansatz für den interreligiösen Dialog erbringen kann und welchen Beitrag der interreligiöse Dialog für die Vertiefung der christlichen Gotteslehre erbringen kann. Seine Arbeit beantwortet diese Fragen mit der Doppelthese, dass einerseits das Verständnis der christlichen Trinitätslehre sowohl eine Basis für eine Hermeneutik des interreligiösen Dialogs liefern kann als auch material mit den Gottesverständnissen verschiedener Religionen als Konzeptualisationen religiöser Erfahrung in einen fruchtbaren Austausch treten kann, dass aber andererseits der interreligiöse Dialog auch eine wesentliche Vertiefung der christlichen Trinitätslehre erbringen kann.
I.s Buch ist viergeteilt. In einem Einleitungskapitel gibt er Rechenschaft über sein Verständnis der christlichen Trinitätslehre, das wesentlich von Paul Tillich und Raimundo Panikkar abhängig ist. Dieses Kapitel mündet in sechs Parameter des christlichen Gottesverständnisses, die dann als Maßstab für alle weiteren Untersuchungen des Buches dienen (s. u.). Im zweiten Kapitel untersucht I. den Dialog zwischen Christentum und Neoplatonismus, der zur Herausbildung der Trinitätslehre geführt hat und der konsequent als interreligiöser, weniger als interdisziplinärer Dialog beschrieben wird. Im dritten Kapitel entfaltet I. den Dialog um das Gottesverständnis zwischen Christentum und Islam im Mittelalter und liefert hier eine sehr lesenswerte Darstellung verschiedener Aspekte der Islamischen Gotteslehre. Das vierte Kapitel hat zusammenfassenden Charakter und versucht, die Ergebnisse der historischen Untersuchungen der Dialoge als Vorschläge für den tatsächlich zu führenden Dialog einzubringen. In diesem Zusammenhang werden Vorschläge einerseits für den Dialog mit dem Hinduismus, dessen Gottesverständnis in Grundzügen dargestellt wird, und andererseits für den Dialog mit dem Islam unterbreitet.
Ein wesentlicher Fokus der gesamten Arbeit liegt auf dem Kapitel, das die Entwicklung der islamischen Gotteslehre (181–300) darstellt, während das Kapitel über die Antike im Wesentlichen Stoff liefert, der gut erforscht und allgemein bekannt ist. Innerhalb der Besprechung der muslimischen Gotteslehre werden vier materiale Themen verhandelt: 1. die Entwicklung des mu’tazilitischen Gottesverständnisses des 9. Jh.s, das von seiner philosophischen Herkunft von einer apophatischen Theologie strengen Wert auf die strenge tahwid (Einsheit) Gottes legt und infolgedessen den Versuch jeder Distinktion einer Pluralität in Gott als shirk (Beigesellung) verstehen muss, mit der Folge, dass auch der Koran als Wort Gottes bei ibn Dirham (gest. 743) als geschaffen bezeichnet wird; 2. die Entwicklung der Überwindung dieser Auffassung bis hin zur später als rechtgläubig festgelegten Lehre der kalam nafsi (Sprechen des Geis­tes) von Al-Taftazani u. a., die zur Auffassung führt, dass es ohne Verletzung der tahwid eine Differenz in Gott gibt, die eben in dessen kalam nafsi besteht, mit der Gott den Koran ewig spricht und dieser infolgedessen ungeschaffen, ewig und präexis­tent ist, 3. die asharitische Theorie der Namen oder Eigenschaften Gottes, die den ontologischen Status der göttlichen Eigenschaften im Verhältnis zu Gottes Wesen mithilfe der Formel la huwa wa-la ghayruhu (weder er noch etwas anderes als er) dergestalt zu bestimmen sucht, dass al-ghayriyya (Andersheit) hier so zu verstehen ist, dass zwar die Namen oder Eigenschaften von der göttlichen Substanz unseparabel sind, aber dennoch eine reale Distinktion zu dieser als auch zueinander aufweisen; 4. die Erleuchtungslehre der Sufis nach al-Arabi, dem Shaykh al-Akbar (gest. 1240). Die historischen Gesprächspartner der Christenheit sind dabei Johannes Da­maszenus, das arabische Christentum mit seiner Theologie, Paul von Antiochien und Thomas von Aquin. Der islamisch-mystische Ansatz der Erleuchtungslehre der Sufis wird mit der hesychias­tischen Energien­lehre von Gregor Palamas verglichen und als äußerst fruchtbar für den Dialog gewertet, obwohl in diesem Bereich im Gegensatz zu den anderen Themen historisch keine Debatte stattfand.
Die wesentlich kürzere und gröbere Darstellung des Dialogs mit der hinduistischen Gotteslehre (349–365) behandelt das Verhältnis von Einheit und Vielheit auf der Basis der wesentlichen Unterscheidung zwischen nirguna (formlos) und saguna (formhaft) und kommt zu verschiedenen Arten der Verhältnisbestimmung: 1. die dem neoplatonischen Verständnis nahekommende Auffassung, dass alle Differenzen Gottes höchsten den Bereich der saguna betreffen können, während der wesentliche Bereich der nirguna des brahman als strikt monadisch zu verstehen ist, 2. das mit Augustins streng modalistischer, sog. »psychologischen« Trinitätslehre verwandte Konzept der saccidananda, nach der das brahman selbst in sat (Sein), cit (Geist) und ananda (Glückseligkeit) zu differenzieren ist und so eine trividham (dreifaltig) ist, aber dennoch in der formlosen Einheit des nirguna bestehen bleibt, weil es sich bei dem Konzept der saccidananda eher um eine linguistische denn um eine ontische Differenz handelt; 3. das auf der der nirguna-Ebene untergeordneten saguna-Ebene angesiedelte bekanntere Konzept der trimurti, nach dem die Attribute rajas (aktive Schöpfermacht), sattva (passive Erhaltung) und tamas (Zerstörung) des Kosmos, bzw. die entsprechenden Götter Brahma, Vishnu und Shiva ikonographisch einander zugeordnet werden können; 4. das Konzept der Identifikation verschiedener Götter durch ihre avataras (Verkörperungen), so wie etwa Krishna ursprünglich in der Brahmavaivartapurna ein avatara Vishnus war.
Alle Untersuchungen I.s werden mit dessen hermeneutischem Maßstab der sechs Parameter eines korrekten Gottesverständnisses gewonnen, als da wären 1. Pluralität, d. h. eine Differenz in Gott; 2. Personalität im Sinne eines weiten Verständnisses dieses Wortes, das die mit Personalität bedachten Entitäten lediglich von abstrakten Entitäten unterschieden wissen will; 3. Dreiheit dieser Personen; 4. Gleichheit dieser Personen; 5. Notwendigkeit, in dem Sinne, dass die ersten vier Parameter notwendigerweise und nicht nur in irgendeiner Weise Gott zufällig zukommen; 6. Immanenz, d. h. die Auffassung, dass die ersten fünf Parameter trinitarischer Rede nicht lediglich dem ökonomischen Gott-Welt-Verhältnis zuzusprechen sind, sondern in Gottes Sein selbst, auch unabhängig von der Welt gedacht, verankert sind.
I.s Buch beschreibt weniger einen aktuellen Dialog der Religionen, sondern untersucht eher Beispiele von historischen Dialogen, tut das aber auf höchst brauchbare Weise. Im Gegensatz zu vielen anderen Dialogdebatten (Hick, Knitter, Küng, der Versuch eines »abrahamitischen Trialogs« etc.) vermeidet I. gerade nicht zentrale oder strittige Themen und schreibt dem in Angriff zu nehmenden Dialog auch kein vorgängiges Ergebnis oder einen vermeintlichen Konsens zu, sondern zeigt, dass gerade die Theologie im engeren Sinne einen fruchtbaren Boden für einen Dialog bildet. Der Leser sieht auf diese Weise, dass zentrale und identische Fragen der Gotteslehre auch in anderen religiösen Traditionen erscheinen, aber notwendigerweise anders entschieden wurden. Die Beschäftigung mit der neoplatonischen, der islamischen und hinduistischen Gotteslehre lässt so in der Tat die Problemgeschichte der christlichen Gotteslehre und ihrer Entscheidungen besser verstehen. Problematisch sind aber einzelne Wertungen I.s, die er mit Hilfe seiner stereotyp angesetzten sechs Parameter christlicher Gotteslehre immer wieder vornimmt. Während es kaum überrascht, dass diejenigen Elemente, die für den Dialog mit dem Islam hilfreich sind, eher für den Dialog mit dem Hinduismus hinderlich sind und vice versa, überraschen doch einige Wertungen. So hält I. das asharitische Verständnis der Eigenschaften Gottes für die Fülle der Erfahrung Gottes für angemessener als das thomistische Verständnis mit seiner Betonung der extensionalen Gleichheit aller Eigenschaften im Wesen Gottes, weil jenes die Pluralität Gottes besser verstehen lasse als dieses. Dabei übersieht I., dass gerade das christliche Axiom der Extensionsgleichheit aller Wesenseigenschaften exakt der Grund ist, warum das Christentum einerseits als monothe­is­tisch gelten kann und andererseits gerade die Distinktizität der trinitarischen Personen in deren liebender Bezogenheit freisetzen kann. Ferner ist festzustellen, dass I. mit seiner Betonung des Parameters der Notwendigkeit insofern über das Ziel hinausschießt, als er dies nicht nur ontisch, sondern auch epistemisch versteht und damit Gefahr läuft, die Trinitätslehre in den Bereich der natürlichen Theologie zu verschieben. Überraschend ist auch, dass Dreiheit als Parameter erscheint, nicht aber andere Parameter wie etwa Beziehungshaftigkeit oder das Verhältnis zwischen ökonomischer und immanenter Trinität und damit die Frage nach der Geschichtlichkeit Gottes.
Diese Probleme dürften dadurch verursacht sein, dass I. zwar eine profunde und konzise Darstellung der Partner der historischen Dialoge liefert, aber weniger sorgfältig hinsichtlich der eigenen Tradition vorgeht. Die neueren Forschungen zur Trinitätstheologie in der alten Kirche bei den Kappadoziern, zur Trinitätstheologie Augustins und des Mittelalters sind nur rudimentär berücksichtigt, die Entwicklungen der Renaissance trinitarischer Theologie der letzten 40 Jahre so gut wie gar nicht. Dennoch schmälert dies die Leistung I.s nicht, da sein Buch in die historischen Problemkontexte immerhin so durchsichtig und transparent einführt, dass der kundige Leser durchgehend in Stand gesetzt wird, seine eigenen Urteile zu fällen.
Angesichts vieler Veröffentlichungen im Bereich des interreligiösen Dialogs, deren politische Motivation oft sehr deutlich vor der wissenschaftlichen Präzision in den Vordergrund tritt, überrascht I.s Studie deutlich und angenehm. Die Tatsache, dass zwar weder das Judentum noch buddhistische Traditionen erscheinen, was man angesichts des Titels des Buches vielleicht hätte erwarten können, stört letztlich keineswegs, sondern kann als methodische Redlichkeit verstanden werden. Wer in der Gegenwart mit dem Islam in einen interreligiösen Dialog hinsichtlich des Gottesverständnisses eintreten will, findet in I.s Studie eine nahezu unentbehrliche Vorbereitung.