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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

30

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Boccaccini, Gabriele [Ed.]

Titel/Untertitel:

Enoch and Qumran Origins. New Light on a Forgotten Connection. Associate Eds.: J. H. Ellens and J. A. Waddell with the collaboration of J. von Ehrenkrook, R. Ruark, and A. Brunell.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2005. XVIII, 454 S. gr.8°. Kart. US$ 40,00. ISBN 0-8028-2878-7.

Rezensent:

Gerbern S. Oegema

Dieses Buch ist die Druckfassung der Beiträge eines internationalen Forschungskolloquiums unter dem Namen »Second Enoch Seminar«, das sich im Juli 2003 in Venedig mit den vielseitigen und oft unerforschten Beziehungen zwischen der Henoch-Literatur und den Qumran-Schriften befasst hat. Die insgesamt 61 Beiträge des Bandes sind in fünf Teile untergliedert, die unterschiedliche Aspekte der Henoch-Literatur behandeln. Nach einer Einführung von Gabriele Boccaccini und vor dem Nachwort von James H. Charlesworth finden sich die folgenden Teile, jeweils mit einer Kurzbibliographie am Schluss: Teil I: Dream Visions and Daniel, Teil II: Enoch and Jubilees, Teil III: The Apocalypse of Weeks, Teil IV: The Groningen Hypothesis Revisited, Teil V: The Enochic-Essene Hypothesis Revisited. Es gibt keine Indizes.
Die Beiträge des Buches sind in einem seit 2001 jedes zweite Jahr in Italien stattfindenden internationalen Forschungskolloquium entstanden, das sich der nicht unumstrittenen These der Existenz eines »Henoch-Judentums« widmet. Die These der Existenz einer Form des Judentums aus der spätpersischen und frühhellenistischen Zeit, das sich von der Hauptströmung des mosaisch geprägten Judentums losgelöst hätte und dem in den Qumran-Schriften sich präsentierenden Judentum vorausgegangen sei und es beeinflusst hätte, wurde durch die Arbeit von Paolo Sacchi und Gabriele Boccaccini bekannt und geht zu einem wichtigen Teil auf die Arbeiten zu den Pseudepigraphen von James Charlesworth zurück, dessen Doktorand Boccaccini war.
Die These ist inzwischen derart verfeinert worden, dass nicht nur auf kleinste Nuancen geachtet werden kann, sondern dass auch unsere ganze Rekonstruktion der vielfältigen Aspekte des Judentums der persisch-hellenistischen Zeit, die Beziehungen zwischen den verschiedenen jüdischen Gruppierungen untereinander und die Beziehungen zwischen frühem Judentum und Christentum neu überdacht werden können und auch wurden. Die Beiträge dieses Buches widmen sich den Beziehungen zwischen dem 1. Henoch-Buch, besonders den Visionen und der Wochen-Apokalypse, dem Danielbuch und dem Jubiläenbuch sowie der sog. Groningen-Hypothese. Diese besagt, dass die Qumran-Schriften von mehr als nur einer religiösen Gemeinschaft stammen und dass viele dieser Schriften einen längeren Redaktionsprozess erkennen lassen. Die Hy­pothese einer Verbindung zwischen dem 1. Henochbuch und den Essenern stützt sich teilweise auf die Groningen-Hypothese.
Es handelt sich ingesamt um ein sehr gelungenes Buch, das die Vielfalt des Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels auf ein­drucks­volle Weise und in vielen ungeahnten Facetten zeigt, und um einen willkommenen Beitrag zu einer anhaltenden Diskussion, zu der auch ein inzwischen erschienener weiterer Band beiträgt (siehe G. Boccaccini [Hrsg.], The Parables of Enoch and the Messiah Son of Man, Grand Rapids: Eerdmans 2006).