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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

58–59

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Evagrius Scholasticus. Historia Ecclesiastica. Kirchengeschichte. Zweiter Teilband. Übersetzt u. eingel. v. A. Hübner.

Verlag:

Turnhout: Brepols 2007. VII, 393 S. 8° = Fontes Christiani, 57/2. Lw. EUR 35,42. ISBN 978-2-503-51977-7.

Rezensent:

Gert Haendler

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Evagrius Scholasticus. Historia Ecclesiastica. Kirchengeschichte. Erster Teilband. Übersetzt u. eingel. v. A. Hübner. Turnhout: Brepols 2007. 319 S. 8° = Fontes Christiani, 57/1. Lw. EUR 35,42. ISBN 978-2-503-51975-3.


Evagrius schrieb kurz vor 600 seine Kirchengeschichte über die Jahre 428–594. Die älteste Handschrift stammt aus dem 11. Jh., die editio princeps erschien 1544 in Paris. Migne bringt den Text in PG 86/2. Die Fontes Christiani übernehmen die kritische Edition von J. Bi­dez und L. Parmentier (London 1898, Amsterdam 1964). Dazu bietet Adelheid Hübner eine deutsche Übersetzung, die trotz recht enger Anlehnung an den griechischen Text breitere Leserkreise erreichen sollte. Die Einleitung über Leben und Umwelt E.s (9–28) und sein Werk (29–103) verweist fortlaufend auf seine Kirchengeschichte und regt so den Leser zum Nachdenken an.
Das Werk ist nach Regierungsjahren der Kaiser gegliedert. Außer dem ersten Buch »beginnt jedes Buch mit dem Herrschaftsantritt eines Kaisers und umfasst jeweils die Regierungszeiten von zwei Kaisern, abgesehen wiederum vom letzten Buch, das mitten in der Regierungszeit von Mauricius endet« (48 f.). Den Kaisern folgen Konzilien, kirchliche Kämpfe, Religionsedikte, Heilige oder Mönche und andere religiöse Ereignisse. Danach folgt das weltliche Geschehen. E. war »einer der wenigen antiken Autoren, der die meisten seiner Quellen angibt und der wie sein Vorbild Eusebius (und auch Socrates) Akten, Urkunden und Briefe in seine Kirchengeschichte einfügt, die oft wichtiges Informationsmaterial darstellen und nur durch ihn bewahrt worden sind. Das macht den besonderen Wert seiner Kirchengeschichte aus« (50). Mit E. beginnt die Zeit, »in der Staatsgeschichte und Kirchengeschichte so sehr ineinander verflochten waren, dass sie nicht mehr getrennt dargestellt werden konnten. Im oströmischen Reich wurde für Jahrhunderte keine Kirchengeschichte mehr verfasst, andererseits nahmen profane Chroniken und Historien Bezug auf kirchliche und religiöse Ereignisse.« Für acht Jahrhunderte ist er »der letzte griechisch schreibende Kirchenhistoriker ...« (66).
E. stammt aus einer gut situierten Familie in Syrien, er hat Jura studiert und als Anwalt gearbeitet. In Antiochien wurde er 570 Berater des Patriarchen Gregor, mit dessen Tod 593/94 seine Darstellung endet. Sein von Antike und Christentum geprägtes Weltbild trägt »noch die Merkmale ihrer einstigen Größe, aber auch schon die Zeichen ihres Niederganges« (28). E. ist »der Überzeugung, dass die Welt durch das Christentum besser geworden ist. Das demonstriert er in der Polemik gegen den heidnischen Historiker Zosimus, der in seiner um 500 verfassten Historia nova die Ansicht vertreten hatte, dass das Christentum am Niedergang des Reiches schuld sei. Evagrius ist der erste und einzige griechische Historiker, der sich mit Zosimus auseinandersetzt und ihn zu widerlegen sucht« (97).
Ein erster Schwerpunkt ist das Konzil von Ephesus 431, die Ak­ten haben ihm vorgelegen (122–35). Hinweise über Nestorius sind von Wert, da dessen Schriften zumeist verloren sind. Ausführlich erzählt E. in I,20–22 von der Kaiserin Eudokia, »die den letzten Teil ihres Lebens in Palästina verbracht und dort für die Einrichtung von Klöstern und Lauren gesorgt hatte«. Im Anschluss daran bietet er »einen einzigartigen, umfassenden Exkurs über palästinensisch-syrisches Anachoretentum« (32 = 1,21; 180–86). Buch 2 beginnt mit Kaiser Marcian. Das lange Kapitel 4 gilt dem Konzil von Chalkedon 451. Offensichtlich hat E. die Akten benutzt, er zitiert im Wortlaut vier Dokumente, die er am Ende des 2. Buches noch einmal in einer Epitome bringt (208–227 und 265–319). Aber auch die Eroberung Roms 455 durch die Vandalen unter König Geiserich wird geschildert (237). Kaiser Leos Rundschreiben 457 an die Bischöfe und hervorragende Mönche, das ihre Wertung des Konzils von Chalkedon erfragt, wird in 2,9 geboten (246–251).

Buch 3 berichtet, dass die Beschlüsse von Chalkedon zeitweise außer Kraft gesetzt wurden, wozu viele Bischöfe bereit waren. Hinterher müssen sie sich beim Patriarchen Acacius entschuldigen: »Durch dieses Schreiben tun wir kund, dass wir nicht auf eigenen Wunsch hin, sondern unter Zwang unterschrieben haben, und dass wir nur mit Buchstaben und Worten, nicht mit dem Herzen zugestimmt haben«. Sie glauben »an die in Chalkedon fromm und richtig von den dort versammelten heiligen Vätern beschlossenen Definitionen« (355).
Buch 4 handelt von den Kaisern Justin I. (518–527) und Justinian I. (527–565). Für die Kriege in Italien liegen Prokops Berichte zu Grunde. Ihm folgend erwähnt E. in 4,19 einen Papstwechsel 537 in Rom: Der Feldherr Belisar ließ Silverius, den Erzbischof der Stadt, nach Griechenland bringen und als Erzbischof in Rom setzte er Vigilius ein (491). In 4,31 beschreibt E. den Bau der Hagia Sophia (514–517). Für die 5. Ökumenische Synode 553 hat er »Akten herangezogen, die heute nur noch unvollständig und nur lateinisch erhalten sind« (43). E. urteilt deutlich in 4,39: »Zu der Zeit hatte sich Justinian von der rechten Bahn der Dogmen abgewandt und einen Weg betreten, den weder die Apostel noch die Väter beschritten hatten« (539).
Buch 5 schildert Ereignisse unter den Kaisern Justin II. (565–578) und Tiberius II. (578–582). In 5,6 berichtet E. anerkennend über seinen Dienstherren, den Bischof Gregor von Antiochien (564–569). Buch 6 betrifft die Jahre 582–594, also mehr als die Hälfte der Regierungszeit des Kaisers Mauricius, der 603 ermordet wurde. E. »verherrlicht ihn mehr als alle anderen Kaiser und lässt seine Kirchengeschichte in seiner Person gipfeln« (74).
Insgesamt zeigen die beiden Bände wieder jene hohe Qualität, die man bei der Reihe Fontes Christiani nun schon voraussetzt.