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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

19–21

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bünker, Arnd, u. Ludger Weckel [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

»… ihr werdet meine Zeugen sein …«. Rückfragen aus einer störrischen theologischen Disziplin.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005. IV, 310 S. gr.8°. Kart. EUR 14,90. ISBN 3-451-28651-3.

Rezensent:

Johannes Triebel

Der Band ist eine Festschrift der besonderen Art für den Münsteraner katholischen Missionswissenschaftler Giancarlo Collet zum 60. Geburtstag. Mitarbeiter seines Instituts, Schüler und Freunde haben diese Werkstattberichte zusammengestellt. In vielerlei Hinsicht handelt es sich um einen Kommentar aus der Praxis zu Collets Werk »›... bis an die Grenzen der Erde‹. Grundfragen heutiger Missionswissenschaft« (Freiburg 2002), einer thematisch gegliederten Sammlung von Aufsätzen Collets aus den Jahren 1990 bis 2001. Nicht nur das Zitat in den Titeln aus Apg 1,8 bildet eine Brücke zwischen beiden Büchern, sondern die 19 Autoren und vier Autorinnen nehmen immer wieder bewusst Bezug auf Collets Buch. Sie berichten von internationalen Begegnungen und von Erfahrungen vom Leben in anderen Kulturkreisen oder geben Einblick in eigene Lehre und Forschung, wobei sie vielfach an Gedanken und Anstöße von Collet anknüpfen und so im Gespräch mit dem Jubilar stehen.
Collet hat mit seinem Werk deutlich gemacht, dass die Missionswissenschaft »die universale Bedeutung des Evangeliums und seine Annahme in der Welt« und so »vor allem fremde Erfahrungen mit dem Evangelium« und ihre Relevanz für uns thematisiert und reflektiert (Collet, 37). Das universale Evangelium verweist auf den weltumfassenden Verantwortungshorizont (vgl. Bünker, 7) von Theologie und Kirche. Wenn Missionswissenschaft »entscheidend durch die Glaubensreflexionen von den Christen und Christinnen der Dritten Welt geprägt wird« (Collet, 5) und diese für den eigenen Kontext fruchtbar macht, wird sie notwendigerweise zu »einer störrischen theologischen Disziplin«, wie es im Untertitel heißt.
Um dieser Aufgabenstellung gerecht werden zu können, sind internationale Lernprozesse notwendig. Davon berichten etliche Beiträge. Sandra Lassak (9–23) stellt das beeindruckende Modell »MissionarIn auf Zeit« vor, das »sich als Teil einer alternativen Globalisierung, einer Globalisierung der Solidarität und Gerechtigkeit versteht« (22). Hadwig Müller (24–35) reflektiert internationale Symposien mit Basisbezug als missionswissenschaftliche Lernfelder, hier am Beispiel von Begegnungen in Brasilien. Auf ganz andere Weise verdeutlicht Olaf Derenthal (173–183) Lernprozesse in der Arbeit mit AIDS-Kranken in Tansania, die zu Anfragen an die Theologie führen, nicht nur in Ostafrika, sondern auch bei uns. Denn hier geht es um die Katholizität der Kirche, die Weltkirchlichkeit.
Reflexion weltweiter Erfahrung ist nur möglich, wenn auch Vertreter aus anderen Erdteilen zu Wort kommen und ihre Stimme in die polyphone missionswissenschaftliche Diskussion einbringen. Der zweite Teil »Globalisierung, Option und Perspektiven« (75–162) enthält ausschließlich Beiträge aus Lateinamerika (von Luz Carlos Susin, Paulo Suess, Jon Sobrino, Diego Irarrazaval, Sergio Vasconcelos). Obwohl diese Aufsätze aus einem konkreten, lokal geprägten Kontext stammen, erheben sie mit Recht den »Anspruch einer universalen Gültigkeit«, der »in der Theologie in Europa ... bislang allerdings nur sehr begrenzt aufgegriffen worden« ist (74).
Andere Beiträge behandeln Japan (Tokie Tsuchimoto), Indonesien (Raja Oloan Tumanggor), Mexiko (Brigitte Saviano) und Melanesien (Theodor Ahrens).
Einen sehr interessanten und weiter zu bedenkenden Ansatz enthält der »Beitrag zu einer konfliktorientierten Missionswissenschaft« von Ludger Weckel: »Von der Schwierigkeit eines Dialogs auf Augenhöhe« (36–49).
Im Dialog fehlt oft die Einsicht in das Konfliktpotential. Man bemüht sich um Verständigung, was »aber weder billige Harmonie noch ein Schachern um Umweltquoten sein (kann), sondern ... ein Prozess der Konfrontation von Interessen und Bedürfnissen sein« muss, deren Berechtigungen ausgehandelt werden (38). Hierzu ist es nötig, eine »Pädagogik der Konfrontation« zu erarbeiten, die die Aufgabe hat, »die Konflikte so aufzuarbeiten, dass sie zur Konfrontation der unterschiedlichen Positionen führen« und zugleich Möglichkeiten bieten, diese zu bearbeiten und Lösungen jenseits von Machstrukturen zu suchen. »Die Konfrontation fordert neues Denken und neues Handeln« (39). Weckel illustriert an einigen Beispielen, wie solch eine interkulturelle »Streitkultur« gelingen kann, und zieht daraus Konsequenzen für die missionswissenschaftliche Reflexion.
Weitere Beiträge betreffen den deutschen Kontext. Matthias Teipel untersucht, inwieweit »Religionsunterricht als missionarisches Handeln« verstanden werden kann (217–227), denn in der Schule kommt es letztlich auf das Zeugnis an. Arnd Bünker diskutiert »Konkurrierende Missionsentwürfe in Deutschland« und vergleicht auf faszinierende Weise die zwei Schreiben der deutschen katholischen Bischöfe, »Zeit zur Aussaat« von 2000 und »Allen Völkern sein Heil« von 2004. »Aus ›störrischer‹ missionswissenschaftlicher Perspektive können (beide Dokumente) nicht miteinander ›vermittelt‹ werden – zu unterschiedlich sind ihre programmatischen Hauptlinien« (289). Bünkers Sympathie gilt dem Dokument von 2004.
Schließlich, dem Genus Festschrift verpflichtet, führt der letzte Beitrag in den akademischen Alltag. Hermann Steinkamp schildert sehr anschaulich und menschlich die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit in Seminaren mit Giancarlo Collet und zeigt so, wie missionswissenschaftliche Arbeit im universitären Alltag aussieht.
Das Besondere des Buches ist, dass der Leser in eine missionswissenschaftliche Werkstatt Einblick erhält mit Erfahrungsberichten, wichtigen Impulsen, neuen Gedanken und Arbeitsmodellen, die weiterdiskutiert und ausprobiert werden wollen. Wo findet man sonst solche vielfältigen Anregungen im akademischen Bereich?