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Ausgabe:

Februar/2008

Spalte:

143–144

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Dehn, Ulrich

Titel/Untertitel:

Religionen in Ostasien und christliche Begegnungen.

Verlag:

Frankfurt a. M.: Lembeck 2006. 224 S. m. Abb. 8°. Kart. EUR 16,00. ISBN 978-3-87476-503-9.

Rezensent:

Georg Evers

Das Buch von U. Dehn über die Religionen in Ostasien und ihre Interaktion mit dem Christentum geht auf Vorlesungen zurück, die er in Berlin und Hamburg gehalten hat, was den Charakter dieser kleinen, aber sehr inhaltsreichen Schrift bestimmt. Die 19 farbigen Fotos von Tempeln, Pagoden und Kultgegenständen lockern den Text auf und helfen zum Verständnis. In seiner Einleitung er­läutert D. zunächst die Problematik der Kontextualität von Religionen, wobei er eine dreiteilige Kategorisierung von traditioneller Vorgehensweise, dialogischer Identitätswahrung und gegensei­tiger Annäherung vornimmt. Ferner informiert er kurz über den religionswissenschaftlichen Forschungsstand zu den asiatischen Religionen. Die drei Hauptteile des Bandes, die China, Korea und Japan behandeln, sind jeweils gleich aufgebaut. Zunächst werden die religionsgeschichtlichen Entwicklungen aufgezeigt und dann die Begegnung der christlichen Theologie mit der jeweiligen Religiosität anhand von Kurzporträts chinesischer, koreanischer und japanischer Theologinnen und Theologen dargestellt und am Schluss in einigen Thesen zusammengefasst.
Bei der Religionsgeschichte Chinas werden anfangend von der Volksreligiosität und der in ihr einen zentralen Platz einnehmenden Ahnenverehrung der Daoismus, Konfuzianismus und chinesischer Buddhismus mit ihren Hauptlehren und Schulen vorgestellt, wobei allein die knappe Beschreibung der synkretistischen Falun Gong Bewegung einen Bezug zur Gegenwart der Volksrepublik China hat. Die Geschichte des Christentums in China (76–81) ist ebenfalls sehr gedrängt und kurz gehalten. Bei der Auseinandersetzung der christlichen Theologie mit chinesischer Religiosität wird zunächst das theologische Werk von Choan-Seng Song, aus Taiwan stammend und in den USA lehrend, vorgestellt, der vor allem durch seine Art, chinesische Sagen und Mythen (Story Theology) in eine chinesisch-christlichen Theologie einzubauen, bekannt ge­worden ist. Daran schließt sich die Darstellung der chinesischen Theologin Kwok Pui-Lan, aus Hongkong stammend und ebenfalls in den USA lehrend, zu einer multireligiösen asiatischen Hermeneutik an.
Bei der Behandlung der Religionsgeschichte Koreas steht der koreanische Schamanismus im Mittelpunkt (95–113), während für den koreanischen Konfuzianismus und das Christentum in Korea jeweils nur ganz kurze Angaben übrig bleiben. Es überrascht daher, dass bei der Behandlung der Begegnung der christlichen Theologie mit koreanischer Religiosität, bei der drei Theologen und zwei Theologinnen vorgestellt werden, einzig Chung Hyun-Kyung sich mit dem Schamanismus auseinandersetzt, während sowohl Kang Nam-Soon als auch Sung-Hee Lee-Linke jeweils die Problematik der Frau im Konfuzianismus als zentrale Themen in ihrer Theologie behandeln. Als Beispiel für die theologische Auseinandersetzung mit dem philosophischen Konfuzianismus wird das Werk von Kim Heup-Kyung vorgestellt. Aus dem Rahmen fällt das theologische Werk von Paul Chung, dessen Beitrag zur Begegnung christlicher Theologie mit asiatischer Spiritualität von D. selbst stark relativiert wird, wenn er am Schluss festhält: »Insgesamt begegnet hier ein lutherischer Theologe, der ... das gut gepflegte Haus des eigenen westlichen dogmatischen Denkens nicht verlässt« (136).
Dass D. sich auf Grund seiner Biographie in der japanischen Welt am besten zu Hause fühlt, zeigen seine Ausführungen zur Behandlung der Religionsgeschichte in Japan und vor allem die Ausführungen zur Begegnung christlicher Theologie mit japanischer Religiosität.
Bei der Religionsgeschichte Japans werden zunächst die verschiedenen Formen des Volks-, Schrein-, Staats- und Sekten-Shinto vorgestellt. Darauf folgt die Beschreibung der Geschichte des japanischen Buddhismus mit seinen vielfältigen Ausformungen bis hin zu den Reformbewegungen des Lotus-Sutra mit ihren Repräsentanten von Soka Gakkai und Risshokoseikai. Kurze Beschreibungen der volkstümlichen Gottheiten Jizo, Kannon und Fudo folgen. Eine knappe Darstellung der Geschichte des Christentums in Japan beschließt diesen Teil.
Die Begegnung christlicher Theologie mit japanischer Reli­giosität beginnt mit der Darstellung des Werks von Noro Yoshio, der sich mit buddhistischer Volksfrömmigkeit auseinandersetzt. Einen besonderen Platz nimmt Kosuke Koyama ein, der nach dem Studium in Japan in Thailand arbeitete und in den USA lehrte und dessen Theologie in der Spannung zwischen »Mount Fuji und Mount Sinai« in der Auseinandersetzung mit seinen japanischen Wurzeln steht. Die Diskussion der christlichen Theologie mit der Philosophie der Kyoto-Schule wird an den Beispielen von Nishida Kitaro und Abe Masao beschrieben. Als Beispiel für die theologische Ause inandersetzung mit der buddhistischen Welt werden Takizawa Katsumi und Yagi Seiichi vorgestellt. Einen besonderen Platz nimmt das Werk von Kitamori Kazo ein, der mit seiner Theologie des Schmerzes Gottes die theologische Arbeit im Nachkriegsjapan prägte. Als einzige Frau wird die katholische Theologin Ha­ruko K. Okano mit ihrer Theologie der Beziehungen und der Harmonie vorgestellt.
Im vierten Teil wird schließlich der Vorgang der Kontextualisierung von Religionen in Ostasien als Synkretismusproblematik mit Hilfe der Begriffe von »Alterität« und »Devianz« als Herrschafts- und Strukturfrage diskutiert.
Die kompakte Darstellung der Religionen in Ostasien und die Auseinandersetzung der christlichen Theologie mit ihren Erscheinungsformen gibt einen guten Überblick und Einblick in die damit gegebene Problematik von interreligiöser Begegnung und Auseinandersetzung mit Fremdheit. Wie D. in seiner Einleitung (9) festhält, hat die gedrängte Darbietung zur Folge, dass manche Probleme nur unzureichend und andere theologische Stimmen gar nicht zur Darstellung kommen. Dies berücksichtigend möchte ich doch nachfragen, ob der Einfluss der Minjung-Theologie (118) wirklich vornehmlich nur im Ausland wahrgenommen wurde und nicht auch auf die Herbeiführung der Demokratie einen starken Einfluss hatte. Darf man (168) die »verborgenen Christen« wirklich so »vernachlässigen«, um festzustellen, dass es zu Beginn der Meiji-Zeit offiziell keine Christen in Japan gab? Das Überleben dieser Christen und die von ihnen entwickelten »synkretistischen« Formen christlichen Lebens müssten doch für die Thematik des Bu­ches von hohem Interesse sein. Für den Leser wären ferner ein Namen- und Sachregister sowie eine Bibliographie (bibliographische Angaben finden sich nur in den Fußnoten) sehr hilfreich.
Corrigenda: »Aloisius Pieris« (126) muss richtig, wie in der Fußnote »Aloysius« heißen. S. 130 »Kwan-In« wird S. 165 wohl richtiger mit »Guanyin« wiedergegeben. S. 163–165 wechselt die Bezeichnung für den Boddhisattva ständig zwischen »Avalokitesvara« und »Avalokiteshvara«, Letzteres ist wohl korrekt.