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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1237 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Beyerle, Stefan, u. Michael Roth [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Geld als bestimmender Faktor menschlicher Existenz.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2006. 225 S. gr.8° = Theologie – Kultur – Hermeneutik, 5. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-374-02388-2.

Rezensent:

Thomas Klie

Macht Geld glücklich? – Im Prinzip nein. Zumindest wenn man versucht, die Frage psychologisch oder soziologisch zu beantworten. Michael Roth geht diesem Problem in theologischer Perspektive nach und zeichnet es ein in eine umfassende Theorie des Glücks. Danach liegt die Faszination des Geldes gerade in seiner Unkonkretheit – es vermittelt den Anschein, optional diejenige Wirklichkeit »beschaffen« zu können, die man gerade begehrt. Dem un­glück­lichen Leben bietet es sich gewissermaßen als mediatisiertes Summum bonum an. Die theologische Pointe seines mit 73 Seiten etwa ein Drittel des gesamten Buches beanspruchenden Aufsatzes liegt für Roth in der Absage des Glaubens an jede Form der Totaldeutung: »zu einer Systembildung, die alles in einer letzten Einheit zu einem Ausgleich bringt, eignet er sich denkbar schlecht« (217). Das entbindet die Theologie natürlich keineswegs davon, dem Kulturphänomen Geld eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, denn: »Die Präsenz von ökonomischen Fragen ist allgegenwärtig. Ebenso die Klage darüber.« (9) Mit diesem Eingangssatz ist Anlass, Reichweite und Deutungsmarge einer solchen Theoriebemühung angezeigt.
In dem schönen, von den beiden Bonner Privatdozenten Beyerle (Altes Testament) und Roth (Systematik) besorgten Tagungsband soll die Geldhaltigkeit des Lebens nicht in einer »Megatheorie« interpretiert werden, vielmehr wird eine mehrperspektivische, im weitesten Sinne phänomenologische Sichtweise angeboten. Wer hier einer linearen Lektürestrategie folgt, wird allerdings gleich beim ersten Beitrag irritiert. Der ansonsten instruktive neutestamentliche Gedankengang zur Präexistenzchristologie (Scriba) geht mit keinem Wort auf den pekuniären Komplex ein. Auch die von den Herausgebern angebotene Lesart einer kulturhermeneutischen Grundüberlegung kann nicht recht überzeugen. Nah am Thema sind dann aber die biblisch-kulturanthropologischen, psy­chologischen, wirtschaftswissenschaftlichen und systematisch-theologischen Gedankengänge. Arbeitet Beyerle die Offenheit der Geld-Vorstellung als basale Deutekategorie in alttestamentlicher Zeit heraus, bieten die Untersuchungen zur Einstellungsdimension (Roth/Gottwald/Diener) hierzu ein interessantes Komplement: die Metaphorisierung als eine von der – empirisch schwer zu erhebenden – Einstellung zum Geld abhängige Variable. Erhellend sind auch die Gedanken zur moralischen Qualität der Marktwirtschaft (Vollmer). Das deutliche Plädoyer gegen »moralisch begründete hoheitliche Eingriffe in die Geldwirtschaft« folgt einer ökonomischen Binnenlogik, nach der in einem solchen Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit ein »unmoralisches Ergebnis an anderer Stelle« erwartbar wird (117). Dabei kann Moral – so die These – durchaus ein relevanter Wettbewerbsfaktor sein, dies jedoch nur, wenn sie zum Kaufkriterium der Konsumenten avanciert. In diesem Kontext stellt sich natürlich die Frage nach dem Ansatzpunkt für die christliche Geldkritik. Dankenswerterweise verzichtet der Beitrag von Petzoldt auf den »penetranten Moralismus« vieler kirchlicher Stellungnahmen zum Wirtschafts- und Finanzsystem. Speisen sich jene doch vornehmlich aus einer individual-ethischen Verkürzung des gesamtgesellschaftlichen Geldumgangs. Mit Recht ge­warnt wird auch vor einer unkritischen Übernahme biblischen Gedankenguts in die aktuellen Auseinandersetzungen mit der Zinswirtschaft. Als eine verheißungsvolle Schnittstelle zwischen Geld und Religion wird demgegenüber der Glaubens- bzw. Vertrauensbegriff stark gemacht. Über dieses Tertium comparationis kann Geld trotz latenter Mammonisierungstendenz als mensch­liche Kulturleistung ersten Ranges gewürdigt werden: »Der religiöse Glaube festigt auch das Vertrauen in Geld als eine Kulturleistung der menschlichen Gesellschaft in ihren geschichtlichen Konkretionen.« (140)
Den Aufsatzreigen beschließen die Notizen von Jochen Schmidt zur Konkurrenz von Glaube und Konsumorientierung in Updikes »Rabbit«-Tetralogie. Der Protagonist Harry Angstrom gibt sich hier nicht primär aus finanziellen Motiven einer marktförmigen Da­seinsgestaltung hin, sondern die Ambivalenz seiner Gotteserfahrung motiviert sein Handeln. Die Divinisierung des Geldes ruht in der Brüchigkeit seiner Religion.
Insgesamt liegt eine gut lesbare Aufsatzsammlung vor, die für den kirchlichen Unterricht wie für den Bereich akademischer Bildung ein breites Deutungsspektrum bietet. Mit Gewinn liest diesen Band, wer sich von seinen konzisen Beiträgen zu einer eigenen Geld-Theorie anregen lässt, die hier mit guten Gründen vorenthalten wird.