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Ausgabe:

Januar/2008

Spalte:

3–20

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Michael Meyer-Blanck

Titel/Untertitel:

Evangelische Gottesdienstlehre heute
Ein Überblick

1. Homiletik – Liturgik – Gottesdienstlehre


Der Begriff der »Gottesdienstlehre« ist ein Programmbegriff, unterdes jedoch zunächst noch ein Kunstwort. Denn zu den klassischen Disziplinen evangelischer Praktischer Theologie zählen die Homiletik und die Liturgik, welche jedoch mehr oder weniger ihr Eigenleben führen. Dabei wurden die grundlegenden theologischen Themen in der Regel in der Homiletik abgehandelt, indem man den Fragen von Inhalt und Form (»materiale und formale Homiletik«) die »prinzipielle Homiletik« voranstellte. 1 Die Liturgik hingegen war lange Zeit vor allem eine historische Disziplin, und es ge­hört zu den Merkwürdigkeiten der Wissenschaftsgeschichte, dass bedeutende Liturgiker wie Paul Graff, Christhard Mahrenholz und der kürzlich verstorbene Nestor der evangelischen Liturgiewissenschaft Frieder Schulz2 (1917–2005) keine wissenschaftlichen Praktischen Theologen waren. Die historische Quellenforschung hatte den Vorrang und häufig fand (und findet) sich der implizite oder explizite Schluss vom Alter auf die Geltung bestimmter Formeln, Texte und Formulare. In Analogie zur biblischen Exegese wurde die Liturgik lange Zeit als Textauslegung betrieben.3

Die »empirische Wendung« in der Praktischen Theologie der 70er Jahre des 20. Jh.s erbrachte auch hier mit der Integration der humanwissenschaftlichen (heute spricht man in der Regel von kulturwissenschaftlichen) Einsichten einen entscheidenden Fortschritt. Seitdem sucht die evangelische Liturgik den Gottesdienst einschließlich seiner Textquellen im Zusammenhang soziolo­gischer und ästhetischer Einsichten zu beschreiben.4 Allerdings muss man feststellen: Obwohl sich Liturgik und Homiletik glei­chermaßen mit empirischen und kulturellen, in letzter Zeit verstärkt mit ästhetischen Fragen beschäftigten, gehen sie bis heute mehr oder weniger getrennte Wege.

Man wird dafür nicht zuletzt konfessionelle Gründe geltend machen können. Die Liturgik hat in der katholischen Liturgiewissenschaft mit eigenen Lehrstühlen in den meisten Fakultäten einen wissenschaftlich gewichtigen Gesprächspartner, während in der Homiletik die führende Rolle weiterhin in der evangelischen Theologie bleibt. Andererseits wiederum ergeben sich in der Homiletik leichter institutionalisierte ökumenische Gesprächsmöglichkeiten als im – für das katholische Selbstverständnis kirchenrechtlich zentralen – Bereich der Liturgik.5 Hinzu kommt schließlich die neueste Entwicklung unter dem ästhetischen Paradigma in der Praktischen Theologie. Das hat dazu geführt, dass es in den letzten Jahren eine Vielzahl von evangelisch-theologischen Publikationen (besonders auch Qualifikationsschriften) in der Liturgik gibt, während das »evangelische Flaggschiff Homiletik momentan unter einer gewissen Flaute zu leiden« scheint.6 Umgekehrt wendet man sich auch in der katholischen Theologie in letzter Zeit verstärkt der Homiletik zu und greift dabei auf genuin praktisch-theologische (psychologische, pädagogische, soziologische und kulturanthropologische) Argumentationsmuster zurück. Das zeigt etwa ein Band aus dem Pastoralliturgischen Institut in Padua, der sich mit den Schwierigkeiten homiletischer Kommunikation heute befasst und diese an die liturgietheologischen Grundfragen zurückbindet: »Die angemessene Verortung der Homilie im Rahmen des liturgischen Handelns überhaupt erfordert – über praktische Hilfen hinaus – eine gründliche Neuentdeckung und Berücksichtigung dessen, was symbolisch-rituelle Erfahrung ist«. 7

Im vorliegenden Beitrag vertrete ich die These, dass sich heute – trotz der theologisch und kulturwissenschaftlich immer stärker differenzierten Gesprächslage – eine integrative praktisch-theologische Theorie des Gottesdienstes, eine evangelische Gottesdienstlehre empfiehlt, die als positive Wissenschaft an dem all(sonn)täglichen Geschehen Gottesdienst als einer Einheit orientiert ist.8 Freilich: Bisweilen zerfällt der evangelische Gottesdienst in die Teile Liturgie und Predigt, bisweilen dominiert das Predigen die gesamte Liturgie und bisweilen verliert die Predigt ihr Gewicht und zerfließt ins Ritual. Solchen Missständen sollte eine wissenschaftliche Theorie nicht noch Vorschub leisten – was aber durch die Trennung von Homiletik und Liturgik faktisch der Fall ist. So wird es im Folgenden darum gehen, Liturgie und Predigt, Homiletik und Liturgik gemeinsam stark zu machen, nämlich durch die Stärkung des jeweiligen Eigengewichtes im Rahmen eines dramaturgischen Gesamtkonzeptes. Gottesdienst kann in Schleiermachers Begrifflichkeit als Mitteilung und Darstellung des Evange­liums in Ritual und verständlicher Rede beschrieben werden. Beide Elemente bzw. Aspekte zusammen zu betrachten impliziert, dass es sich um relative Gegensätze, aber eben doch um Gegen­sätze handelt.

Rede und Ritus überschneiden sich, aber das Eine kann nicht auf das Andere reduziert werden. Wir betrachten im Folgenden zunächst den liturgischen (2. und 3.) und dann den homiletischen Aspekt (4.), bevor es um die Frage liturgischer Bildung und schließlich um die hermeneutischen Grundvoraussetzungen und um die Gottesdiensttheologie insgesamt geht (5. und 6.).

2. Konsolidierte evangelische Liturgik

Literarisch markiert das Erscheinungsdatum von zwei gewichtigen Büchern einen wirklichen Einschnitt. Erstmals 1995 erschien das von Karl-Heinrich Bieritz und Hans-Christoph Schmidt-Lauber herausgegebene »Handbuch der Liturgik«. Es zeigte die evan­gelische Liturgik im Kontext einer historisch, systematisch und em­pirisch vorgehenden (Praktischen) Theologie und im ökume-nischen Horizont. Unter den 53 Verfassern dieses Sammelwerkes finden sich viele katholische, orthodoxe und freikirchliche Autoren (so stammt etwa der Artikel zur Taufe von einem katholischen Liturgiewissenschaftler). Das gut 1000 Seiten umfassende »Handbuch« bedeutet auf jeden Fall den Abschied von einer innerprotes­tantisch und nahezu ausschließlich historisch argumentierenden Liturgik, wie sie durch die beiden Bände von Georg Rietschel vor 100 und durch das Sammelwerk »Leiturgia« vor 50 Jahren repräsentiert gewesen war.9 Die Grundlagen werden im Handbuch nicht nur neutestamentlich, sondern auch systematisch-theologisch und anthropologisch definiert, so dass man von einem wissenschaftlichen »Aufbruch« sprechen kann10 – wenn auch an der inneren Abstimmung und Kohärenz der verschiedenen Perspektiven weiter gearbeitet werden muss.11

Das zweite Buch ist das »Evangelische Gottesdienstbuch« (EGb) der lutherischen und der unierten Kirchen Deutschlands von 1999. Damit wurde ein neuer Typus von Agende geschaffen, der die äußere Funktion der Integration verschiedener liturgischer Stile und innerevangelischer Konfessionstraditionen zu erreichen sucht auf dem Wege innerer Differenzierung (bis an die Grenze des Möglichen). Daran ist leicht herumzukritisieren (und das ist in den letzten 15 Jahren auch ausführlich geschehen). Dennoch verdient die Entstehung des EGb gerade wegen der über viele Jahre erarbeiteten mühsamen Konziliarität (nicht nur Konzilianz) und wegen der Zusammenführung von Mess- und Predigtgottesdienst als Mei­lenstein evangelischer Liturgie das kritische und zugleich großartige Denkmal, das ihr durch Helmut Schwiers Betheler Ha­bilitationsschrift gesetzt wurde. 12 Mit der Ende 2007 erschienenen Arbeit13 über die Vorgeschichte der Nachkriegsagenden sind damit die historischen Quellen gut aufbereitet. Was zudem das evange­lische Abendmahl in historischer Perspektive angeht, liegt inzwischen mit dem von der katholischen Liturgiewissenschaftlerin Irmgard Pahl betreuten Band eine nahezu vollständige Quellensammlung auch für das 18.–20. Jh. vor.14

Neben dem »Handbuch« und dem »Gottesdienstbuch« sind zwei weitere Bände zu erwähnen, die eine Art Zwischenstand der evangelischen Liturgik markieren. Karl-Heinrich Bieritz vollen­dete 2004 sein opus magnum eines liturgischen Lehrbuches, das sowohl historisch als auch anthropologisch und kulturwissenschaftlich (semiotisch) vorgeht und dabei im weiten ökumenischen Horizont und mit dem Wissen der jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes argumentiert.16 Dieses Lehrbuch ist (neben weiteren Studien- und Einführungsbüchern) ein wichtiger Schritt zu einer Anthropologie und Theologie integrierenden Li­turgiewissenschaft.

Dem »Handbuch der Liturgik« ist schließlich das »Liturgische Kompendium«16 an die Seite zu stellen. Dieses macht die wichtigs­ten Informationen und Diskussionslinien zum gesamten Feld der Liturgik (einschließlich der verschiedenen Adressatengruppen, kulturellen Bezüge und der Kasualien) auf gedrängtem Raum und zudem in einer auf Praktiker zugeschnittenen Weise zugänglich. Man kann als vorläufiges Fazit festhalten: Die evangelische Liturgik ist literarisch deutlich erkennbar. Sie hat in den letzten 15 Jahren eine Fülle von Qualifikationsschriften, Spezial- und Über­blicks­darstellungen erbracht. 17

Ein gewisser Mangel findet sich allerdings immer noch hinsichtlich empirischer Gottesdienstforschung. Eine Ausnahme bildet die Bonner Habilitationsschrift von Jörg Neijenhuis.18 Ihr liegt die (als DVD beigegebene) Aufnahme eines Gottesdienstes im Berliner Dom zu Grunde, die in historischer, systematischer und se­miotischer Weise als »Text«, bestehend aus vielen Sprachen und Enzyklopädien, gelesen wird. Eine derartige Analyse anhand eines Mitschnittes erfolgt hier zum ersten Mal in der wissenschaftlichen Literatur. Neijenhuis will in Aufnahme von R. Meßner (s. u. 3.1) die Liturgiewissenschaft als »Kommentar liturgischer Texte« betreiben. Dabei wird jedoch unter dem »Text« der gefeierte Gottesdienst verstanden. Der Hauptteil der Arbeit ist damit ein Gottesdienstkommentar, wie er einst im Lehrbuch von Rietschel geboten wurde; hier werden jedoch Liturgiegeschichte, agendarische Gegenwart und Empirie mit Hilfe der Semiotik verbunden. In Neijen­huis’ mehrschichtigem Kommentar zeigt sich, dass die Alternative zwischen vorgegebenen Zeichen oder der subjektiven Setzung von Zeichen in die Irre führt. Zeichen funktionieren, indem sie von Subjekten kommuniziert werden und entwickeln gerade im Ge­brauch ihre Eigenmächtigkeit und Eigensinnigkeit.

Einen ganz anderen methodischen Zugang wählt die bayrische qualitative Gottesdienststudie, die nicht von der Liturgie selbst, sondern von den Semiosen der Rezipienten ausgeht.19 In einem zwei Jahre dauernden Forschungsprozess wurden offene Erzählinterviews zum Thema »Rituale, Alltagsgestaltung und Sinnstiftung« geführt und ausgewertet; 41 der Interviewten waren evangelisch getaufte Laien (also zum Teil auch aus der Kirche Ausgetretene), auf jeden Fall dominierten dabei die »relativen Nichtnutzer« gottesdienstlicher Angebote (33). Der Schlüssel wird mit dem – durch die Interviewer den Probanden im Gespräch angebotenen – »Ritual«-Begriff gesucht (vgl. die beiden beigegebenen In­terviews, 189.205). Der Hiatus zwischen den alltagsweltlichen Ritualen im Wochen- und Jahresrhythmus und dem theologischen Ritualbegriff wird durch die Interviews nicht nur eindrücklich, sondern auch schmerzlich bewusst, weil diese Parameter keinesfalls einfach zusammengehen. Aus den Interviews werden fünf Typen von Religions-, Kirchen- und Gottesdienstverständnis erhoben (113–138); ein wichtiges Ergebnis wird darin gesehen, dass die Mi­lieuorien­tierung, die u. a. von den letzten EKD-Studien herausgearbeitet wurde, für die Teilnahme an gottesdienstlichen Angeboten offenbar weniger von Bedeutung ist als milieu-, geschlechts- und altersübergreifende Erfahrungen wie »Lebensfreude, Selbstsorge, Locality [Beheimatung, MMBL], Sinnstiftung, Orientierung/Strukturierung und Ästhetik« (182). Die Studie ergibt wieder einmal die große Bedeutung besonders der gottesdienstlichen Mu­sik20 und die Notwendigkeit besonderer Anstrengungen hinsichtlich der liturgischen Bildung (dazu s. u. 5.).

3. Auf dem Weg zu einer ökumenisch orientierten und evangelisch profilierten Liturgik


Vor dem Hintergrund der beschriebenen Konsolidierung sind nun anhand von Veröffentlichungen der letzten drei bis fünf Jahre die neuesten Tendenzen in der Gottesdienstlehre näher zu be­schrei­ben. Das Gewicht liegt dabei auf den theoretischen Beiträgen; es soll aber auch auf Praxisbände hingewiesen werden, weil diese den Gegenstand des zu Reflektierenden abbilden. Denn die Gottesdienstlandschaft verändert und pluralisiert sich, und die Litur­giewissenschaft hat zu erwägen, warum sich welche neuen Got­tesdienstformen bilden – und was daran zukunftsweisend bzw. problematisch ist. Das gilt etwa für die radikal veränderten Betei­ligungsformen (z. B.: Theaterstück, Predigt vom Bistrotisch, Kreuzverhör wie bei dem monatlich im »Kinopolis Sulzbach« stattfin­denden Gottesdienst »GoSpecial«, der von 500–700 Teilnehmern besucht wird). 21 Die evangelische Gottesdienstlehre ist eine Pra­xistheorie, die von der Praxis her und auf die Praxis hin denkt – und die umgekehrt die Bedingungen der Möglichkeit gegenwärtiger Mitteilung und Darstellung des Evangeliums umschreibt, also als »liturgische Theologie« (und nicht nur als »Theologie der Liturgie«) eine praktische Fundamentaltheologie entwickelt. Darauf ist un­ten (6.) zurückzukommen.

3.1 Evangelische und katholische Liturgiewissenschaft

In der gegenwärtigen Arbeit ist der ökumenische Horizont, insbesondere der evangelisch-katholische Gesprächszusammenhang, deutlich zu erkennen. Zunächst allerdings sind die Gegenstände und Problemstellungen auf Grund der ganz anderen kirchlichen und gottesdienstlichen Praxis sehr verschieden. Man denke nur an die Diskussion um das Verhältnis von Predigt- und Abendmahlsgottesdienst im evangelischen und um die Wiederzulassung der lateinischen Messe und um die Übersetzung der kirchlich approbierten gottesdienstlichen Texte in die Landessprache im katholischen Bereich. 22 Besondere Aufmerksamkeit findet die Diskussion um die Liturgiereform des 2. Vatikanums und im Jubiläumsjahr 2003 erschienen mehrere Publikationen dazu.23

Die großen Unterschiede zeigt etwa das Lehrbuch von Reinhard Messner,24 das nach den katholischen Realia (unter den Überschriften Initiation – Eucharistie – Tagzeitenliturgie – Osterfeier – Ordination – Trauung) gegliedert ist und das zudem klar gegen eine praktisch-theologische Ausrichtung des Faches zu Gunsten der Rekonstruktion von Glauben in Form des »Kommentars« überlieferter liturgischer Texte votiert: »Die Liturgiewissenschaft ist, wie die Bibelwissenschaft, strikt an den Quellen orientiert.« 25

Andererseits findet der evangelische Gottesdienst das inzwischen als sachnotwendig erkannte Interesse der katholischen Wissenschaftler. In der Einführung von Albert Gerhards und Benedikt Kranemann heißt es: »Aus heutiger liturgiewissenschaftlicher Sicht ist kein wissenschaftlicher Ansatz mehr akzeptabel, der wie bei Baumstark die Liturgiegeschichte der Kirchen der Reformation unberücksichtigt lässt.«26 Schon einige Jahre vorher hatte Gerhards darauf hingewiesen, dass die traditionellen Unterschiede in der Gegenwart angesichts der liturgischen Herausforderungen beider großer Kirchen verblassen.27 Wie viel der evangelische Gottesdienst aus dieser neuen Einführung lernen kann, zeigt sich zum Beispiel an der Beschreibung der vier Bewegungsrichtungen beim Abendmahl: Dieses wird als zentripetale (Gabenprozession), deszendente (Gabenbereitung), aszendente (Lobpreis und Elevation) und schließ­lich als zentrifugale Handlung (bei der Austeilung) beschrieben.28

Zwar herrscht in der katholischen Liturgik weiterhin die historische Forschung vor; aber zunehmend gibt es auch Ansätze einer kulturtheoretischen und praktisch-theologischen Rekonstruktion im Rahmen von Ritual- und Symboltheorien. Diese werden in Deutschland von Andreas Odenthal29 und in Italien am bedeutenden »Pastoralliturgischen Institut« in Padua von Giorgio Bonaccorso und Andrea Grillo vertreten. Auf Grillos liturgische Fundamentaltheologie30 gehen wesentliche Impulse zu einer liturgischen (Fundamental-)Theologie zurück (dazu s. u. 6.). Bonaccorsos Einführung in die Liturgie legt den Begriff des »zelebrierten Geheimnisses« zu Grunde und setzt mit der religiösen Erfahrung, der Symbolsprache und dem rituellen Handeln ein, bevor dann das Mysterium, die Gemeinde und die einzelnen Feiern selbst zur Sprache kommen. Dieses Vorgehen wird so begründet: »Wenn die vertraute Beziehung von Gott und Mensch die christliche Feier ausmacht, dann muss die historische, theologische und pastorale Arbeit mit besonderer Aufmerksamkeit für jene Wissenschaften erfolgen, die sich mit dem Menschen – als dem unhintergehbaren Pol dieser Be­ziehung – befassen.«31 Schon aus dieser kurzen Passage geht hervor, dass die Humanwissenschaften hier nicht im Sinne der optimalen Operationalisierung der Kommunikation herangezogen werden, sondern im Dienste des Verstehens des spezifisch Religiösen dieser Kommunikation stehen: »Das, woran die Kirche glaubt, wird nicht einfach ›ausgedrückt‹, sondern effektiv ›vergemeinschaftet‹ und ›kommuniziert‹.«32

3.2 Der christliche Gottesdienst im Kontext


des jüdischen Gottesdienstes


Die katholische Liturgiewissenschaft hat in den letzten Jahren – auf Grund ihrer historischen Anstrengungen und Sorgfalt – besondere Impulse auch hinsichtlich der Interaktion von Ritualen in Judentum und Christentum gesetzt. Auch hier hat sich der Bonner Liturgiker A. Gerhards besonders verdient gemacht.33 Der Fortschritt der Diskussion der letzten Jahre besteht nicht nur in einer Entde­ckung theologischer Parallelen, sondern auch im Aufweis der höchst komplizierten historischen Zusammenhänge. Zwar ist es einerseits richtig, von den »jüdischen Wurzeln des christlichen Gottesdienstes« zu sprechen;34 andererseits aber lassen sich keine jüdischen Liturgien aus neutestamentlicher und frühkirchlicher Zeit quellenmäßig belegen. Viel spricht auf jeden Fall dafür, dass nicht der christliche Gottesdienst aus einem jüdischen Grundmuster entstand, sondern dass sich beide miteinander entwickelt und voneinander differenziert haben. Aus einem gemeinsamen Bezugsrahmen gottesdienstlicher Feiern in Haus, Tempel und Synagoge könnten sich die Jesusbewegung und dann das frühe Christentum in institutioneller Nähe und in »charismatischer« Distanz heraus entwickelt haben: »Eine junge, charismatische Bewegung partizipiert automatisch an den Institutionen, von denen sie sich ab­grenzt. Diese Partizipation ist eine Bedingung dafür, ihr Charisma zu entfalten.« 35

Der in der evangelischen und katholischen Liturgik seit gut zwei Jahrzehnten geläufig gewordene Bezug auf das alttestamentlich-jüdische Gedenken (zkr)36 ist jüngst in der bei A. Gerhards in Bonn entstandenen Dissertation von Stephan Wahle37 noch einmal in allen historischen, systematischen und liturgiepraktischen Fa­cetten begründet und entfaltet worden. Das Buch bietet zugleich einen Überblick zu den Diskussionslinien in der (deutschen) ka­tholischen Liturgiewissenschaft der Gegenwart. In grundsätzlicher Bezugnahme auf die Mysterientheologie Odo Casels, welche auch die Rede vom »Paschamysterium« in der Liturgiekonstitution des 2. Vatikanums bestimmte, wird diese zugleich weitergeführt und kritisiert. Casel nämlich habe das alttestamentlich-jüdische Denken für seinen Begriff des Mysteriums letztlich nicht benötigt und den alttestamentlichen Kultus durch das Christusmysterium schlicht als »überholt« angesehen. Wahle will hingegen nicht nur der sakramentalen »Gegenwärtigsetzung« des Christusereignisses nachdenken, sondern von der hermeneutischen Figur der »gott-menschlichen Begegnung« ausgehen. Nicht das Vergegenwärtigen der geheiligten Geschichte, sondern das Eintreten in jene Beziehung, die auch den Ursprungsereignissen zu Grunde liegt, steht im Zentrum.38 Dass damit hervorragende ökumenische Ge­sprächsmöglichkeiten gegeben sind, liegt auf der Hand (das gilt etwa für die knappen, aber weiterführenden Bemerkungen zur Predigt39). Gleichwohl wird man sich im Gefolge dieses hermeneu­tischen Modells auch vor einer Enthistorisierung der biblischen Überlieferung in ein allgemeines geschichtstheologisches Modell von Relationalität hüten müssen. Sein religionsphilosophisches Konzept entwickelt Wahle in dem dicht geschriebenen 4. Kapitel »Gedenken im Horizont von Gebet und Zeit« (157–192) im Rückgriff u. a. auf Augustin, Heidegger und Levinas.

Wahles Titel »Gottes-Gedenken« will das Subjekt des Gedenkens bewusst in der Schwebe halten, um das Eingedenksein der Gemeinde und das göttliche Heilsschaffen zugleich zum Ausdruck bringen zu können (465). Auf diese Weise bemüht sich Wahle u. a. um eine Reinterpretation des Messopfergedankens von der Anamnese her. So soll die Anamnese das Zentrum der Liturgie und den hermeneutischen Rahmen des Messopfers darstellen – und nicht etwa umgekehrt. Damit könne das »offerimus« nicht mehr »als eine erneute ›Opferung‹ des Kreuzesopfers missverstanden werden, sondern als ein wirkmächtiges Erinnerungszeichen der Gemeinde an Gott, dass dieser und nur er in seinem Sohn und durch das Wirken des Heiligen Geistes seinen Heilserweis und seine Verheißung erneuert.« (348) Bei diesem Bemühen, das Verständnis des »Pascha-Mysteriums« auf dem Hintergrund des evangelisch-katholischen und des jüdisch-christlichen Gespräches weiterzuführen, ist es berechtigt (wenn auch ein wenig ökumenisch unsensibel), zu fragen, in­wiefern dann der Begriff des Messopfers überhaupt noch eine sinnvolle Funktion haben kann.

Das Wesentliche ist in der Tat der Versuch, liturgietheologisch den kategorial verschiedenen, aber zugleich eng aufeinander be­zoge­nen Zeitebenen Gottes und der Menschen Ausdruck zu verleihen. Dass die evangelische Liturgik im Grunde um dasselbe Problem ringt, wenn sie die Deutungsebenen mit ästhetischen, speziell mit theatralen Begriffen zu beschreiben sucht, wird im Ab­­schnitt 5. deutlich werden.

Es entspricht der Tradition beider Konfessionen, dass das in der katholischen Liturgiewissenschaft behandelte jüdisch-christliche Verhältnis evangelischerseits vor allem in der Homiletik bearbeitet wird. Die im jüdisch-christlichen Dialog Engagierten hatten sich bereits im Rahmen der Schlussberatungen des »Evangelischen Gottesdienstbuches« von 1999 besonders zu Wort gemeldet.40 In der Homiletik hat man sich jedoch mit diesen Einsichten jüngst be­sonders intensiv beschäftigt. Ausgehend vom am 10. Sonntag nach Trinitatis gefeierten Israelsonntag41 bzw. von den Entwicklungen in der Homiletik überhaupt42 wurde ein grundlegender Bezugspunkt evangelischen Gottesdienstes ganz neu erschlossen. Be­son­ders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die 2006 erschienene Dissertation von A. Deeg,43 die eine ausführliche historische Untersuchung der jüdischen Predigt und Homiletik – einschließlich einer jüdischen Praktischen Theologie des 19. Jh.s – mit einer prinzipiellen wie materialen evangelischen Homiletik zu verbinden weiß. Das Buch ist nicht zuletzt ein Nachschlagewerk (schon allein wegen seines 57 eng bedruckte Seiten umfassenden Literaturverzeichnisses). Neben dem gebotenen reichen historischen Ma­terial sind zwei Ergebnisse für die Gottesdienstlehre be­sonders hervorzuheben. Das ist zum einen ein klares evangelisches Profil, das für latente Antijudaismen einen geschärften Blick be­hält, ohne das Judentum in allzu freundlicher Übernahme für christlich zu erklären und damit zu vereinnahmen; zum anderen ist das eine Schrifthermeneutik, die das Entdeckungspotential der Texte nutzt, anstatt diese lediglich als Ideen- und Stichwortgeber zu verwenden und Möglichkeiten zu verspielen. Deeg nennt dies eine »skripturale« im Gegenüber zu einer »metaskripturalen« Hermeneutik (für die letztere findet er auch im Judentum Beispiele, etwa im Mittelalter).

Homiletisch gelingt Deeg eine genaue Verhältnisbestimmung der Diskurse um (die verbindliche) Halacha und (offene) Haggada (80) in seinem großen 13. Kapitel (389–473). Während es sich im Ju­dentum bei der Unterscheidung von Haggada und Halacha um eine inhaltliche (material-homiletische) Kategorie handelt, geht es bei der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium um die fundamentale (prinzipiell-homiletische) Beschreibung der Deutung von Hören und Verstehen. Von daher kritisiert Deeg die »Äquivokation, die sich dort ergibt, wo die Doppelformel von Gesetz und Evangelium in den Bereich homiletischer Machbarkeit und hermeneutischer Verfügbarkeit übergeht« (452). Demgegenüber soll die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium prinzipiell die Kontingenz des Redens und Hörens (dogmatisch gesprochen: des »Wortes Gottes«) zum Ausdruck bringen, während material auch die christliche Predigt von Haggada und Halacha lernen kann.

Dass das dabei Erhobene keineswegs kontextlos ist, sondern nicht zuletzt gut begründete Einsichten der Diskussion der letzten Jahrzehnte aufnimmt, zeigt die Übersichtstabelle am Schluss des Kapitels (472): Von der Haggada lassen sich so die Eröffnung eines ambiguitären Raumes, eine Text- statt Skopusbindung und die Erschließung intertextueller Perspektiven lernen. (Gerade das Letztgenannte ist von großer praktischer Bedeutung, weil sich viele Predigten mit den Einzeltexten quälen, anstatt auf die intertextuellen Möglichkeiten des Gottesdienstes insgesamt zurückzugreifen.) Halachisch geht es um ein genaues Lesen der Schrift und des Lebens, um die Gestaltung eines gemeinsamen Abwägens und um die Entdeckung von Handlungsalternativen statt einer Moralpredigt. Dies um­schreibt Deeg schließlich mit dem nur begrenzt überzeugenden Terminus einer »haggalachischen« Predigtrede.

Insgesamt jedoch gelingt Deeg die Präsentation von neuen Perspektiven, von denen besonders die Beziehungen zwischen jüdischem und christlichem Gottesdienst und seiner Theoriebildung im 19. Jh. (die Zeit der Konstituierung der evangelischen Praktischen Theo­logie und Liturgik) noch durch weitere Arbeiten vertieft werden könnten. Seine jüdisch-christliche Hermeneutik, die »die Gefahren des Eklektizismus, des Romantizismus und der Enteignung« glei­chermaßen zu vermeiden sucht (246), ist tragfähig über die Homiletik hinaus (auch wenn hier trotz gegenteiliger Absicht auch viele bekannte homiletische Thesen bestätigt werden).

3.3 Das Profil der Offenheit: Reformierte Stimmen


Spätestens mit der – in demselben Jahr wie das »EGb« erschienenen– »Reformierten Liturgie«44 und mit der Bonner Habilitationsschrift von Ralph Kunz45 ist deutlich geworden, dass das Profil der evangelischen Liturgie und Liturgik keinesfalls nur von lutherischen und unierten Stimmen Impulse erhält. Gerade die Offenheit liturgischer Formulare und die Freiheit im Umgang mit Agenden ist ein Markenzeichen, dass nicht nur in der »Grundform 2« des »EGb« Berücksichtigung gefunden hat, sondern das auch program­matisch vorgetragen wird. Und auch Deegs Plädoyer für die »haggalachische« Rede als Eröffnung eines Spielfeldes lässt sich als homiletische Parallele dieses liturgischen Konzeptes auffassen. So hat Kunz jetzt einen Band unter dem durchaus positiv gemeinten Leitbild des gottesdienstlichen »Wildwuchses« in den Druck gegeben.46 Dabei wird das Fünfschritt-Modell des reformierten Zürcher Predigtgottesdienstes (Sammlung – Anbetung – Verkündigung – Fürbitte – Sendung) als »Ritualstruktur einer elementaren Beziehungspflege« beschrieben (17). So bleibt zwar die Gestaltfreiheit der reformierten Kirchenbuch-Tradition erhalten, doch es wird gleichzeitig »ein Gestaltwille erkennbar, der die primitive Vorstellung einer durch Gesang und Gebet garnierten Predigt korrigieren hilft.« (79) Kunz geht es – erkennbar orientiert an der ökumenischen Gesprächslage – um die Verbindung katabatischer und anabatischer Elemente im Gottesdienst (35). Als Motto zitiert er einleitend das Manifest einer Konsultation reformierter Liturgiker aus dem Jahr 2001: »Our primary concern is not that worship should be Reformed but that it should be truly Christian worship.« (11)

Dass Christus selbst der Gastgeber der in seinem Namen versammelten Gemeinde ist, gehört zum liturgietheologischen Allgemeingut aller Konfessionen. Dass die praktischen Konsequenzen daraus gleichwohl sehr verschieden sind, ist ebenso bekannt. Das kommt klar zum Ausdruck in Ermanno Genres Buch47 aus der Waldenserfakultät in Rom, aus unmittelbarer Nähe zum Zentrum der katholischen Weltkirche. Dieses entfaltet auf biblischem, liturgiegeschichtlichem und pastoraltheologischem Wege die einfache, aber folgenreiche und bisher uneingelöste Einsicht, dass Jesus selbst zum Abendmahl einlädt. Daraus folgt, was der Untertitel ohne Umschweife zur Geltung bringt: Die Eucharistie ist ökumenisch, so dass sich »keine Teilkirche die Autorität (bzw. die Macht) zuschreiben kann, Christen aus anderen Kirchen davon auszuschließen« (109). Der ökumenische Weg der Zukunft muss in der ökumenischen Gastfreundschaft bestehen, so dass das gemeinsame Handeln auch zur Neuinterpretation der Lehre hilft (111). Dass die Ökumeniker im Vatikan dies freilich ganz anders sehen, wird allerdings schonungslos notiert (134) – Monate vor der Veröffentlichung der ernüchternden »Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche« durch die römische »Kongregation für die Glaubenslehre« am 10. Juli 2007. Die Liturgik ist wie die (Praktische) Theologie keine kirchliche, wohl aber eine kirchenbezogene Wissenschaft. Diese Einsicht ist Teil ihres empirischen Realitätsgehaltes und verpflichtet sie, nicht nur plausiblen Ideen zu folgen, sondern auch institutionelle Grenzen zu erkennen und zu benennen, weil nur so Veränderung möglich wird.

Dazu gehören auch die wichtigen Schnittstellen zwischen kirchlicher Praxis und Liturgiewissenschaft. In den letzten Jahren hat sich diese Verbindung in Gestalt des Liturgiewissenschaftlichen Instituts der VELKD bei der Theologischen Fakultät in Leipzig und der erwähnten »Liturgischen Konferenz« als besonders fruchtbar erwiesen. Das ist nicht zuletzt an den Publikationen ab­zulesen, die sowohl grundlegende Themen48 als auch pastorale Er­fordernisse49 aufnehmen.

4. Auf stiller Fahrt: Homiletische Entwicklungen zwischen Historie, Programmatik und Praxis


Dem schon 1996 konstatierten liturgischen »Aufbruch« entspricht eine eher unaufgeregte homiletische Weiterarbeit, vielleicht keine »Flaute«, aber ein eher stetiger und ruhiger Fortgang. Nachdem der empirisch-handlungswissenschaftliche Ansatz auf breiter Front ak­zeptiert und mit kritischen Einschränkungen rezipiert und dann ein wenig vergessen wurde, ging er allmählich in einen (rezeptions-)ästhetischen bzw. semiotischen Ansatz über.50 Die Alternative von theologischer und empirischer Beschreibung der Predigt wird seit etwa 1990 durch einen integrativen Ansatz zu überwinden gesucht. Eine erste Zwischenbilanz des rezeptionsästhetischen Ansatzes war der danach viel zitierte Tagungsband der »Arbeitsgemeinschaft für Homiletik«.51 Noch immer gibt es freilich wenige Publikationen, die sich mit empirischer Homiletik beschäftigen. Die meisten Arbeiten gehen historisch, programmatisch52 oder auch ganz und gar praktisch vor.53

4.1 Predigt- und Homiletikgeschichte


Die Initialzündung der (rezeptions-)ästhetischen Sicht war ohne Frage 1984 Gerhard Marcel Martins Marburger Antrittsvorlesung, die sich erstmals mit Umberto Eco befasste.54 Martins wichtiger Text fehlt leider in dem ansonsten verdienstvollen neuen Studienbuch von Wilfried Engemann und Frank Michael Lütze,55 das klassische und neuere homiletische Aufsätze (vor allem für das Proseminar) versammelt. Gewiss wird man über die Auswahl von Texten immer streiten; für mich jedenfalls wäre statt der vielen Klassiker aus den 70er Jahren (E. Lange, M. Josuttis, G. Otto, H.-Chr. Piper) außer G. M. Martin mindestens auch einer der großen Texte Karl Barths erforderlich gewesen. Bei Barth lernt man bis heute die kategorialen Selbstunterscheidungen, die für die Predigt als religiöse Rede wichtig sind, so dass man im homiletisch reflektierenden Mo­dus der Beobachtung vor naiven Optimierungsstrategien gewarnt wird.

Einen weiten Zeitraum umfassen die Darstellungen der Homiletikgeschichte in dem Band über die protestantische Predigtlehre, geschrieben von Tübinger Autoren.56 Das Spektrum reicht von Luther u. a. über Carpzov, Spener, Mosheim und Schleiermacher bis zu Barth, Hirsch und Lange. Eine ausführliche neue Einzeldarstellung zu Ernst Langes Predigtpraxis und Theologie (nicht zu seiner Homiletik) liegt jetzt übrigens in einer 2004 erschienenen Hamburger Dissertation vor.57

Eine ebenfalls vorwiegend historische Darstellung, die auf die drei wirkmächtigsten protestantischen Theologen Luther, Schlei­ermacher und Barth konzentriert ist, hat kürzlich Hans-Martin Dober publiziert.58 Im zweiten Teil seines Buches folgt dann ein Blick auf Ernst Lange (»Kommunikation«), Emanuel Hirsch (»Meditation«) und Henning Luther (»Rhetorik«). Die Herkunft des Bu­ches aus Vorlesungen ist deutlich eher ein Vorteil als ein Nachteil, denn daraus ergibt sich eine gute Lesbarkeit und ein behutsamer Praxisbezug im Sinne des eigenen Weges »zur Idee kreativer Predigtarbeit« (142–188); auch die philosophische Belesenheit Dobers (zu Walter Benjamin und Hans Blumenberg) tut dem homiletischen Niveau gut. Eine exemplarische predigtgeschichtliche Un­tersuchung ist schließlich die Hamburger Dissertation von Christa Usarski. 59

4.2 Neues zur Sprechakttheorie


Die empirische Forschung zum Gottesdienst ist mühsam, vor allem wenn sie sich nicht nur mit Texten veröffentlichter Predigten befasst, sondern real gehaltene Predigten und deren Hörerrezeption mit einbezieht. Das zeigt eine ambitionierte Untersuchung aus den 70er und 80er Jahren, die alles in allem länger als ein Jahrzehnt dauerte.60

Dass sich auch auf dem Wege der Predigtanalyse wichtige empirische und theologische Ergebnisse erzielen lassen, zeigt jedoch die Münsteraner Dissertation von Frank Michael Lütze.61 Die Arbeit von Lütze erbringt eine grundlegende Neubestimmung der in den 70er Jahren rezipierten Sprechakttheorie. Hatte diese vor allem auf Austins Unterscheidungen (lokutionär, illokutionär, perlokutionär) unter Verbindung mit sprachpragmatischen Überlegungen von Habermas (Behaupten, Fragen, Auffordern, Wünschen) zu­rück­gegriffen, dann war aus heutiger Sicht das Verfahren problematisch, lediglich die Illokutionen einzelner Sätze auszuzählen. Lütze plädiert dafür, lieber die Klassifikation Searles (Assertiva, Direktiva, Kommissiva, Expressiva, Deklarativa) aufzugreifen, welche den An­spruch erhebt, auf jeden gesprochenen Satz anwendbar zu sein (83). Das Wichtigste an einer Predigt lässt sich nicht an den von Inhalten isolierten Sprechakten und an deren Zahl aufzeigen. Kommissiva (Selbstverpflichtungen) und Deklarativa (Zu­stands­verän­derungen) werden in einer Predigt außerdem kaum begegnen. Inhaltlich kommt es bei Direktiva (Aufforderungen) da­rauf an, ob der Hörer zum Glauben, zu einem glaubensgemäßen Verhalten oder schlicht zum genauen Nachdenken und zum Achten auf Einzelheiten im Text aufgefordert wird (94 f.).

Formen der Kommunikation mit den Hörern lassen sich nur an Argumentationen und nicht an einzelnen Sätzen festmachen. Ein Abschnitt kann grammatisch nur Feststellungen (Assertiva) enthalten und doch voller versteckter Aufforderungen sein (»Wer daran glaubt, der beginnt ein neues Leben«). Lütze hat darum verschiedene Handlungsmuster von Predigten ausgemacht, deren Illokutionalität auf der Ebene von mehreren Sätzen liegt (in der Regel handelt es sich um fünf bis zehn Textzeilen). Das Typische solcher Muster wird an deren Titeln deutlich: »Problemkataloge«, »Düstere Kulissen«, »Von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens« (Beispiele der Gesetzespredigt, 131–209) bzw. »Gott würde ja gerne«, »Faire Geschäfte«, »Fast geschenkt« für die problematische Evangeliumspredigt und »Geliebte Versager«, »Entzauberung der Sünde« für die gelungene Evangeliumspredigt (211–290).

Es ist deutlich, dass hier die Sprechakttheorie so mit der prinzipiellen Homiletik verbunden wird, dass sich die materialen und formalen Konsequenzen leicht ziehen lassen. Es dürfte sich um die wichtigste homiletische Arbeit der letzten Jahre handeln.

5. Bildung und Ästhetik als Bezüge


evangelischer Gottesdienstlehre


Karl-Heinrich Bieritz hat in seinem RGG-Artikel von 2003 die Liturgik profiliert als »Bildungslehre« und als »Kunsttheorie« be­zeich­net.62 In der Tat beschreiben individuelle und gemeinschaftliche Verstehens- und Darstellungsprozesse am besten das Spezifikum des Gottesdienstes. Beide Diskurse sind außerdem typisch für die Mo­derne, in der Sinn nicht mehr weitergegeben, sondern persönlich angeeignet sein will. Beide machen aber auch deutlich, dass In­di­viduen ihr Selbstverstehen nicht isoliert entwickeln – das wäre ein grundlegendes Missverständnis von Individualisierungstheoremen bzw. Subjekttheorien. Sinn wird im Kontext kulturell verfügbarer Enzyklopädien (Bilder, Zeichen, Er­zählungen, Rituale) gebildet. 63

In den letzten Jahren werden diese Bezüge wieder sehr viel deutlicher gesehen; das gilt zum einen im Sinne intentionaler Bildungsprozesse: Die Tradition liturgischer Zeichen muss unterrichtlich er­schlossen werden, und zwar nicht nur in der kirchlichen Bildungsarbeit, sondern auch in der Schule.64 Umgekehrt aber kann die Liturgie selbst eine bildende Wirkung entfalten. Diese in der Zeit der Liturgischen Bewegung von Romano Guardini und Wilhelm Stählin noch im idealistischen Verstehenszusammenhang ausgearbeitete These65 ist 2005 auf dem Hintergrund gegenwärtiger pädagogischer und medientheoretischer Überlegungen das Thema der italienischen (katholischen) Liturgiker ge­wesen.66 Hier wurde ein »ästhetisch-kritischer« statt eines lediglich historisch-kritischen Ansatzes propagiert (22), um den Gottesdienst zu verstehen, dessen Riten »weder öffentlich noch privat sind, sondern kommunitär« (142). Der Bildungsvorgang wird dabei so beschrieben: »Das Publikum will verstehen, ohne teilzunehmen; der Ritus als Geheimnis aber lehrt den umgekehrten Weg – teilzunehmen ohne den An­spruch, alles zu wissen.« (145) Das italienische Wort »formazione« für »Bildung« hat übrigens einen besonderen semantischen Reiz, weil darin immer auch das in der liturgischen Bewegung intensiv diskutierte Formproblem anklingt (wobei man das Wort nicht transitiv mit »Formung« übersetzten sollte, sondern eher mit dem medialen »Formwerdung«, also in Analogie zu »Bildung«).

Dass es sich bei der ästhetischen Kategorisierung der Liturgie um eine dezidiert theologische Frage handelt, wird an zwei um­fang­reichen Habilitationsschriften deutlich, die den Inszenierungs- bzw. Theaterbegriff weiterführen, wie er in den letzten zehn Jahren in der Liturgik breite Verwendung gefunden hat. Ein gemeinsamer Bezugspunkt beider Arbeiten ist dabei die performative Ästhetik von Erika Fischer-Lichte.67

David Plüss hat dazu alles gesichtet und bewertet, was in der letzten Zeit zur »Inszenierung« diskutiert wurde.68 Es handelt sich um eine erkennbar reformiert geprägte Arbeit, die von der Zentralstellung der Predigt ausgeht; der Predigttext nämlich »stellt das grundlegende Skript eines Gottesdienstes dar.« (229) Zudem gilt der Gottesdienst nicht selbst als »Ereignis«, sondern als dessen »Kultivierungsraum« (161). Hilfreich ist u. a. die Unterscheidung der »in­neren« und der »äußeren Bühne«, so dass sich Gottesdienst und Bibliodrama klar voneinander abgrenzen lassen. In der Liturgik sind »Spiel« und »Inszenierung« Reflexionskategorien, während es beim Bibliodrama um Handlungskate­gorien geht: Im realen Spiel werden die innere und die äußere Bühne zusam­mengelegt (270). Ebenso wenig wie von Erika Fischer-Lichte bin ich allerdings hier (17 f.92–110) davon überzeugt worden, dass man von der Ablösung des »semiotic turn« durch einen »performative turn« sprechen kann. Das Performative betont vielmehr den Handlungsaspekt und das Semiotische die Komplexität allen Handelns, das immer zugleich Mitteilung und Darstellung ist.

Parallel dazu hat Ursula Roth in ihrer Münchener Habilitationsschrift69 die Verbindung von Gottesdienst und Theater nicht nur programmatisch und praktisch, sondern auch mit vielen bisher nicht bekannten historischen Bezügen zusammengetragen: »All the world’s a stage« – so hieß es schon in Shake­speares »Wie es euch gefällt« (92). Im Rahmen des kulturwissenschaftlichen »theatrical turn« (116.123) können Gottesdienst und Theater als Grenzphänomene im mehrfachen Sinne aufgefasst werden. Die in archaischen Gesellschaften durch Passagerituale erfahrenen Veränderungen werden hier individuell und doch öffentlich anschaubar durchgespielt. Dass hier Parallelen zum bib­lischen Verständnis von zkr und Anamnesis bestehen, ist deutlich (124–128); an diesem Punkt kann die Diskussion dann noch weiter vorangetrieben werden. Hilfreich ist bei Roth u. a. die Beschreibung der »Doppelrolle« des Liturgen bei den verba testamenti zwischen er­zählenden und vollziehenden Momenten (195). Schließlich ist daran zu erinnern, dass die »Bühne« im buchstäblichen Sinne an der Sinnbildung beteiligt ist und diese sogar dann ermöglicht, wenn zunächst außer einer Kirche fast nichts mehr an religiöser Kommunikation erkennbar zu sein scheint.70


6. Gottesdienst – zwischen »Theologie der Liturgie« und »liturgischer Theologie«


Im evangelischen Gottesdienst geschieht die Mitteilung und Darstellung des Evangeliums in Ritual und verständlicher Rede. Diese etwas kompliziert erscheinende Formel verwende ich an Stelle der durch Ernst Lange geläufig gewordenen Begrifflichkeit der »Kommunikation des Evangeliums«71, weil der Kommunikationsbegriff in der Alltagssprache trotz der etymologischen Zusammenhänge mit der communio etwas Technisches behält. Positiv kann demgegenüber festgestellt werden, dass »Mitteilung« und »Darstellung« erstens schon je für sich kommunikative Erfahrungen um­schreiben und dass beide Begriffe zweitens in einfacher Sprache den bildungsbezogenen wie den ästhetischen Aspekt zur Sprache bringen können und dass sie schließlich drittens in einer kommunikativen Polarität stehen, so dass sie auf Rede und Ritual zugleich bezogen werden können, ohne mit diesen identisch zu sein. Auch die Predigt benötigt die Darstellung, worauf nicht zuletzt die Einsichten der »Liturgischen Präsenz«72 aufmerksam gemacht haben, und auch die Liturgie muss eine Art von persönlicher Mitteilung sein, was man aus der Pastoralpsychologie gelernt haben sollte.73

Der gesamte Gottesdienst ist weder allein mit theologischen noch mit psychologischen Kategorien angemessen zu beschreiben. Seine beiden Dimensionen von Ritual und Rede stehen in Spannung zueinander, sind aber zugleich als mitteilende Darstellung und darstellende Mitteilung aufeinander bezogen.74 Doch diese Integration homiletischer und liturgischer Perspektiven ist nur ein Teil der Aufgabe.

Eine Theologie des Gottesdienstes kann in Zukunft nach meiner Einsicht nur unter Berücksichtigung praktisch-theologischer, sys­tematisch-theologischer und historischer Einsichten erfolgen. Die Gottesdienstlehre wird immer mehr zu einer Verbundwissenschaft, die sorgfältige Einzelstudien erfordert, aber vor allem lesbare Ge­samtdarstellungen, die die verschiedenen Aspekte zusammenzuhalten suchen. Die evangelische und ökumenische Gottesdiensttheologie ist so schon im Bereich der Dogmatik kaum mehr zu überschauen. 75

Ein anderer Gedanke greift noch einmal weiter, indem nicht nur eine »Theologie des Gottesdienstes«, sondern eine »gottesdienstliche Theologie« zum Programm erhoben wird. In diesem Zusammenhang stehen die katholischen Diskussionen um eine »systematische Liturgiewissenschaft«76 in Anlehnung an diese Be­griffsprägung durch Guardini77, die in Deutschland eher unabhängig von der praktisch-theologischen Forschung als systematische Quellenkunde oder als Fundamentaltheologie zu konzipieren gesucht wird, während in Italien einzelne Liturgiker Kulturan­thro­pologie, Ritualtheorie und systematische Theologie aufeinander zu beziehen suchen.78 Das wissenschaftliche Gespräch der Zukunft sollte demnach nicht nur die Grenzen theologischer Disziplinen, sondern auch diejenigen des deutschen und angelsächsischen Sprachraumes wenigstens partiell hinter sich lassen.

Summary


The essay describes the recent debates in the fields of homiletics and liturgics under the umbrella term »evangelical homiletics« and demands the building of stronger relations be­tween those two fields of study in the future. The author does this by considering evangelical liturgics in relation to catholic liturgics, which in recent publications uses the category of the »commemoration of the passover mystery« to describe the specific aspects of liturgics.

In contrast to this, evangelical discourses rather tend to sum up mainly aesthetical aspects under the categories of staging and theatrality. Finally, the article recommends stronger cooperation be­tween practical, historical and fundamental homiletics as well as taking a glance beyond the limitations set by one’s confession and language.

Fussnoten:

1) So noch Hans Martin Müller: Art. »Homiletik«, in: TRE 15 [1986], 526–565, sowie ders.: Homiletik, Berlin-New York 1996; klassisch wurde dieses auf Alexander Schweizers (1808–1888) Homiletik von 1848 zurückgehende Schema durchgeführt von Paul Kleinert: Homiletik, Leipzig 1907. Dieses vor genau 100 Jahren erschienene Buch fasst die Homiletik des 19. Jh.s zusammen und ist bis heute in vieler Hinsicht lesenswert.
2) Wertvoll sind neben dem großen Engagement in vielen kirchlichen Gremien u. a. seine gesammelten historischen Studien: Frieder Schulz: Synaxis. Beiträge zur Liturgik, Göttingen 1997.
3) Im Einzelnen ausgeführt habe ich das in meinen Aufsätzen: Zwischen Zeichen und Historie. Zu Rainer Volps Liturgik und den künftigen Aufgaben der Liturgiewissenschaft, in: Einheit und Kontext (FS P. C. Bloth), Würzburg 1996, 295–313, sowie: Liturgiewissenschaft und Kirche. Eine ökumenische Verhältnisbestimmung in zehn Thesen, in: M. Meyer-Blanck [Hrsg.]: Liturgiewissenschaft und Kirche. Ökumenische Perspektiven, Rheinbach 2003, 111–138.
4) Eine Schlüsselfunktion hatte dabei das Buch von Werner Jetter: Symbol und Ritual. Anthropologische Elemente im Gottesdienst, Göttingen 21986 [1978].
5) So gibt es die 1970 gegründete evangelisch-katholische »Arbeitsgemeinschaft für Homiletik« (AGH, s. http://www.aghonline.de/aktuell.htm), während die liturgischen Zusammenschlüsse bis heute nach Konfessionen getrennt ge­blieben sind. Zur »Liturgischen Konferenz« (ehemals »Lutherische Liturgische Konferenz« – »LLK«) vgl. meinen Kurzbericht: Die »Liturgische Konferenz« Deutschlands: Gegenwärtige Arbeitsformen und Arbeitsvorhaben, in: Thema: Gottesdienst 24 [2006], 39–46. Die AGH gibt seit einigen Jahren die »Ökumenischen Studien zur Predigt« heraus, zuletzt Bd. 5: Erich Garhammer/Ursula Roth/ Heinz-Günther Schöttler [Hrsg.]: Kontrapunkte. Katholische und protestantische Predigtkultur, München 2006.
6) So jüngst Peter Cornehl: Der Evangelische Gottesdienst – Biblische Kontur und neuzeitliche Wirklichkeit. Bd. 1: Theologischer Rahmen und biblische Grundlagen, Stuttgart 2006, 14.
7) Alceste Catella: Introduzione, in: Ders. [Hrsg.]: L’omelia: Un messagio a rischio, Padua 1996, 7–16: 9.
8) Die Kasualien hat dieser Beitrag nicht im Blick, dazu s. Christian Grethlein: Kasualien. Überlegungen zu einem praktisch-theologischen Konzept, in: ThLZ 130 [2005], 895–914.
9) Georg Rietschel: Lehrbuch der Liturgik I. Die Lehre vom Gemeindegottesdienst, Leipzig 1900; ders.: Lehrbuch der Liturgik II. Die Kasualien, Berlin 1909; Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes, hrsg. von Karl Ferdinand Müller und Walter Blankenburg, 5 Bände, Kassel 1954–1970.
10) So Peter Cornehl: Liturgiewissenschaft im Aufbruch. Zum neuen »Handbuch der Liturgik«, in: ThLZ 121 [1996], 223–240.
11) P. Cornehl (s. letzte Anm.) rezensierte das Werk prägnant wie folgt: »Die Umgangsweise ist konziliant, aber nicht konziliar.« (228) Zur inzwischen (2003) erschienenen 3. Auflage s. die Besprechung von Wilfried Engemann in: ThLZ 129 [2004], 1357–1360.
12) H. Schwier: Die Erneuerung der Agende. Zur Entstehung und Konzeption des »Evangelischen Gottesdienstbuches«, Hannover 2000 (Leiturgia NF 3).
13) Thomas Rheindorf: Liturgie und Kirchenpolitik. Die Liturgische Arbeitsgemeinschaft von 1941 bis 1944, Leipzig 2007 (APrTh 34). Damit ist die Entstehung der nach 1945 so einflussreichen »Lutherischen Liturgischen Konferenz Deutschlands« beschrieben.
14) Coena Domini II. Die Abendmahlsliturgie der Reformationskirchen vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, hrsg. von I. Pahl, Fribourg 2005. Der Band ist die Fortsetzung des 1983 erschienenen Buches »Coena Domini I«, das die Ordnungen des evangelischen Abendmahls aus dem 16. und 17. Jh. enthält; angekündigt ist schließlich noch ein dritter Band unter dem Titel »Sacrum Convivium«, der das ökumenische Zeitalter von »Reform und Konvergenz« des 20. Jh.s umfassen soll.
15) K.-H. Bieritz: Liturgik, Berlin-New York 2004; s. dazu meine Besprechung in: ThLZ 130 [2005], 566–568.
16) Christian Grethlein/Günter Ruddat [Hrsg.]: Liturgisches Kompendium, Göttingen 2003.
17) Im Einzelnen vgl. dazu die Literaturberichte von Christian Grethlein: Evangelische Liturgik – im Aufbruch. Literaturbericht 1997–2001, in: ThR 68 [2003], 341–372, und: Evangelische Liturgik – Konzentration und Ausweitung. Literaturbericht 2002–2006, in: ThR 73 [2008].
18) J. Neijenhuis: Gottesdienst als Text. Eine Untersuchung in semiotischer Perspektive zum Glauben als Gegenstand der Liturgiewissenschaft, Leipzig 2007.
19) Jeannett Martin: Mensch – Alltag – Gottesdienst. Bedürfnisse, Rituale und Bedeutungszuschreibungen evangelisch Getaufter in Bayern, Münster 2007, Nachweise im Folgenden im Haupttext.
20) Dazu ist das wichtige Buch von Gotthard Fermor/Harald Schroeter-Wittke [Hrsg.]: Kirchenmusik als religiöse Praxis. Praktisch-theologisches Handbuch zur Kirchenmusik, Leipzig 22006 [2005] zu nennen; dazu s. die Besprechung von Joachim Stalmann in: ThLZ 131 [2006], 1072 f.
21) Im Internet: www.gospecial.de. – Vgl. dazu den Beitrag von Fabian Vogt in dem knappen und höchst informativen Band von Lutz Friedrichs [Hrsg.]: Alternative Gottesdienste, Hannover 2007 (in der Reihe des Gottesdienstzentrums Hildesheim »gemeinsam gottesdienst gestalten«, hrsg. von Jochen Ar­nold, Bd. 7), 82–96; über die niederländischen evangelischen Kirchen ist erschienen: Marcel Barnard: Liturgie vorbij de Liturgische Beweging. Over ›Praise and Worship‹, Thomasvieringen, kerkdiensten in migrantenkerken en ritualiteit op het internet, Zoetermeer 2006; zu Gottesdiensten anlässlich jüngster kultureller Entwicklungen s. Thomas Klie [Hrsg.]: Valentin, Halloween & Co. Zivilreligiöse Feste in der Gemeindepraxis, Leipzig 2006.
22) Dazu s. die Verlautbarung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentsordnung: Der Gebrauch der Volkssprache bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie: Liturgiam Authenticam, 2001.
23) Besonders informativ ist der knappe Band von Klemens Richter/Thomas Sternberg: Liturgiereform. Eine bleibende Aufgabe. 40 Jahre Konzilskonstitution über die heilige Liturgie, Münster 2004.
24) R. Meßner: Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn 2001.
25) R. Meßner (s. letzte Anm.), 33; zur Abgrenzung der Liturgiewissenschaft von der Praktischen Theologie: 31.
26) A. Gerhards/B. Kranemann, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Darmstadt 2006, 38. Noch Anton Baumstark (1872–1948) hatte in seinem wachstums- und evolutionsmetaphorischen Konzept der vergleichenden Liturgiegeschichtsforschung die reformatorische Entwicklungen als willkürliche Setzungen unberücksichtigt gelassen.
27) A. Gerhards: Liturgiewissenschaft: Katholisch – Evangelisch – Ökumenisch, in: Liturgiewissenschaft und Kirche (s. o. Anm. 3), 63–86: 80.
28) A. Gerhards/B. Kranemann (s. vorletzte Anm.), 204.
29) A. Odenthal, Liturgie als Ritual. Theologische und psychoanalytische Überlegungen zu einer praktisch-theologischen Theorie des Gottesdienstes als Symbolgeschehen, Stuttgart 2002 (PThHe 60).
30) A. Grillo, Teologia fondamentale e liturgia. Il rapporto tra immediatezza e mediazione nella riflessione teologica, Padua 1995; auf Deutsch ist jetzt zugänglich sein Buch: Einführung in die liturgische Theologie. Zur Theologie des Gottesdienstes und der christlichen Sakramente, Göttingen 2006 [ital. 1999].
31) Bonaccorso, Giorgio: Celebrare la salvezza. Lineamenti di liturgia. 2. Aufl. Padova: Edizioni Messaggero; Abbazia di Santa Giustina 2003. 239 S. 8° = Caro Salutis Cardo. Sussidi, 6. Kart. EUR 13,00. ISBN 88-250-1378-7, 13.
32) G. Bonaccorso (s. letzte Anm.), 101 (zur Initiation).
33) Dazu s. die beiden Bände: A. Gerhards/Hans Hermann Henrix [Hrsg.]: Dialog oder Monolog? Zur liturgischen Beziehung zwischen Judentum und Christentum, Freiburg 2004 (QD 208), und A. Gerhards/Stephan Wahle [Hrsg.]: Kontinuität und Unterbrechung. Gottesdienst und Gebet in Judentum und Christentum, Paderborn 2005.
34) So F. Schulz, Synaxis (s. o. Anm. 2), 15–36.
35) So Peter Wick: Die urchristlichen Gottesdienste. Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel-, Synagogen- und Hausfrömmigkeit, Stuttgart 22003, 360–366: 365. – Auch die erwähnte (s. o. Anm. 6) Gottesdienstlehre von P. Cornehl ist im bisher vorliegenden 1. Band im Wesentlichen eine Darstellung der biblischen Grundlagen aus dem Alten (79–142) und dem Neuen Testament (143–287).
36) Dazu s. aus evangelischer Sicht beispielsweise Hans-Christoph Schmidt-Lauber: Eucharistie als Anamnese und Epiklese, in: Ders.: Die Zukunft des Gottesdienstes, Stuttgart 1990, 66–78 (erstmals 1981 publiziert).
37) S. Wahle: Gottes-Gedenken. Untersuchungen zum anamnetischen Gehalt christlicher und jüdischer Liturgie, Innsbruck 2006 (IThS 73).
38) S. Wahle (s. letzte Anm.), 100.104 f.108.
39) Wahle spricht von der »im katholischen Bereich in ihrer liturgischen Funktion wenig reflektierte[n] Predigt« (316).
40) Ausführlich dazu s. H. Schwier (s. o. Anm. 12), 402–407 und 488–493.
41) Irene Mildenberger: Der Israelsonntag – Gedenktag der Zerstörung Jerusalems. Untersuchungen zu seiner homiletischen und liturgischen Gestaltung in der evangelischen Tradition, Berlin 2004 (SKI 22).
42) Christian Stäblein: Predigen nach dem Holocaust. Die Wahrnehmung des jüdischen Gegenübers in der evangelischen Predigtlehre nach 1945, Göttingen 2004 (APTh 44); zum historischen Hintergrund Andrea Bieler: Die Sehnsucht nach dem verlorenen Himmel. Jüdische und christliche Reflexionen zu Gottesdienstreform und Predigtkultur im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2003 (PThHe 65).
43) Deeg, Alexander: Predigt und Derascha. Homiletische Textlektüre im Dialog mit dem Judentum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 608 S. m. Abb. u. Tab. gr.8° = Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie, 48. Kart. EUR 78,90. ISBN 978-3-525-62390-9. Das Buch enthält auch ein Glossar zu jüdischen Termini (593–596) sowie ein Namenregister (597–608); Seitenhinweise im Folgenden im Haupttext.
44) Reformierte Liturgie: Gebete und Ordnungen für die unter dem Wort versammelte Gemeinde, im Auftrag des Moderamens des Reformierten Bundes hrsg. von Peter Bukowski, Wuppertal 1999.
45) R. Kunz: Gottesdienst evangelisch reformiert. Liturgik und Liturgie in der Kirche Zwinglis, Zürich 2001.
46) Kunz, Ralph: Der neue Gottesdienst. Ein Plädoyer für den liturgischen Wildwuchs. M. Beiträgen v. A. Fischer, M. Giger, M. Girgis, M. Rissi u. Th. Schaufelberger. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2006. 221 S. m. Tab. 8°. Kart. EUR 25,00. ISBN 978-3-290-17357-9. Auf den grundsätzlichen Text von Kunz (7–144) folgen Praxisbeispiele von Markus Giger, Mathias Rissi, Matthias Girgis, Thomas Schaufelberger und Andreas Fischer (147–215); Seitenangaben im Folgenden im Haupttext.
47) E. Genre: Gesù ti invita a cena. L’eucaristia è ecumenica, Turin 2007. Zu Genres Einführung in die Liturgik (Il culto cristiano. Una prospettiva protestante, Turin 2004) vgl. meine Besprechung in: ThLZ 130 [2005], 836–837.
48) Seit 1997 erschienen in der Reihe »Beiträge zu Liturgie und Spiritualität« 18 Bände, zuletzt: Irene Mildenberger [Hrsg.]: Ordinationsverständnis und Or­dinationsliturgien. Ökumenische Einblicke, Leipzig 2007.
49) Liturgische Konferenz [Hrsg.]: Neues Evangelisches Pastorale, Gütersloh 32007, und dies.: Gott ins Spiel bringen. Handbuch zum Neuen Evangelischen Pastorale, Gütersloh 2007; dies.: Mit Anderen feiern – Gemeinsam Gottes Nähe suchen. Eine Orientierungshilfe der Liturgischen Konferenz für christliche Ge­meinden zur Gestaltung von religiösen Feiern mit Menschen, die keiner christlichen Kirche angehören, Gütersloh 2006.
50) Vgl. dazu den Literaturbericht von Friedrich Wintzer: Zur Homiletik am Ende des 20. Jahrhunderts, in: ThR 68 [2003], 460–498, der mit der Bemerkung endet, dass die protestantische und katholische Homiletik in Deutschland »den Prozess der methodischen Annäherung vorangetrieben haben« (498).
51) Erich Garhammer/Heinz-Günther Schöttler [Hrsg.]: Predigt als offenes Kunstwerk. Homiletik und Rezeptionsästhetik, München 1998.
52) Besonders wirkungsvoll ist zur Zeit der Ansatz der »dramaturgischen Homiletik«. Dazu s. Martin Nicol: Einander ins Bild setzen. Dramaturgische Homiletik, Göttingen 2002; dazu s. mein Besprechung in: ThLZ 128 [2003], 1105–1107.
53) So jüngst Lehnert, Volker A.: Kein Blatt vor’m Mund. Frei predigen lernen in sieben Schritten. Kleine praktische Homiletik. Neukirchen-Vluyn: Neu­kirchener Verlagshaus 2006. 160 S. 8° Kart. EUR 14,90. ISBN 978-3-7975-0146-2.
54) G. M. Martin: Predigt als »offenes Kunstwerk«? Zum Dialog zwischen Homiletik und Rezeptionsästhetik, in: EvTh 44 [1984], 46–58.
55) Engemann, Wilfried, u. Frank M. Lütze [Hrsg.]: Grundfragen der Predigt. Ein Studienbuch. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. 431 S. gr.8°. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-374-02375-2.
56) Christian Albrecht/Martin Weeber [Hrsg.]: Klassiker der protestantischen Predigtlehre, Tübingen 2002.
57) Martin Bröking-Bortfeldt: Kreuz der Wirklichkeit und Horizonte der Hoffnung. Ernst Langes Predigten und seine homiletische Entwicklung, Stuttgart 2004 (PThHe 70); vgl. die Rez. von Jan Hermelink in: ThLZ 131 [2006], 566–567.
58) H.-M. Dober: Evangelische Homiletik. Dargestellt an ihren drei Monumenten Luther, Schleiermacher und Barth mit einer Orientierung in praktischer Absicht, Münster 2007.
59) C. Usarski: Jesus und die Kanaanäerin (Matthäus 15,21–28). Eine predigtgeschichtliche Recherche, Stuttgart 2005 (PThHe 69); dazu s. die Besprechung von F. M. Lütze in: ThLZ 132 [2007], 707–709.
60) Karl-Fritz Daiber u. a. [Hrsg.]: Predigen und Hören. Ergebnisse einer Gottesdienstbefragung, Bd. 1: Predigten, Analysen, Grundauswertung, München 1980; Bd. 2: Kommunikation zwischen Predigern und Hörern – Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, München 1983, Bd. 3: Predigt als religiöse Rede, Gütersloh 1991.
61) Lütze, Frank M.: Absicht und Wirkung der Predigt. Eine Untersuchung zur homiletischen Pragmatik. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. 322 S. m. Tab. gr.8° = Arbeiten zur Praktischen Theologie, 29. Geb. EUR 38,00. ISBN 3-374-02386-X, Seitennachweise im Folgenden im Haupttext.
62) K.-H. Bieritz: Art. Liturgik II. Forschungsstand, in: 4RGG Bd. 5, 452–455: 454.
63) So lautet ein »Axiom« des mit Ch. S. Peirce argumentierenden Buches von Graham Hughes: Worship as Meaning. A Liturgical Theology for Late Modernity, Cambridge 2003: »people for the most part shape their meanings from the stocks of meanings available to them« (7).
64) So Thomas Klie/Bärbel Husmann: Gestalteter Glaube. Liturgisches Lernen in Schule und Gemeinde, Göttingen 2005; dazu s. die Besprechung von Rainer Lachmann in: ThLZ 131 [2006], 1336–1338.
65) Dazu vgl. die Leipziger Dissertation von Olaf Richter: Anamnesis – Mimesis – Epiklesis. Der Gottesdienst als Ort religiöser Bildung, Leipzig 2005 (APrTh 28); vgl. die Besprechung von Thomas Klie in: ThLZ 131 [2006], 1052 f.
66) Grillo, Andrea [Hrsg.]: La Formazione Liturgica. Atti della XXXIII Settimana di Studio dell’ Associazione Professori di Liturgia. Camposampiero (Padova), 28 agosto – 2 settembre 2005. Rom: CLV-Edizioni Liturgiche 2006. 208 S. gr.8° = Bibliotheca »Ephemerides Liturgicae«. »Subsidia«, 137. Kart. EUR 28,00. ISBN 88-7367-053-9, Seitenangaben im Folgenden im Haupttext.
67) E. Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, Frankfurt a. M. 2004.
68) Plüss, David: Gottesdienst als Textinszenierung. Perspektiven einer performativen Ästhetik des Gottesdienstes. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2007. 358 S. 8° = Christentum und Kultur, 7. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-290-17423-1, Seitennachweise im Folgenden im Haupttext.
69) U. Roth: Die Theatralität des Gottesdienstes, Gütersloh 2006 (PThK 18), Seitennachweise im Haupttext.
70) Dazu s. die Rostocker Dissertation von Ulrike Schäfer-Streckenbach: Kulturkirchen. Wahrnehmung und Interpretation, Gütersloh 2007 (PThK 19).
71) Erstmals programmatisch verwendet von Ernst Lange: Aus der »Bilanz 65«, in: Ders.: Kirche für die Welt, Stuttgart-Gelnhausen 1981, 101–129 [1965]; für das Ganze der Praktischen Theologie vgl. jetzt das Nachwort in: Christian Grethlein/Helmut Schwier [Hrsg.]: Praktische Theologie. Eine Theorie- und Problemgeschichte, Leipzig 2007, 793–801.
72) Thomas Kabel, Handbuch Liturgische Präsenz Bd. 1. Zur praktischen Inszenierung des Gottesdienstes, Gütersloh 2002; vgl. dazu meinen Aufsatz: Authentizität, Form und Bühne: Theatralisch inspirierte Liturgie, in: PTh 94 [2005], 134–145.
73) Dazu s. Hans-Christoph Piper: Kommunizieren lernen in Seelsorge und Predigt. Ein pastoraltheologisches Modell, Göttingen 1981.
74) Friedrich Schleiermacher: Die praktische Theologie nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang dargestellt, hrsg. von Jacob Frerichs, Berlin-New York 1983 [1850], 75.103 u. ö. Dabei bezieht Schleiermacher den Begriff der »Darstellung« bekanntlich nicht auf die Lehren oder auf die Zeichen als solche, sondern gerade auf die in und mit ihnen kommunizierten »religiösen Gemütszustände« (103) – also auf die individuell erschlossene Gestalt des die Gemeinschaft Konstituierenden.
75) Das zeigt die äußerst materialreiche Arbeit von Jochen Arnold: Theologie des Gottesdienstes. Eine Verhältnisbestimmung von Liturgie und Dogmatik, Göttingen 2004 (VLH 39), dazu die Besprechung von Jörg Neijenhuis in: ThLZ 132 [2007], 857 f.
76) Helmut Hoping/Birgit Jeggle-Merz [Hrsg.]: Liturgische Theologie. Aufgaben systematischer Liturgiewissenschaft, Paderborn u. a. 2004. Dabei lassen sich der religionsphilosophisch bestimmte Ansatz einer systematischen Liturgiewissenschaft von Hoping u. a. sowie der historisch-exegetisch orientierte Ansatz von Meßner u. a. unterscheiden. Hoping (35) konstatiert ein bisheriges gegenseitiges Desinteresse von (katholischer) Dogmatik und Liturgiewissenschaft. Meßner bestimmt in demselben Band die Liturgiewissenschaft als mehrperspektivisch, wozu er den Begriff »aspektivisch« aus der Ägyptologie und Exegese aufnimmt (51).
77) Romano Guardini: Über die systematische Methode in der Liturgiewissenschaft, in: JLW 1 [1921], 79–108.
78) Dazu s. o. (Anm. 30) den Hinweis auf die Publikationen von Andrea Grillo, Padua-Rom; mit den besonders in den Niederlanden diskutierten »ritual stud­ies« beschäftigte sich die Konferenz der deutschsprachigen katholischen Liturgiker auf ihrer Tagung in den Niederlanden im August 2006 (ein Tagungsband erscheint 2008).