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Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1124 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Park, Hyun-Chang

Titel/Untertitel:

Laien auf dem Weg der Evangelisation. Die »Gemeinschaft Christlichen Lebens« als geistliche Bewegung.

Verlag:

Würzburg: Echter 2006. X, 309 S. gr.8° = Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, 66. Kart. EUR 30,00. ISBN 978-3-429-02822-0.

Rezensent:

Johannes Zimmermann

Die Münchner Dissertation des in Korea als Pfarrer wirkenden Vf.s führt den Leser in Bereiche des Katholizismus hinein, mit denen auf evangelischer Seite weithin entweder Unkenntnis oder aber herzliche Abneigung verbunden sind: Geht es doch um die »Marianischen Congregationen«, die seit 1967 die Bezeichnung »Gemeinschaft Christlichen Lebens« (GCL) angenommen haben. Ihr Kennzeichen ist eine »spezifische christliche Lebensweise … aus dem Geist der Exerzitien« (175) ohne Vollmitgliedschaft im Jesuitenorden. Was die Arbeit für evangelische Leser spannend macht – das sei vorweggenommen –, ist die Frage nach dem Ort und der Stellung geistlicher Bewegungen innerhalb der Kirche und nach ihrem spezifischen Beitrag zum Auftrag der Kirche.
Im ersten Teil (7–99) stellt der Vf. die GCL in den größeren Zu­sammenhang der geistlichen Bewegungen. Er skizziert ihre Ent­wick­lung im 20. Jh. und gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Gruppen und Bewegungen innerhalb der römisch-katho­lischen Kirche. Das Schwergewicht liegt dann auf kirchenamtlichen Verlautbarungen zu den geistlichen Bewegungen seit dem II. Vaticanum (37–93). Insgesamt stellt dieser Teil eine hilfreiche und informative Einführung dar.
Der zweite Teil (100–175) befasst sich mit Geschichte der Marianischen Congregationen von ihrer Entstehung im 16. Jh. an. Die Zeit des Ultramontanismus im 19. und frühen 20. Jh., gekennzeichnet durch den Kampf gegen Modernismus und Liberalismus ebenso wie durch eine ausgeprägte Marienfrömmigkeit, interpretiert der Vf. als eine Entwicklung, »die ihrem ursprünglichen Geist nicht entsprach« (131). In der seit 1948 von Pius XII. angeregten Neuorientierung sieht er deshalb eine Rückkehr zu den ignatianischen Quellen. Wichtig sind dem Vf. dabei eine christozentrische Spiritualität und die Mitverantwortung der Laien für die Kirche. Zur »Selbstheiligung« tritt die »Weltheiligung«, »Die Spiritualität und das Apostolat der GCL sind wesentlich auf die Evangelisation« hingeordnet (178).
Die Darstellung des Selbstverständnisses der GCL (Teil drei, 175–272) erfolgt im idealisierten Indikativ (»Die GCL ist kein geistlicher Traditionsverein, sondern eine Gemeinschaft, die in der Zuwendung zur Gegenwart und im Blick auf die Zukunft das Erbe der Exerzitienspiritualität ausschöpft und weitergibt«, 182). Die Darstellung folgt der Trias von formatio, communio und missio. Leider bleibt die Letztere über eine Aufzählung von Kursen hinaus weithin unanschaulich – dabei wäre es gerade hier spannend zu erfahren, wie die »Sendung« der Laien und ihre »Evangelisation« konkrete Gestalt annimmt.
Es ist nicht schwer, die Arbeit zu kritisieren: Die Originalität der Gedanken ist ebenso wie die Distanz des Vf.s zu seinem Gegenstand begrenzt, darstellende Passagen überwiegen und vor allem im dritten Teil finden sich ermüdende Aufzählungen von Kongressen und Kursen. Die GCL wird in den Rahmen der geistlichen Bewegungen gestellt, ein weitergehender Theorierahmen wäre wünschenswert. Positiv zu vermerken sind die stupende Quellenkenntnis des Vf.s, der hohe Informationsgehalt der Arbeit und eine Reihe von Übersichten, die zu einer raschen Orientierung beitragen.
Für die evangelische Praktische Theologie gewinnt das Thema der Arbeit dadurch Relevanz, dass man in der GCL und weiteren geistlichen Bewegungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche eine Parallele zum innerkirchlichen Pietismus und den landeskirchlichen Gemeinschaften ebenso wie zur charismatischen Be­wegung in der evangelischen Kirche sehen kann. Gerade da­durch, dass in der römisch-katholischen Kirche manches »anders« ist, die Fragestellungen und Probleme jedoch weithin dieselben sind, enthält die Arbeit eine Reihe von Impulsen für eine evangelische Re­zeption: 1. grundsätzlich in der Frage nach dem Gegenüber von geistlichen Bewegungen auf der einen, Ortsgemeinden und Landeskirchen auf der anderen Seite – ein Thema, das z. B. im EKD-Impulspapier »Kirche der Freiheit« gänzlich ausgeblendet und auch sonst in der Praktischen Theologie eher stiefmütterlich be­handelt wird. Damit verbunden ist 2. auch die Spannung zwischen einer klaren innerkirchlichen Verortung einerseits, bei der GCL paradigmatisch formuliert in der Formel »sentire in et cum ecclesia«, und einer erstaunlichen Eigenständigkeit andererseits. An der Arbeit ist schließlich 3. erkennbar, dass der Vf. im Vorhandensein geistlicher Bewegungen nicht primär ein Problem sieht, sondern ein Potential, das einen wichtigen Beitrag zum Auftrag der Kirche leisten kann: zu ihrer communio ebenso wie zu ihrer missio. Anregend ist auch die Erweiterung dieses Gegenübers durch die formatio: Es geht um die auf evangelischer Seite noch deutlich ausbaufähige Aufgabe, für die geistlich-spirituelle Bildung in der Kirche Sorge zu tragen.