Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

103

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Gräb, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Sinnfragen. Transformationen des Religiösen in der modernen Kultur.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006. 234 S. 8°. Geb. EUR 24,95. ISBN 978-3-579-05238-0.

Rezensent:

Ch. G.

Der gegenwärtig in der deutschsprachigen Debatte wohl am häufigs­tens zitierte und diskutierte Praktische Theologe präsentiert in diesem Band eindrucksvoll sein Anliegen. Dabei hat er großenteils in jüngster Zeit veröffentlichte Aufsätze aufgenommen und so bearbeitet, dass – abgesehen von zahlreichen Wiederholungen – ein profiliertes praktisch-theologisches Grundlagenwerk entstanden ist.
Der Band ist in drei Teile gegliedert: Grundlegend stellt G. im ersten Teil »Von der Religion zur Religionstheologie« seine Überlegungen in die Tradition des Kulturprotestantismus. Positiv will er Religion als konstitutives Element auch der modernen Kultur aufweisen. Dabei geht es in der Religion vorzüglich um Deutungsleistungen; die traditionellen Lehrgehalte und die Arbeit der Kirche sind dementsprechend zu transformieren. Theologisch steht die Rechtfertigungslehre im Mittelpunkt, allerdings in einer von den juridischen und eschatologischen Gehalten gereinigten Form.
Dieser Ansatz wird in seiner Leistungsfähigkeit im zweiten Teil »Von der Ästhetik zur Kunst gottesdienstlicher Inszenierung« an Beispielen aus Kunst, Theater und Film konkretisiert. Demnach drängt die ästhetische Erfahrung in vielfacher Weise zur religiösen Deutung. Die Konsequenzen dieses Ansatzes treten exemplarisch in der ausführlichen und durchaus scharfen Auseinandersetzung G.s mit Karl-Heinrich Bieritz (166–179) in konkreten liturgischen Fragen zu Tage.
Den Band schließen knappe Skizzen zu traditionell praktisch-theologischen Themen ab, in denen der Weg »Von der Verkündigung zur religiösen Lebensdeutung« empfohlen wird.
Die systematische Geschlossenheit des vorgelegten Entwurfs ist imponierend, lässt zugleich aber dessen Grenzen zu Tage treten: Die diakonische Dimension ist ausgeblendet; sie ist mit »Deutung« allein wohl nicht einzuholen. Dazu stellt sich die Frage nach dem Preis für die pointierte Reduktion des Christentums auf die modernem Bewusstsein zugänglichen Gehalte. Gehen dabei nicht kulturkritische Gehalte des Evangeliums verloren? Schließlich zugespitzt gefragt: Ist (ästhetische) Performance nur Material für (religiöse) Deutungen?