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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1183–1186

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ornan, Tallay

Titel/Untertitel:

The Triumph of the Symbol. Pictorial Representation of Deities in Mesopotamia and the Biblical Image Ban. In cooperation with the Israel Exploration Society.

Verlag:

Fribourg: Aca­demic Press Fribourg; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005. XII, 284 S. m. Abb. gr.8° = Orbis Biblicus et Orientalis, 213. Geb. EUR 57,00. ISBN 3-7278-1519-1 (Academic Press Fribourg); 3-525-53007-2 (Vandenhoeck & Ruprecht).

Rezensent:

Christian Frevel

Im Forschungsfeld der vorderorientalischen Ikonographie ist die Autorin der vorliegenden Monographie – eine der Kuratorinnen des Israel-Museums und Senior Lecturer an der Hebrew Univer­sity– keine unbekannte Größe. Die Studie führt zu­dem eine Dekade der Beschäftigung mit mesopotamischer Ikonographie und Vorarbeiten zum Wechsel von anthropomorphen zu symbolischen Darstellungen weiter, so dass das Interesse für die im Titel angegebene These geweckt und die Erwartung hoch ist. O. geht es jedoch nicht um eine erneute Analyse zum Bilderverbot und zu seiner innerbiblischen Entwicklung, sondern um eine zu­sammen­fassen­de Darstellung und Auswertung einer Entwicklung in der Götterikonographie Mesopotamiens, die nach O. in der Mitte des 2. Jt.s v. Chr. beginnt und in der ersten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. ihren Höhepunkt erreicht: die zunehmende Repräsentation von Göttern und Göttinnen auf Bildträgern außerhalb von Kultbildern in Tempeln durch die Gottheit repräsentierende und zum Teil substituierende Symbole.
Zu diesem Zweck untersucht sie in den sieben Kapiteln des Bu­ches anthropomorphe und nicht-anthropomorphe Götterdarstellungen auf unterschiedlichen Bildträgern getrennt voneinander. Während die lediglich textlich bezeugten Kultbilder in Tempeln als Evidenz für eine durchgehaltene Darstellung von Göttinnen und Göttern in anthropomorpher Gestalt festgehalten werden, untersucht O. jeweils differenziert monumentale Reliefs, Stelen, Palastdekorationen und Siegeldarstellungen. In der Entwicklung werden dabei die mittelbabylonische kassitische und die mittelassyrische Zeit (zweite Hälfte des 2. Jt.s v. Chr.) sowie die neubabylonische und neuassyrische Zeit (erste Hälfte des 1. Jt.s v. Chr.) nach einer Einführung in Grundlagen und Klassifizierung (1–17) in vier großen Abschnitten (18–108) dargestellt. Der Schwerpunkt liegt auf Grund der entfalteten These auf den nicht-anthropomorphen Götterdarstellungen durch Symbole, Tiere und Mischwesen im 1. Jt. v. Chr., wobei in Kapitel 5 und 6 ausgewählte nicht-anthropomorphe Darstellungen und Symbole der Glyptik ausführlicher untersucht werden: Für die babylonische Glyptik konzentriert sich die Darstellung auf Spaten, Griffel, mušḫuššu, Hund, Lampe, Skorpion, Ziegenfisch, Löwendrachen, apkallu, Mischwesen, für die assyrische Glyptik auf Spaten, Griffel, Stern und Rosette, geflügelte Scheibe, stilisierten Baum, stilisierten Baum mit flankierenden Capriden, Skorpion, Kuh- und Kalb-Motiv und Sichelmondstandarte. Kapitel7 bietet eine ausführliche Zusammenfassung und die Entfaltung der These eines Zusammenhangs zwischen der ikonographischen Entwicklung in Mesopotamien und dem biblischen Bilderverbot. Abgeschlossen wird die Studie durch eine ausführliche Bibliographie, einen Index und 220 Strichzeichnungen der besprochenen Abbildungen.
Die Thesen der Studie entfaltet das Schlusskapitel, das den Duktus der Argumentation noch einmal zusammenfasst und weiterführt: »Although non-anthropomorphic display was known in Mesopotamian iconography during the third millennium and continued in the first half of the second millennium, it was only during the second half of the second millennium and in particular during the first millennium that non-anthropomorphic depictions of the divine became common, often suppressing anthropomorphic representations« (170 f.). Bei den an die Stelle der anthropomorphen Darstellungen tretenden »Ersatzdarstellungen« handelt es sich um Symbole, Tiere und Mischwesen, die nicht neu erfunden wurden, sondern der jeweiligen Darstellungskonvention entstammen. Dass die Symbole nicht vollständig an die Stelle der anthropomorphen Darstellungen treten, sondern diese lediglich zurückdrängen, lässt O. den Schluss ziehen, dass die überkommenen Darstellungskonventionen des Göttlichen in Menschengestalt nicht vollständig und auch nicht prinzipiell aufgegeben und ersetzt wurden bzw. darstellungstechnische oder künstlerische Schwierigkeiten den Grund dafür abgaben. Durch die sorgfältige Unterscheidung der einzelnen Fundgattungen entwickelt O. zu­dem eine Differenz zwischen den kultisch bestimmten Räumen in Tempeln, in denen anthropomorphe Kultbilder eher ihren Platz haben, und den stärker repräsentativ bestimmten Räumen außerhalb der Tempel, wo häufig Konstellationen von Symbolen auf wenig Darstellungsraum dominieren.
»Whereas most of these godly images were associated with temples and appar­ently were confined only to temple paraphernalia kept within the sacred enclosure, non-anthropomorphic representations were most prevalent else­where, beyond the sacred space« (171). Den Grund dafür vermutet O. in Anlehnung an G. Lambert in der besonderen Sakralität von Kultbildern (»most holy«, 176). »Thus, when ›removed‹ from their sacred surroundings … the divine image was replaced by its surrogate, a non-anthropomorphic symbol. This modification was probably aimed at reserving the sacredness of the divine image exclusively for its terrestrial abode, the human built-temple« (174). Unmittelbar auffallend ist, dass die großen Hauptgottheiten nur selten dargestellt werden. »In their daily lives, Babylonians and Assyrians were not surrounded by figures of their prominent gods, but instead by clay statuettes of minor deities, by composite apotropaic creatures and by divine symbols engraved on seals« (173). Wenn doch, dann ist die Darstellung wie etwa im Rahmen der assyrischen Palastdekorationen kein Selbstzweck, sondern die Gottheiten sind in ihrer protektiven Funktion auf Gegenständen militärische nGebrauchs abgebildet. Die assyrische Königsideolgie verstärkt insgesamt die Tendenz des Zurückdrängens anthropomorpher Götterdarstellungen. »Retaining the portrayal of the king as the sole major figure in palatial decoration as well as on stelae and rock reliefs eliminated the possible competition between king and god for the eye of the beholder, and resulted in the exaltation of the monarch« (173). Als Ausnahme dieser assyrischen Entwicklung wird die Regierungszeit Sanheribs herausgestellt, jedoch deren Vorliebe für anthropomorphe Darstellungen nicht auf das Zurücktreten des Königs, sondern auf syrischen Einfluss zurückgeführt.
Auf den Vergleich zum Bilderverbot zielen lediglich die letzten Seiten des Buches. Dort wird unter der Voraussetzung, dass das biblische Bilderverbot frühestens im Exil formuliert wurde, versucht, eine Parallelität zwischen der mesopotamischen Entwicklung und dem biblischen Bilderverbot zu ziehen. Ausgangspunkt ist zum einen das in Aufnahme der Terminologie Tryggve Mettingers formulierte Verständnis der mesopotamischen Evidenz als »de facto aniconic tradition(s)« (175), zum anderen die angenommene Parallelität, dass in beiden Fällen eine Auseinandersetzung stattfindet: »The removal of the Mesopotamian human-shaped deity from pictorial renderings resembles the biblical approach not only in its challenging the portrayal of a divine image, but also in the duality embedded in this challenge. Mesopotamian imagery diverges from its own rich written sources, just as biblical accounts and refer­ences contradict the Bible’s cultic perception of the divine« (178). Die in jüngeren Untersuchungen zur prophetischen Bilderpolemik herausgestellte Bezogenheit auf mesopotamische Texte führt O. zu der These, der Umgang mit Bildern sei analog. » … one is inclined to treat these two phenomena as possibly associated, perhaps even complementing each other, rather than two contradictory re­ligious world views« (181). So gipfelt die Studie in der steilen These: »The biblical ban is to be perceived as a world view basically in­spired by contemporary tendencies in Babylonia and Assyria, and not, as commonly suggested, as one that opposes Mesopotamian perceptions« (182).
Zwar kann die Aufhebung einer dichotomen Trennung zwischen dem »ganz Anderen« der Entwicklung der Religion Israels und den Religionen der Umwelt, einschließlich des Zweistromlandes, breitere Zustimmung erwarten, doch – sieht man einmal von dieser als Rekontextualisierung zu paraphrasierenden und weithin akzeptierten Veränderung der Einschätzung der »Besonderheit Israels« einmal ab – liegt die Stärke des Buches kaum in seiner These zum Bilderverbot. Zum einen ist zu kritisieren, dass das Gespräch mit den Thesen zur Entwicklung des Bilderverbotes in Exegese und Religionswissenschaft nicht gesucht wird. Dadurch wirken die Ausführungen zum Bilderverbot einseitig und wissenschaftlich wie methodisch weitestgehend kontextlos. Mag man noch darüber hinwegsehen, dass für O. das Bilderverbot als exilisch entstanden betrachtet wird und ohne Vorgeschichte bleibt, so ist die fehlende Differenzierung zwischen YHWH-Bildern und Fremdgötterbildern in der Entwicklung ein wesentliches Desiderat. Auf der anderen Seite fehlt die Entwicklung der Ikonographie von Göttinnen, Göttern und Gottessymbolen in Israel und Juda von der Spätbronzezeit bis zur beginnenden Perserzeit vollständig. Diese hätte im Rückgang der anthropomorphen Darstellungen (spätestens) in der Eisen IIB-Zeit deutlichere Parallelen in der Entwicklung aufdecken können und wäre der eigentliche Vergleichsparameter gewesen. Schließlich ist für Mesopotamien die anthropomorphe Darstellung der Gottheiten in Kultbildern in Tempeln ein Kontinuum, das für Israel nicht gleichermaßen behauptet werden kann.
Der Rückgang der Tempel und größeren Heiligtümer in der Eisen II-Zeit einer­seits und die durch die Herausbildung der Monolatrie mehr und mehr schwindende Differenz zwischen Hauptgottheiten und niederen göttlichen Größen zum anderen hätten im Vergleich problematisiert werden müssen. Die Begrenzung auf die biblische Evidenz für Israel/Palästina ist ein unverständliches methodisches Desiderat der Studie. Schließlich ist – trotz partiellen Widerspruchs in jüngerer Zeit – nach wie vor davon auszugehen, dass der Jerusalemer Tempel YHWH-bildlos gewesen und geblieben ist. Die Stärke des Buches liegt in der Darstellung des Rückgangs anthropomorpher Darstellungen in der babylonischen und assyrischen Ikonographie des 1. Jt.s v. Chr. und der differenzierten Diskussion der Bildgattungen. Doch ist auch für die systematisierende Darstellung der mesopotamischen Evidenz die Frage zu stellen, ob der »Triumph des Symbols« tatsächlich unter das Rubrum eines de facto Anikonismus einzuordnen ist. Hier hat der Rezensent erhebliche Zweifel, womit die behauptete Vergleichbarkeit von mesopotamischer Entwicklung und Bilderverbotstexten noch einmal in Frage gestellt wird. Die Verschiebung des Nebeneinanders von anthropomorphen Darstellungen, von denen die Monographie reichlich Zeugnis gibt, und den nicht-anthropomorphen Repräsentationen ist zwar nachvollziehbar erläutert, doch bleibt es ein Nebeneinander. In Bezug auf Darstellung und Auswertung des Materials ist die 2006 erschienene, auf das 2. Jt. v. Chr. bezogene Darstellung der »Götterdarstellungen Mesopotamiens in der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends. Das anthropomorphe Bild im Verhältnis zum Symbol« von Michael Herles (AOAT 329, Münster 2006) umfassender und differenzierter.