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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

110–114

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hünermann, Peter, u. Bernd Jochen Hilberath [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Bd. 5. Unter Mitarbeit v. G. Bausenhart, O. Fuchs, H. Hoping, R. Kaczynski, H.-J. Sander, J. Schmiedl, R. A. Siebenrock.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2006. XVI, 618 S. gr.8°. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-451-28563-9.

Rezensent:

Gunther Wenz

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Hünermann, Peter, u. Bernd Jochen Hilberath [Hrsg.]: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Bd. 3. Unter Mitarbeit v. G. Bausenhart, O. Fuchs, H. Hoping, R. Kaczynski, H.-J. Sander, J. Schmiedl, R. A. Siebenrock. Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005. IX, 860 S. gr.8°. Geb. EUR 75,00. ISBN 978-3-451-28561-5.
Hünermann, Peter, u. Bernd Jochen Hilberath [Hrsg.]: Herders Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Bd. 4. Unter Mitarbeit v. G. Bausenhart, O. Fuchs, H. Hoping, R. Kaczynski, H.-J. Sander, J. Schmiedl, R. A. Siebenrock. Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005. IX, 916 S. gr.8°. Geb. EUR 75,00. ISBN 978-3-451-28562-2.


Die Auffassung, dass jeder Person Religions- und Gewissensfreiheit zuzuerkennen sei, wurde in der päpstlichen Enzyklika »Mirari vos« von 1832 als der schiere Wahnsinn (deliramentum) bezeichnet und als irrig verurteilt. Als verwerflich galt Gregor XVI. ebenso der Einsatz für Meinungsfreiheit. Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangte Pius IX. in seiner Enzyklika »Quanta cura« von 1864. Auch hier wurden alle Forderungen abgewiesen, die Freiheit der Religion und des Gewissens für ein Recht zu erklären, das der Staat für jeden Menschen gesetzlich zu gewährleisten habe. Ein legitimer An­spruch auf individuelle Wahl des Kults und der öffentlichen Form der Gottesverehrung sei naturrechtlich nicht gegeben, sondern in Abrede zu stellen. Hingegen wird die Rechtmäßigkeit des An­spruchs der römisch-katholischen Kirche, gegebenenfalls die einzige Religion eines Staats unter Ausschluss anderer Religionen zu sein, ausdrücklich bekräftigt. Noch Leo XIII. wollte in seiner Enzyk­lika »Libertas praestantissimum« von 1888 von einem staatlich zu verbürgenden Recht des Einzelnen auf Religionswahl und freie Kultausübung nichts wissen. Die Forderung paritätischen Verhaltens des Staates verschiedenen Religionsgemeinschaften gegen­über und ein Rechtsanspruch des Einzelnen auf freie Religionswahl werden zurückgewiesen. Sie seien mit einem katholischen Verständnis staatlichen Gemeinwesens unter der Oberhoheit Gottes nicht verträglich, der ein eindeutiges Bekenntnis zur einzig wahren Religion verlange. Unterschiedslose Religionsfreiheit so­wie entsprechende Gedanken-, Rede- und Lehrfreiheit als natürliches Recht des Menschen zu fordern, zu verteidigen oder zu gewähren, sei daher unstatthaft.
Vergegenwärtigt man sich die vatikanische Lehrtradition in Fragen der Religions- und Gewissensfreiheit seit der Französischen Revolution, die eingangs auf Grund der Ausführungen in dem anzuzeigenden Kommentarwerk (vgl. IV, 145–152) auswahlsweise skizziert wurde, dann versteht man, warum die »Declaratio de libertate religiosa« des II. Vatikanischen Konzils am 9.12.1965 in »La Stampa« als der vielleicht größte und charakteristischste Fortschritt gekennzeichnet wurde, den die römisch-katholische Doktrin im 20. Jh. gemacht hat (vgl. IV, 152). In kirchenoffiziellen Interpretationen ist dieser Wandel unter Berufung auf ein reflektiertes Traditionsverständnis in der Regel als Fortschreibung oder Fortentwicklung der bisherigen Lehre gedeutet worden, deren Substanz erhalten geblieben sei, so dass von einer wesentlichen Lehr­divergenz oder gar von einem kontradiktorischen Lehrgegensatz nicht die Rede sein könne. Diese Deutung blieb nicht unwidersprochen. Kein Geringerer als Ernst-Wilhelm Böckenförde ist ihr wie­derholt mit der Feststellung entgegengetreten, der Widerspruch der Konzilsdeklaration zu vormaligen päpstlichen Verlautbarungen sei evident und unbestreitbar. Sie stünden in keinem Kontinuitätszusammenhang, sondern in einem »Verhältnis von A und Non-A«. In seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen hat Böckenförde dieses Urteil bekräftigt (E.-W. Böcken­förde, Über die Autorität päpstlicher Lehrenzykliken am Beispiel der Äußerungen zur Religionsfreiheit, in: ThQ 186 [2006], 22–39, hier: 23) und zum Anlass einiger Grundsatzreflexionen zur Autorität lehramtlicher Aussagen im Allgemeinen und päpstlicher En­zykliken im Besonderen genommen mit dem Ergebnis einer nicht unerheblichen Relativierung der von Kanon 752 CIC erhobenen Forderung eines religiösen Verstandes- und Willensgehorsams autoritativen Lehrentscheidungen der Kirche gegenüber. Außerordentlich wichtige hermeneutische, nicht zuletzt konzilshermeneutische Fragen sind damit aufgeworfen.
Prinzipienfragen einer kirchlichen Konzils- und Lehramtshermeneutik, wie sie durch die Deklaration über die Religionsfreiheit, aber auch durch andere Texte des II. Vatikanums gestellt sind, behandelt das Kommentarwerk zusammenfassend im fünften, abschließenden Band, der eine Art von Kompendium der vorangegangenen Einzelartikel enthält und mit einer »kalligraphischen Skizze« (V, 447–469) des Konzils endet, die den Skopus und das interpretatorische Gesamtprogramm des Opus magnum komprimiert zur Darstellung bringt. Wichtige Konzilsansprachen und eine Chronik des Zweiten Vatikanischen Konzils sind in einem Anhang beigegeben. Erkenntnisleitend für den Abschlussband ist der hermeneutische Grundsatz, dass die Konzilsdokumente ihre volle Bedeutung und Tragweite erst aus einer Gesamtsynopse aller Einzelaussagen empfangen, mittels derer sich dann auch ihr Stellenwert in den theologischen Diskussionen und kirchlichen Entwick­lungen seit dem Tridentinum und dem I. Vatikanum erkennen ließe. Um eine Synthesis der verschiedenen Aussagen des Konzils zu gewinnen und ihrer inneren Einheit ansichtig zu werden, legt sich, wie P. Hünermann im Einleitungsartikel des Abschlussbandes (vgl. V, 5–101) vermerkt, ein Vergleich mit Texten nahe, die von re­prä­sentativen verfassungsgebenden Versammlungen zum Zwecke grundlegender Selbstverständigung eines Gemeinwesens ausgearbeitet wurden. Entsprechend sei das Gesamtkorpus der Dokumente des II. Vatikanums als »konstitutioneller Text des Glaubens« (vgl. V, 17) zu lesen.
Die Richtigkeit dieser Annahme sucht Hünermann u. a. an der Textgenese und den Entstehungsmomenten der Textintention sowie an den Verfahren inhaltlicher Ausgestaltung der Texte im Einzelnen zu belegen. Die sachliche, strukturelle und intentionale Zusammengehörigkeit der Konzilstexte, mittels derer sich ihre einheitliche Bedeutung erschließt, ergibt sich danach aus dem gemeinsamen, im Anschluss an Paul VI. umschriebenen Anliegen, ein den aktuellen Anforderungen der Zeit gemäßes Bild der Kirche zu entwerfen, »in dem aus Schrift und Tradition in ihrer Vielfalt die wesentliche Ordnung der Kirche in umfassender Weise gezeichnet wird. Aus der Bewusstwerdung und der Vertiefung in dieses Bild erwächst der Kirche Erneuerung und Kraft vom Heiligen Geist. Dazu gehört das Abwerfen hinfälliger äußerer Formen ebenso wie die innere Umkehr.« (vgl. V, 56)
Handelt es sich beim Textkorpus des II. Vatikanischen Konzils um einen konstitutionellen Glaubenstext von der gekennzeichneten Art, dann ist er nach Hünermann elementar auf Rezeption durch die Glaubensgemeinschaft hingeordnet und angewiesen und »soviel wert, wie er eine verpflichtende, orientierende Kraft ausübt« (V, 85). Die Konzilsdokumente tragen die Autorität ihrer Geltung nicht unmittelbar in sich, sondern sind – und zwar nach Maßgabe ihrer eigenen Verfassung – auf konstruktive und kritische Relecture und einen Kommunikationsprozess hin ausgelegt, der die Grenzen des Gegebenen transzendiert und offen ist sowohl für interne Veränderungen, als auch für externes Anderes. »Erst aus solchem Bemühen, diesen konstitutionellen Text des Glaubens, das Textcorpus des II. Vatikanums, in der Kirche lebendig und immer neu zu rezipieren, erwächst zugleich die Möglichkeit, dass die Kirche in der Weltöffentlichkeit Vertrauen gewinnt und Verlässlichkeit ausstrahlt. So wird allen sichtbar, dass die Kirche den eingeschlagenen Weg der ökumenischen Bemühungen als irreversiblen Prozess betrachtet, ebenso wie den Dialog mit den Religionen und das Engagement für die Menschenrechte in der ganzen menschlichen Gesellschaft.« (V, 86) Was durch das II. Vatikanum im Wesentlichen angesagt und gefordert werde, sei ein Prozess selbstkritischer und verständigungsorientierter Kommunikation, demzufolge die Identität des Eigenen primär nicht durch Gegensätze bestimmt, sondern in dem durch die Prinzipien der Religions- und Gewissensfreiheit sowie der Nichtidentifikation von Staat und Kirche abgesteckten Rahmen offen ist für dialogische Auseinandersetzung mit Anderem und mit Anderen. Nach Maßgabe dieser hermeneutischen Devise werden in dem Abschlussband die Ergebnisse der vorhergehenden Einzelkommentare zusammengefasst mit dem Ziel, deren inhaltlichen Zusammenhang und innere Einheit zu verdeutlichen.
Der erste Band (Freiburg-Basel-Wien, 2004) des fünfbändigen Kommentarwerks bietet eine lateinisch-deutsche Studienausgabe der Dokumente des II. Vatikanischen Konzils von der Konstitution über die heilige Liturgie »Sacrosanctum Concilium« bis zur Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt dieser Zeit »Gaudium et spes«. Grundlage des lateinischen Textes bildet die amtliche Version in AAS 56 (1964) – 58 (1966). Ihr folgt die deutsche Übersetzung mit dem Ziel möglichst exakter Wiedergabe. Auf Abweichungen von den in den Ergänzungsbänden des LThK jeweils zusammen mit einem Kommentar veröffentlichten deutschen Konzilstexten ist hier nicht einzugehen. Vermerkt sei lediglich, dass die Wendung »propter sacramenti Ordinis defectum« in UR 22 mit »wegen des Fehlens des Weihesakramentes« wiedergegeben wird. Dies dürfte unter Gesichtspunkten originärer Verfasserintention korrekt sein, bleibt aber unter rezeptionsgeschichtlichen Aspekten weiterhin fragwürdig. Beigefügt sind der lateinisch-deutschen Studienausgabe der Konzilsdokumente neu erarbeitete Register und Indizes. Der systematische Index, der in seiner Grobgliederung dem systematischen Index in DH entspricht, gibt eine strukturierte Übersicht über die Konzilsaussagen, die u. a. für deren zusammenfassende Kommentierung im Abschlussband des Werkes grundlegend und bestimmend ist.
Die Einzelkommentierung der 16 Konzilsdokumente beginnt im zweiten Band (Freiburg-Basel-Wien, 2004) mit der Liturgiekonstitution »Sacrosanctum Concilium«, dem Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel »Inter mirifica« sowie der dogmatischen Kirchenkonstitution »Lumen gentium« und erfolgt, wie dem Vorwort zu entnehmen ist, jeweils in drei Schritten: »A) Den Hintergrund der konziliaren Vorlagen bildet die theologische Entwick­lung zwischen dem I. und dem II. Vatikanischen Konzil. Ihren Reflex finden diese Tendenzen und einzelne Vorarbeiten in den miteinander im Streit liegenden theologischen Konzeptionen, welche die Diskussion des Konzils bestimmen. B) Als zweiter Schritt folgt eine Auslegung der einzelnen Kapitel und Nummern des betreffenden Dokumentes. C) Den Beschluss bildet eine theologische und pastorale Würdigung, die zugleich die ersten Ansätze und Schwierigkeiten der Rezeption einbezieht.« (II, VIII)
Dieses methodische Vorgehen wird auch in den beiden Folgebänden beibehalten, die mehr oder minder umfangreiche Kommentare zu den verbleibenden 13 Konzilsdokumenten enthalten. Dass die im bereits zitierten Vorwort des zweiten Bandes formulierte generelle Richtlinie des Unternehmens bei allen individuellen Unterschieden durchgehalten wurde, kann vorbehaltlos attestiert werden. »Durchgängig wird in den jeweiligen Kommentaren darauf geachtet, die Differenzen und Konvergenzen mit der vorkonziliaren ›mainstream‹-Theologie herauszuarbeiten, die ökumenische und interreligiöse Bedeutung, kanonistische Aspekte der auszulegenden Dokumente und ihre Einpassung bzw. Sperrigkeit in Bezug auf gesellschaftliche und geistesgeschichtliche Aspekte der Moderne zu berücksichtigen.« (Ebd.)
Als »Das Konzil der Buchhalter« hatte bereits vor über einem Vierteljahrhundert der Psychoanalytiker und Soziologe Alfred Lo­renzer das II. Vatikanum kritisiert und zusammen mit der angeb­lichen Zerstörung der Sinnlichkeit und ihrer Symbolsysteme, wie sie sich namentlich in der Liturgiekonstitution abzeichne, die vermeintliche konziliare Unterwerfungsbereitschaft gegenüber einem modernistischen Zeitgeist beklagt, die in der Konsequenz auf eine Selbstsäkularisierung und damit letztlich auf eine Selbstaufhebung der Kirche hinauslaufe. Klagen wie diese haben derzeit im Zug eines Trends zu einer neuen Ritualisierung des Religiösen Konjunktur. Ohne die Wahrheitsmomente der Analyse Lorenzers pauschal in Abrede stellen zu wollen, wird man sich der ekklesiologischen Restaurationsgefahren bewusst sein müssen, die derzeit von einer Koalition zwischen postmodernem Ästhetizismus und binnenkirchlichem Neokonservativismus nicht nur in liturgischen Zusammenhängen drohen. Zu einer solchen Bewusstseinsbildung trägt bereits der erste Text des Kommentarwerks, der Sacrosanctum Concilium gewidmet ist, Entscheidendes bei, und sie wird in den Folgekommentaren konsequent fortgesetzt in der Absicht, einen im Gewande der Postmoderne einherschreitenden Antimodernismus in jene kirchlichen Schranken zu weisen, die durch Geist und Buchstaben des II. Vatikanums gesetzt sind.
Dem Anliegen, einen Beitrag zu einer angemessenen Konzilsrezeption zu Beginn des 21. Jh.s zu leisten, der das spezifische Kennzeichen dieses im Vergleich zu älteren Kommentarwerken ausmacht, sind auch die zusammenfassenden Einzelbeiträge im Ab­schlussband verpflichtet. Sie wollen mit der inneren Kohärenz der Konzilstexte zugleich diejenige des Kommentarwerks unter Beweis stellen. Auf der Basis der Aussagen des Konzils zur Offenbarung Gottes und zu seinem Handeln in der Geschichte werden zunächst die Voraussetzungen und die Fundamente der Kirche und des kirchlichen Lebens erörtert (V, 103–147). Sodann wird das Wesen der Kirche mit besonderer Berücksichtigung ihrer Katholizität unter Binnenaspekten und in der Perspektive ihrer Außenrelationen bestimmt (V, 149–249). Leitend ist dabei die kon ziliare Idee einer Communio-Ekklesiologie. Erwägungen zum kirchlichen Evangelisierungsauftrag und zur Gestalt des heutigen Gotteszeugnisses schließen sich an (V, 251–379). Der Weg, den das II. Vatikanum gewiesen und selbst beschritten habe, führe, um eine Kapitelüberschrift zu zitieren, »Von der Exklusion zur Wahrnehmung der pluralen modernen Welt« (V, 381). Dieser Weg des II. Vatikanums, so ist des Weiteren zu lesen (V, 447–469), resultiert aus der Geschichte und schreibt sich in Form erneuerter Tradition in die Geschichte ein, um künftige Geschichte zu erwirken, die auch durch mo­mentane Stagnationen nicht an ihrem kontinuierlichen Fortschritt zu kommunikativer Verständigung zu hindern sei.
An einer kommunikations- und verständigungsorientierten Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums ist dem Kommentarwerk vor allen Dingen gelegen. Es sucht sie durch kritische Rezeption auf aktive Weise mitzugestalten. Inwieweit dies gelingt, wird sich zeigen müssen. Die Auseinandersetzungen um die Auslegung der Konzilstexte sind nach wie vor in vollem Gang. Setzt sich der im Kommentarwerk mehrfach konstatierte postkonziliare Zug zum Zentralismus fort, dann wird man in Rom wohl bis auf Weiteres auch die Interpretationshoheit über die Texte des II. Vatikanischen Konzils und die lehramtliche Kompetenz beanspruchen, verbindlich über die Authentizität ihrer Rezeption zu entscheiden. Ob das vorliegende Kommentarwerk gegen diesen Anspruch in Theorie und Praxis etwas auszurichten vermag, bleibt abzuwarten. Immerhin zeigt das eingangs erwähnte Beispiel der Erklärung »Dignitatis humanae« und das langwierige Ringen um ihr Zustandekommen, dass die römisch-katholische Kirche in den letzten Jahrhunderten wesentliche und zunächst durchaus unerwartete und kaum prognostizierbare Veränderungen vollzogen hat, welche »die Kirche als Ganze in all ihren Vollzügen« (V, 415) tangierten. Solche Veränderungen lassen sich »nicht taktisch durchsetzen oder gar durchhalten«, sondern »nur mit einer theologischen Begründung aus der Mitte des Glaubens« (ebd.) heraus vollziehen.
Nach Maßgabe der Erklärung über die christliche Erziehung (Declaratio de educatione christiana) des II. Vatikanums »Gravissimum educationis« erwartet die römisch-katholische Kirche von ihren theologischen Fakultäten eine Erforschung der verschiedenen Gebiete der Theologie mit dem Ziel, dass das Verständnis der göttlichen Offenbarung immer weiter vertieft wird, das von den Vätern tradierte Erbe christlicher Weisheit sich immer besser er­schließt, das Gespräch mit den getrennten Brüdern und den Nichtchristen vorangetrieben wird und die durch den Fortschritt der Wissenschaften aufgeworfenen Fragen eine Antwort finden (vgl. GE 11). Herders Theologischer Konzilskommentar ist ein be­mer­kenswerter Beitrag zur Erfüllung dieser Aufgaben; er verdient es, nicht zuletzt im »dialogus cum fratribus seiunctis« gebührend beachtet zu werden.