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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

34–35

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bredin, Mark [Ed.]

Titel/Untertitel:

Studies in the Book of Tobit. A Multidisciplinary Approach.

Verlag:

London-New York: T & T Clark (Continuum) 2006. XI, 193 S. m. Abb. gr.8° = Library of Second Temple Studies, 55. Lw. £ 65,00. ISBN 0-567-08229-6.

Rezensent:

Helmut Engel

Der Herausgeber führt in diesem Band mehrere Beiträge zusammen, die sich sowohl in ihren Fragestellungen und Methoden als auch in ihrer Bedeutung für das Verständnis des Tobitbuches (Tob) sehr unterscheiden. Sie scheinen ohne Absprache untereinander entstanden zu sein, und nur wenige der Autoren erwecken den Eindruck, um das Vorhandensein der anderen Aufsätze in dem Band zu wissen, so dass dem Leser vielmals, wenn auch verschieden akzentuiert, Inhaltsübersichten und literaturgeschichtliche Einordnungen zu Tob vorgetragen werden. Dementsprechend sind in den Bibliographien, die am Ende jedes Beitrags stehen, dieselben Veröffentlichungen wiederholt aufgeführt. Um die Disparatheit zu mildern, gibt der Herausgeber in seiner Einführung (1–4) einen Überblick, unter welcher Rücksicht sich die einzelnen Beiträge mit Tob und seiner Auslegung befassen.
Die Verfasser der beiden ersten Kapitel teilen Früchte ihrer in­tensiven Arbeit an der 2004 erschienenen Tobit-Synopse und -Konkordanz mit: Simon Gathercole, Tobit in Spain. Some Preliminary Comments on the Relations between the Old Latin Witnesses (5–11), macht auf die Uneinheitlichkeit der altlateinischen Handschriften aufmerksam, die eine weit reichende Variantenbreite der Vetus Latina schon in frühester Zeit erkennen lässt. An Tob 7,9 und 2,9 zeigt er, dass Verschiedenheit der Formulierung eine innerlateinische Entwicklung darstellen kann, die nicht auf eine verschieden lautende griechische (oder aramäische bzw. hebräische) Vorlage zu schließen erlaubt. – Stuart Weeks, Some Neglected Texts of Tobit: The Third Greek Version (12–42), trägt Hinweise für die Annahme zusammen, dass GIII eine der verbessernden Bearbeitungen einer der Langfassungen war (GII ist ja auf keinen Fall mit dem Text des Codex Sinaiticus gleichzusetzen), von denen eine in der Vetus Latina übersetzt wurde. Diese Bearbeitung führte aber nicht zu einer so grundlegenden Umgestaltung, wie sie in GI geschah. Besonders wertvoll ist am Ende des Beitrags die Erörterung von 248 Varianten.
Mark Bredin, The Significance of Jonah in Vaticanus (B) Tobit 14.4 and 8 (43–58), möchte die Bedeutung der wohl absichtlichen Ersetzung von Nahum (GII) durch Jona in GI klären: Während Tobit in GII »dem Wort Gottes gegen Ninive glaubt, das Nahum gesprochen hat«, ist in GI nicht vom Wort Gottes die Rede, sondern Tobit »ist von allem überzeugt, was der Prophet Jona über Ninive gesprochen hat«, und in GI 14,8 heißt es (ohne Entsprechung in GII), dass »alles, was der Prophet Jona gesagt hat, vollständig eintreffen wird«. GI ersetzt die Zerstörungsansage Nahums durch die Katastrophenandrohung des (damals irrenden) Propheten Jona im Sinne von Tob 13,11 und 14,6, dass Gott sich auch der ›Völker‹ erbarmen wird, wenn sie umkehren. Ob sich aus dieser Umgestaltung Tragfähiges für die Datierung und das Entstehungsmilieu von GI erheben lässt, mag dahingestellt bleiben. – Hugh Pyper, ›Sarah is the Hero‹. Kierkegaard’s Reading of Tobit in Fear and Trembling (59–71), informiert schon in der Überschrift über seine Perspektive auf Tob. – Trevor Hart, Tobit in the Art of the Florentine Renaissance (72–89), zeigt an einigen Tobitdarstellungen des 15. Jh.s aus Florenz, dass diese Bilder nicht die Tobitgeschichte nacherzählen oder deren Verständnis vertiefen wollen, sondern Anliegen, Frömmigkeit und Hoffnungen der Auftraggeber symbolisch ins Bild setzen. – Shalom Goldman, Tobit and the Jewish Literary Tradition (90–98), beschäftigt sich nur am Rande mit Tob, macht aber interessante Beobachtungen zu den Gründen des gesteigerten Interesses von Juden seit dem 19. Jh. für die Archäologie und das frühjüdische Schrifttum. – Nathan MacDonald, Bread on the Grave of the Righteous [Tob 4.17] (99–103), erörtert die rätselhafte Anweisung an Tobias und be­schreibt in seinem zweiten Beitrag (Food and Drink in Tobit and Other ›Diaspora Novellas‹, 165–178) Essen, Trinken und Fasten als cultural marker und ihren Beitrag zur Stärkung jüdischer Identität besonders in den Spätschriften des Alten Testaments (Est, Tob, Dan, Jdt). – Es folgt Pekka Pitkänen, Family Life and Ethnicity in Early Israel and in Tobit (104–117). – Margaret Barker, The Archangel Raphael in the Book of Tobit (118–128), bietet eine informative Übersicht über die Funktion und die Bedeutung von (Erz-)Engeln in der Bibel und der (früh-)jüdischen Literatur und leistet so einen interessanten Beitrag zur Erhellung der Raphael/Asarja-Figur in Tob. – Die Ausführungen von Hans J. Lundager Jensen, Family, Fertility and Foul Smell: Tobit and Judith (129–139), er­scheinen, be­sonders bezüglich des Buches Judit, kaum weiterführend.
Richard Bauckham, Tobit as a Parable for the Exiles of Northern Israel (140–164), macht darauf aufmerksam, wie stark die Perspektive von jerusalemorientierten Deportierten aus dem Nordreich Israel Tob prägt. Nach vorzüglichen Beobachtungen über die Aufnahme und theologische Verwendung von Motiven und Texten aus älteren biblischen Büchern in Tob vermutet Bauckham im Verfasser von Tob einen Nachkommen der israelitischen Diaspora in Nordmesopotamien (Adiabene?) in persischer Zeit. – Hilfreiche In­dizes (179–193) beschließen den Band.