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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

62–63

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Wallraff, Martin [Ed.]

Titel/Untertitel:

Oratio Funebris in Laudem Sancti Iohannis Chrysostomi. Epitaffio attribuito a Martirio di Antiochia (BHG 871, CPG 6517). Traduzione di C. Ricci.

Verlag:

Spoleto: Fondazione Centro Italiano di Studi Sull’Alto Medioevo 2007. VIII, 212 S. gr.8° = Quaderni della Rivista di Bizantinistica, 12. Kart. EUR 35,00. ISBN 978-88-7988-122-7.

Rezensent:

Ch. M.

Nachdem der exilierte Bischof der Stadt Konstantinopel, Johannes Chrysostomus, unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen war und die Todesnachricht in seiner Bischofsstadt eingetroffen war, hielt ein begeisterter Anhänger eine Grabrede, in der er den Verstorbenen in höchsten Tönen lobte und dessen Gegner in schärfsten Worten verdammte (so wird einer der Gegner des Chrysostomus mit Namen Leontius als Mann von tierischer Roheit »sowohl nach Namen wie nach Sitte« bezeichnet: § 84, S. 140,16 f. W.). Überraschenderweise wurde der Text vollständig bislang nur einmal provisorisch im Rahmen einer Löwener Dissertation 1974 ediert und in der Sekundärliteratur auch kaum beachtet – möglicherweise deswegen, weil in der einflussreichen Biographie von Chrysostomus Baur der antike Text als sekundär bezeichnet worden war (Der Heilige Johannes Chrysostomus und seine Zeit, 1. Bd. Antiochia, München 1929, XIX f.). Baur, in dessen Wiener Nachlass sich auch Vorarbeiten für eine geplante Edition befinden (11), hatte Abhängigkeit von Palladius und Sozomenus postuliert; die erwähnte Dissertation votierte dagegen umgekehrt für eine Benutzung der Grabrede durch Sozomenus (so auch W., 18 f.). Um so erfreulicher ist, dass W. im vergangenen Chrysostomus-Jahr der Forschung eine mustergültige Edition des Textes schenkte und seine Ehefrau, die Byzantinistin Cristina Ricci, dem Text eine ebenso mustergültige italienische Übersetzung zur Seite stellte.
Die Ausgabe von W. beruht auf fünf mittelalterlichen Handschriften, von denen drei den Text vollständig überliefern; die Paginierung der Pariser Handschrift graec. 1519 ist am Rand der Edition angebracht, so dass sich die wenigen Zitate in der Sekundärliteratur in der neuen Ausgabe problemlos verifizieren lassen. Die Einleitung enthält neben der Beschreibung der Handschriften ein Stemma, Bemerkungen zur Datierung und möglichen Autorschaft (W. erwägt, ob Philippus von Side als Autor in Frage kommt, und weist eine Identifikation von Timothy Barnes zurück) sowie Be­merkungen zum Genre und Stil der Grabrede. Edition und Übersetzung enthalten knappe kommentierende Anmerkungen, ge­folgt von einem Zitaten- und Eigennamenregister. Die Dissertation von Claudia Tiersch (Johannes Chrysostomus in Konstantinopel (398–404), STAC 6, Tübingen 2002) hat erstmals vorgeführt, wie eine moderne Biographie des Chrysostomus aussieht, die den Text des Ps.-Martyrius durchgängig berücksichtigt; die nun vorliegende, vorzügliche Edition macht weitere Studien möglich, nicht nur zum Bischof selbst: »Denn diejenigen, die beim kaiserlichen Hof gut angesehen sind, werden immer beneidet, und die Neider selbst lassen sich ihrerseits von anderen beneiden, da keiner je genug hat am Reichtum, selbst diejenigen nicht, die beim Kaiser ganz in der ersten Reihe stehen« (§ 13, S. 58,21–25). Außerdem wird auf diese Weise deutlich, wie lohnend die Beschäftigung mit der reichen hagiographischen Überlieferung zu Chrysostomus ist; hier sind im Übrigen noch längst nicht alle Schätze gehoben. 1938 entdeckte eine Expedition der Kirchenväterkommission der preußischen Akademie der Wissenschaften eine dem Palladius zugeschriebene metrische Vita des Heiligen, in der es beispielsweise über dessen Predigttätigkeit in Antiochia heißt: »Die Große Kirche war stets voll,/ die Menge drückte sich wie toll« (Metrische Vita aus Athous Iviron 329, Vv. 39 f.).