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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

27–28

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Avot de-Rabbi Natan. Synoptische Edition beider Versionen. Hrsg. v. H.-J. Becker in Zusammenarbeit m. Ch. Berner.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2006. XXVII, 409 S. 4° = Texts and Studies in Ancient Judaism, 116. Lw. EUR 279,00. ISBN 978-3-16-148887-0.

Rezensent:

Beate Ego

Diese Textedition des Göttinger Judaisten und Neutestamentlers Hans-Jürgen Becker umfasst alle direkten Textzeugen der beiden Versionen des außerkanonischen Talmud-Traktates »Avot de-Rabbi Natan«, der eine Art Gemara zum Mischnatraktat Abot darstellt. Der modernen Editionstechnik entsprechend werden die verschiedenen Handschriften hier synoptisch nebeneinandergestellt, ohne dass in die Texte eingegriffen wird oder eine Bewertung erfolgt. Version A, die weitaus häufiger handschriftlich bezeugt ist, wird dabei in einer doppelt angelegten Synopse mit zwei Anhängen (MS Vatikan 44 und MS London Or. 10429/New York Rab. 16) präsentiert; Version B, von weitaus geringerer textlicher Bezeugung, im einseitigen Textformat. Eine solche getrennte Darbietung der Textversionen legt sich nahe, da die Parallelen zwischen beiden Versionen nicht so häufig sind, dass eine Synopse beider Versionen sinnvoll wäre.
Version A wird durch folgende Textzeugen repräsentiert: Editio princeps Venedig aus dem Jahre 1550, MS Oxford (Bodleiana) Heb. c. 24 (Neubauer 2635), MS Oxford (Bodleiana) Opp. 95 (Neubauer 408), MS New York (JTS) Rab. 1305, MS New York (JTS) Rab. 25, MS New York (JTS) Rab. 50, MS Oxford (Bodleiana) Opp. 247 (Neubauer 391), MS New York (JTS) 10484 (Epstein), MS Vatikan 44, MS New York (JTS) Rab. 16 / MS London (British Library) Or. 10429 sowie verschiedene Genizafragmente. Version B wiederum ist durch folgende Textzeugen vertreten: MS Vatikan 303, MS Parma (Palatina) 2785 (= de Rossi 327), MS München (Staatsbibliothek) 222 sowie weitere Genizafragmente. Die aus den Handschriften stammende Kapiteleinteilung, die auch in der Schechterschen Edition enthalten ist, wird am Rand notiert; zudem finden sich hier am Rand weitere Abschnittsgliederungen. So wird zum ersten Mal »eine präzise Bezugnahme auf Einzeltraditionen in Abot de-Rabbi Natan« möglich (X). Ebenfalls am Rand der Synopsen finden sich Hinweise auf Parallelen mit Version B bzw. Version A. – Vor dem eigentlichen Textteil findet sich eine knappe Einführung in die Edition, in der auch die einzelnen Textzeugen beschrieben werden. Hier werden die Parallelen zwischen Version A und B noch einmal aufgelistet.
Diese Ausgabe unterscheidet sich somit prinzipiell von der klassischen Edition von Avot de-Rabbi Natan von S. Schechter, die erstmals 1887 in Wien erschienen ist und seitdem mehrmals nachgedruckt wurde (zuletzt Jerusalem 1997). Dem damaligen Forschungsstand entsprechend hat Schechter nämlich für jede Version einen einheitlichen eklektischen Text erstellt, der der ursprünglichen Fassung dieses Werkes nahe kommen soll. Die einzelnen Handschriften selbst werden in dem entsprechenden Apparat nur teilweise wiedergegeben. Die Notwendigkeit einer Neuedition dieses wichtigen Textes ergab sich darüber hinaus aber auch aus der Tatsache, dass zwischenzeitlich neue Handschriften dieses außerkanonischen Kommentars entdeckt wurden. Vor diesem Hintergrund ist Becker für seine gründliche und umsichtige editorische Arbeit zu danken. Dass diese neue Edition künftig zu einem Standardwerk jeglicher Beschäftigung mit Avot de-Rabbi Natan wird, in dem sich so bedeutende Erzählungen wie die von R. Johanan Ben Zakkai und der Errichtung des Lehrhauses von Javne finden, steht außer Frage.