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Ausgabe:

November/2007

Spalte:

1181 f

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ando, Clifford, and Jörg Rüpke [Eds.] assisted by S. Blake and M. Holban

Titel/Untertitel:

Religion and Law in Classical and Christian Rome.

Verlag:

Stuttgart: Steiner 2006. 176 S. gr.8° = Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge, 15. Kart. EUR 42,00. ISBN 978-3-515-08854-1.

Rezensent:

Ulrich Volp

»Wenn Zauberer die gleichen Dinge wie Heilige tun, dann erscheinen ihre Taten zwar gleich …, sie tun sie aber unter einem anderen Recht (diverso iure) … Zauberer handeln auf der Grundlage eines privaten Vertrages (per privatos contractus), gute Christen auf der Grundlage öffentlicher Rechtlichkeit (per publicam iustitiam) und schlechte Christen auf der Grundlage der Zeichen öffentlicher Rechtlichkeit (per signa publicae iustitiae)«. Wer Gedankengänge wie diese des Kirchenvaters Augustinus (De diversibus quaestionibus 79,1) verstehen möchte, kommt um das Studium der komplizierten Begrifflichkeit des römischen Rechts nicht herum. Welche Aspekte es dabei zu berücksichtigen gibt, demonstriert eindrück­lich das hier vorzustellende Buch, das untersucht, mit welchen bereits in der Einleitung in übersichtlicher Form benannten Prinzipien und Methoden das römische Recht der Republik und der Kaiserzeit die Religion erfasste. Indem es diese in einen Zusam­menhang mit den gesellschaftlichen Entwicklungen von der Zeit der Republik bis in byzantinische Zeit stellt, dokumentiert es einen von dem Erfurter Religionswissenschaftler Jörg Rüpke und dem Althistoriker Clifford Ando aus Los Angeles initiierten deutsch-amerikanischen Austausch, der auch lehrreich ist im Hinblick auf die unterschiedlichen Arten, sich diesseits und jenseits des Atlantiks mit diesen klassischen Fragen der Altertumswissenschaft auseinanderzusetzen.
Der Band beginnt mit den ältesten relevanten Quellen, die von John Scheid (Paris) besprochen werden, der auf die Zentralität des Rituals für die altrömische Religion hinweist. Es folgt eine Detailstudie Jörg Rüpkes über die spätrepublikanische lex Ursonensis und ihre Definitionen von Religion, öffentlichem Kult (sacra publica) und ihren Funktionsträgern (pontifices). Rüpke weist mit Recht auf die deutliche Grenzziehung zwischen öffentlicher und privater Religion hin, die für die römische Gesellschaft zur Zeit der Ausbreitung des Christentums so bestimmend gewesen ist. James B. Rives (Toronto) fügt dem eine Reflexion über den – seiner Ansicht nach uneindeutigen und vielschichtigen – Begriff der »Magie« in der lex Cornelia hinzu. Elizabeth Digeser (Santa Barbara) eröffnet die Diskussion über Texte aus christlicher Zeit, wenn sie sich die Prinzipien der Religionsgesetzgebung im Zusammenhang mit den in den Quellen gut dokumentierten Christenverfolgungen des 3. Jh.s vornimmt. Andrew Jacobs (Riverside) bespricht die Collatio Legum Mosaicarum et Romanarum, den Versuch einer spätantiken Synthese zwischen alttestamentlichem Gesetz und römischem Recht, der für ihn keineswegs als ein jüdischer, sondern als ein christlicher Text und mithin als Quelle christlich-römischer »Identitätsfindung« zu lesen ist. In Dorothea Baudys (Konstanz) Beitrag fällt ein deutlicher Schatten auf die anti-pagane Gesetzgebung des späten 4.Jh.s, die mit ihrem Verbot einzelner ritueller Praktiken (im Ge­gensatz zu dem Verbot bestimmter Glaubensrichtungen) in der Tradition römischer Kultgesetzgebung stand, aber nach Ansicht der Autorin unter den christlichen Kaisern »totalitäre« Züge erhält. Karl Leo Noethlichs (Aachen) zeigt im Zusammenhang mit der kaiserlichen Gesetzgebung gegen christliche Häretiker die juristische Komplexität des damaligen Vorgehens gegen nicht-orthodoxe Überzeugungen. Die Distanz zwischen theologischen und juris­tischen Aussagen hatte zweifellos auch etwas mit dem methodischen Konservativismus der Hofjuristen zu tun, die, wie Clifford Ando im abschließenden Beitrag demonstriert, sich nicht zuletzt in sprachlichen Kontinuitäten bzw. Anachronismen offenbart.
Dass Recht und Sprache eng zusammenhängen, trifft im Übrigen auch auf die heutige wissenschaftliche Auseinandersetzung zu: Angesichts der Internationalität des Projektes war es zweifellos richtig, den Band in englischer Sprache zu veröffentlichen, wobei dem deutschsprachigen Rezensenten (wieder einmal) auffällt, wie sehr dieses Forschungsgebiet eigene literarische Formen hervorgebracht hat, deren Erkenntnisse eng mit der verwendeten Sprache verbunden sind. Mommsens Römisches Strafrecht oder Kasers Privatrecht würden zweifellos ein erheblich anderes (unsystematischeres?) Bild des römischen Rechtes bei der Leserin und dem Leser hinterlassen, wenn sie ursprünglich in englischer Sprache verfasst worden wären. Auffälligerweise haben die hier vorliegenden Übersetzungen auf eine völlige Anglisierung der deutschen Beiträge verzichtet. Dies mag man kritisieren, aber die stellenweise sprachliche »Sperrigkeit« tut der Sache manchmal auch gut. Es ist diesen Beiträgen jedenfalls zu wünschen, dass sie auf diese Weise auch außerhalb Deutschlands Leserinnen und Leser finden werden.