Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

66–68

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Hock, Klaus

Titel/Untertitel:

Das Christentum in Afrika und dem Nahen Osten.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005. 257 S. m. Ktn. u. Tab. gr.8° = Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, IV/7. Geb. EUR 28,00. ISBN 3-374-02089-5.

Rezensent:

Klaus Koschorke

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Huber, Friedrich: Das Christentum in Ost-, Süd- und Südostasien sowie Australien. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005. 305 S. gr.8° = Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen, IV/8. Geb. EUR 34,00. ISBN 3-374-02119-0.


Während im englischen Sprachraum die Zahl der Projekte, Publikationen und Journale, die sich mit der »History of Christianity in the Non-Western World«, der »World History of Christianity« bzw. der Geschichte des Weltchristentums befassen, ständig anschwillt, be­steht im deutschsprachigen Bereich an dieser Stelle erheblicher Nachholbedarf. Die Geschichte des Christentums in Übersee wurde lange Zeit allenfalls unter der Rubrik ›Missionsgeschichte‹ verhandelt oder kam in den Lehrbüchern der Kirchengeschichte erst gar nicht vor – und dies, obwohl sich die ökumenischen Rahmenbedingungen dramatisch verändert haben und die Mehrheit der christlichen Weltbevölkerung seit den 1980er Jahren des 20. Jh.s nicht länger in der nördlichen, sondern in der südlichen Hemisphäre lebt (2006 ca. 61 %), Letzteres mit steigender Tendenz. Umso erfreulicher ist es, dass die renommierte Reihe »Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen« in der Sektion IV »Neueste Zeit« nun vier Teilbände zur außereuropäischen Christentumsgeschichte enthält. Zwei dieser Teilbände – zu Afrika/Naher Osten und Asien/Australien – sind Ge­genstand der folgenden Besprechung. Die an­deren beiden beziehen sich auf Nordamerika (verfasst von Mark Noll, 2001) und auf Lateinamerika (Autor: Hans-Jürgen Prien, er­schienen 2007).
Als gelungen ist die Darstellung der afrikanischen Christentumsgeschichte durch Klaus Hock zu bezeichnen. Sie kann als die beste momentan verfügbare deutschsprachige Behandlung des Themas gelten. Der Nahe Osten wird bei ihm zwar nur ausgesprochen kurz verhandelt, als Appendix in den jeweiligen Epochenkapiteln. Das wird keineswegs der Bedeutung der dortigen Kirchen ge­recht, war aber angesichts des begrenzten Raums wohl nicht anders zu machen. Hock betont die afrikanische (und nahöstliche) Initiative an Stelle einer bloßen Wiedergabe missionarischer Un­ternehmungen. Deshalb finden Persönlichkeiten wie der christliche Kongoherrscher Afonso I. (16. Jh.) oder die Prophetin Kimpa Vita (17./18. Jh.) und die kirchlichen Unabhängigkeitsbewegungen des 19. und 20 Jh.s angemessene Berücksichtigung. Dabei war sicherlich hilfreich, dass es inzwischen zu Afrika verschiedene Gesamtdarstellungen in vergleichender Perspektive gibt, die an­dernorts so nicht zur Verfügung stehen. Verwiesen sei auf die bereits als klassisch zu bezeichnenden Entwürfe von Adrian Ha­s­tings (A History of African Christianity 1950–1975, 21986; The Church in Africa 1450–1990, 1994), oder jüngst die voluminöse Darstellung durch Bengt Sundkler und Christopher Stead (A History of the Church in Africa, 2000) sowie Ogbu U. Kalus zeitgleich erschienenen Sammelband »African Christianity: An African Story« (2005), der ausschließlich Beiträge afrikanischer Autoren enthält. Hocks Darstellung liegt die Gliederung in fünf Epochen (bzw. Kapiteln) zu Grunde: 1. »Das frühe Christentum«; 2. »Die Portugiesenzeit (15.–18. Jh.)«; 3. Die neuzeitliche Missionsbewegung und Christentumsgeschichte im 19. Jh.; 4. »Imperiale Präsenz und Christentumsgeschichte im kolonialen Kontext (ca. 1900–1950)«; sowie 5. »Christentumsgeschichte und nationale Unabhängigkeit (ab ca. 1950)«. Innerhalb der einzelnen Kapitel wird die Christentumsgeschichte differenziert nach einzelnen Regionen dargestellt, nicht in schematischer Abfolge, sondern entsprechend der jeweiligen Signifikanz. Im 5. Kapitel etwa sind dies: Westafrika, Zentralafrika, Südliches Afrika, Ostafrika, Äthiopien, Nordafrika und der Nahe Osten. Ein abschließendes »Kapitel 6: Epilog« identifiziert aktuelle Trends und übergreifende Perspektiven der jüngeren Zeit – so das Aufkommen fundamentalistischer Strömungen, die wachsende Be­deutung interreligiöser Konflikte und Dialoge, theologische Konturierung, Kontextualisierung sowie migrationsbedingte »Entgrenzung« bzw. außerafrikanische Präsenz des afrikanischen Chris­tentums. Durch flexible Anordnung und großräumige Fokussierung gelingt Hock so eine Darstellung, die sowohl einen Überblick über übergreifende Entwicklungen zu vermitteln vermag als auch ihrer regionalen Differenziertheit gerecht wird.
Gleiches lässt sich von Friedrich Hubers Band über das »Chris­tentum in Ost-, Süd- und Südostasien sowie Australien« nur eingeschränkt sagen. Auch hier liegt das Schwergewicht eindeutig auf einem Kontinent (Asien). Die Darstellung von »Christentum und Kirche in Australien« beschränkt sich demgegenüber auf einen Anhang von vier Seiten – vielleicht ein Konstruktionsproblem der ganzen Reihe. Der Asienteil selbst ist gegliedert in ein sehr um­fangreiches Kapitel 1: »Übergreifende Aspekte«, der unterschiedliche Themen der asiatischen Christentumsgeschichte verhandelt. Es folgen drei regionale Kapitel zu Südasien, Südostasien und Ostasien, mit Unterkapiteln zu den einzelnen Ländern. Das Ergebnis besteht einerseits im Nebeneinander einzelner Länderartikel und andererseits in einem einführenden Hauptteil, der die »übergreifenden Aspekte« der asiatischen Christentumsgeschichte weniger historisch als eher typisierend abhandelt. Dabei werden zum Teil Informationen ungleichen Gewichtes nebeneinandergestellt, und die Beispiele springen zwischen den verschiedenen Jahrhunderten hin und her. Unter der Überschrift »A. Mission und Kolonialismus« etwa werden verschiedene Varianten ihrer Zuordnung dargestellt (Mission als »Nutznießerin«, Wegbereiterin und »Kritikerin« des Ko­lonialismus), sie selbst dabei aber eher als fixe Größen behandel t– obwohl sich etwa die koloniale Herrschaft der Portugiesen im 16.Jh. vom Freihandelsimperialismus der Briten im 19. Jh. ebenso signifikant unterscheidet wie die Patronatsmission der Dominikaner auf den spanischen Philippinen von den Unternehmungen eines Karl Gützlaff im China des 19. Jh.s. Im Übrigen spielten sich, wie etwa das Beispiel Korea zeigt, entscheidende Etappen der asiatischen Christentumsgeschichte in einem außerkolonialen Kontext ab. »C. Christliches Leben im kulturellen Kontext Asiens« setzt ein mit der Frage nach dem »›Kulturellen Imperialismus‹ der Missionare« und nicht etwa – wie es chronologisch und sachlich nahegelegen hätte – mit den aufregenden Experimenten der ostsyrisch-nestorianischen »Kirche des Ostens«, die die christliche Botschaft seit dem 7. Jh. in einer Vielzahl der Sprachen und kulturellen Traditionen zu artikulieren verstanden. Die auf der »Nestorianer«-Stele von Xian aus dem 8. Jh. zu bewundernde Synthese von Kreuz und Lotus dient heute zahlreichen Kirchen und christlichen Ashrams Südasiens als Symbol. Allein schon durch ihre Anordnung erfolgt die Darstellung von 2000 Jahren asiatischer Christentumsgeschichte letztlich aus der Perspektive der protestantischen Missionsbewegung des 19. und 20. Jh.s. Bei den Länderartikeln werden nicht nur Indien, Japan, China, Korea und Indonesien mit eigenen Teil-Kapiteln bedacht, sondern ebenso auch Bhutan, Singapur, Laos und Kambodscha. Neben den großen Themen wird auch manche eher lokal bedeutsame Einrichtung ehrenvoll erwähnt – wie etwa die Kandy City Mission (im Abschnitt über Sri Lanka), während bedeutendere Initiativen der Kirchen des Landes zur Überwindung der ethnischen Konflikte unerwähnt bleiben. Das Buch bietet dem Leser eine Vielzahl wichtiger Informationen und hat seine unstrittigen Verdienste. Aber es verliert sich in mancherlei Details und bietet keine strukturierte Übersicht über die Landkarte der asiatischen Christentumsgeschichte – mit den spezifischen Herausforderungen der verschiedenen Epochen und Kontexte.
Letzteres allerdings ist natürlich ein grundsätzliches Problem, und der Entwurf einer Geschichte des außereuropäischen Chris­tentums, die mehr ist als die Addition einzelner Ländergeschichten, ist eine noch zu bewältigende Herausforderung. Sie ist umso dringlicher, als die Erweiterung des geographischen Horizonts der Kirchengeschichte als akademischer Disziplin nicht einfach durch die Anhäufung zusätzlicher Wissensbestände zu erreichen ist. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, Darstellungsformen zu ent­wi­ckeln, die sowohl der regionalen und kontextuellen Vielfalt gerecht zu werden als auch übergreifende Fragestellungen, Probleme und Entwicklungen zu identifizieren vermögen. Wie nie zuvor in seiner Geschichte ist das Christentum zur Weltreligion geworden, und die Suche nach angemessenen Formen historiographischer Repräsentation wird ein zentrales Thema künftiger Debatten sein.