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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1216 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Dingel, Irene, u. Günther Wartenberg [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Georg Major. Ein Theologe der Wittenberger Reformation. Red.: M. Beyer.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2005. 327 S. m. 1 Abb. u. Tab. gr.8° = Leucorea-Studien zur Geschichte der Reformation und der Lutherischen Orthodoxie, 7. Geb. EUR 38,00. ISBN 3-374-02332-0.

Rezensent:

Ernst Koch

Dieser Band dokumentiert die I. Wittenberger Frühjahrstagung, die vom 9. bis 11. März 2000 in der Leucorea stattfand und eine Reihe von weiteren Tagungen eröffnete, die sich die Beschäftigung mit Gestalten der Wittenberger Reformation neben Luther und Me­lanchthon zur Aufgabe gestellt hat. Eröffnet wird er mit einem Beitrag von Helmar Junghans über die Geschichte der Universität Wittenberg, ihre Gebäude, ihre Professoren und Studenten sowie maßgebende Ereignisse zwischen 1536 und dem Tod Majors 1574. Dieser Beitrag wird ergänzt durch ein von Junghans erstelltes, mit Biogrammen und Tabellen versehenes Verzeichnis der Rektoren, Prorektoren, Dekane, Professoren und Schlosskirchenprediger der Universität während des gleichen Zeitraums (235–270). Wer die Schwierigkeiten kennt, den Daten und Lebenswegen in der Forschung eher wenig berücksichtigter Personen des Wittenberger Universitätslebens des 16. Jh.s auf die Spur zu kommen, wird künftig gern auf diese Zusammenstellung zurückgreifen.
Der Hauptteil des Bandes ist Einzelaspekten des Lebens und Wirkens Majors gewidmet: Major als Wittenberger Professor (H.-P. Hasse), als Exeget des 1. Timotheusbriefs (T. J. Wengert), als Prediger (R. Kolb), als Übersetzer (M. Beyer), als Pädagoge (M. Wriedt), seine Rolle auf dem Regensburger Religionsgespräch von 1546 (I. Dingel) und in den politisch-theologischen Auseinandersetzungen in Kursachsen zwischen 1546 und 1552 (G. Wartenberg). Hinzuweisen ist auch auf ein Verzeichnis der Druckschriften aus Majors Feder, die bis zum Ende des Reformationsjahrhunderts erschienen sind, eine kritische Bibliographie mit Beschreibung der Drucke aber nicht ersetzen möchte (271–314). Das Verzeichnis kommt auf 171 Haupttitel mit bis zu 23 Untertiteln (Ausgaben bzw. Auflagen, Einzelbeiträge in Sammelbänden u. a.).
Die Verteilung der Einzelaspekte von Majors Lebenswerk auf Einzelstudien ermöglicht die Spezifizierung von Untersuchungsergebnissen, die weiterführende Ereignisse in großer Zahl ans Licht bringen. Die Vorlesungstätigkeit des Wittenberger Professors gewinnt deutliche Strukturen, die Verbindung von Loci-Methode, die Bezugnahme auf die frühe Kirche und die Stellungnahme zu aktuellen Problemen prägen seine Paulusauslegung, die Untersuchung der veröffentlichten Predigten zeigt Majors spezifische Stellung innerhalb der Wittenberger Arbeitsgemeinschaft. Erstmals wird ein Einblick in Majors Übersetzertätigkeit gegeben, der »große sprachliche Begabung« und souveräner Umgang mit Rhetorik attestiert wird (demgegenüber verwirrt S. 125 Z. 13 – hier muss es doch wohl »verborgen« statt »unverborgen« heißen). Neues Licht fällt auf Majors Magdeburger Schultätigkeit, seine Rolle während des Regensburger Gesprächs von 1546 dagegen ist abgesehen von der publizistischen Aktivität im Nachklang des Gesprächs eher als bescheiden zu beurteilen. Die kursächsische Kirchenpolitik um 1548 sieht ihn entschieden auf der Seite der Wittenberger und des Kurfürsten Moritz, was ihn zum möglichen Nachfolger und Fortsetzer von Melanchthons Lebenswerk machte. In diesem Zusam­menhang ist auf die Erstveröffentlichung eines Briefes der Grafen Johann Georg und Johann Albrecht von Mansfeld an Melanchthon hinzuweisen (230–231). Die mit diesem Band begonnene Reihe von personal orientierten Studien zu bisher wenig gewürdigten Gestalten der Wittenberger Reformation des 16. Jh.s ist sehr zu begrüßen. Eine solche eröffnende und weiterführende Arbeit ist, wie der Band zeigt, nur möglich in intensivem Umgang mit den Quellen. Kritisch zu vermerken ist, dass vielleicht die mehrfache Wiederholung von Einzelheiten der Biographie Majors hätte vermieden werden können. Den Herausgebern ist bewusst, dass es weiterhin Themen des Lebenswerkes Majors zu bearbeiten gilt. Jedoch markieren die Beiträge auch möglicherweise auf Grund fehlender Quellen bleibende Forschungslücken. Was jedoch er­reicht ist, hat die Arbeit gelohnt: die Würdigung einer oft in den Hintergrund geratenden Person aus dem Umkreis Martin Luthers und Philipp Melanchthons zur Geschichte der von Wittenberg ausgegangenen Reformationsbewegung.