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Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1079–1081

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Fédou, Michel

Titel/Untertitel:

La voie du Christ. Genèses de la christologie dans le contexte religieux de l’Antiquité du IIe siècle au début du IVe siècle.

Verlag:

Paris: Cerf 2006. 553 S. 8° = Cogitatio fidei, 253. Kart. EUR 44,00. ISBN 978-2-204-08137-5.

Rezensent:

Ekkehard Mühlenberg

Der Vf. setzt sich mehrere Ziele, aber der Gegenstand seiner Darstellung ist das Christuszeugnis in den Schriften derer, die im 2. und 3. Jh. den »Weg des Christus« für sich gewählt haben. Mit der Frage nach der Behauptung der Einzigartigkeit des Christusereignisses inmitten der kulturellen und religiösen Vielfalt der antiken Mittelmeerwelt begrenzt und gliedert der Vf. die Fülle des Stoffes. Die Einzigartigkeit sei »das geschichtliche Ereignis Jesus von Nazareth, geboren an bestimmtem Ort und zu bestimmter Zeit, gestorben unter Pontius Pilatus, auferweckt von den Toten, geglaubt als der Sohn Gottes, der zum Heil der ganzen Menschheit gekommen ist« (11). Da das Zeugnis für die Einzigartigkeit des Christusereignisses an konkrete Situationen gebunden sei, sucht der Vf. in den Texten nach den Vorwürfen und Einsprüchen, auf welche die frühen christlichen Autoren antworten; er sortiert die kulturellen und religiösen Gruppierungen, denen geantwortet wurde, und er hält fest, inwieweit das Verstehen des »Chris­tusgeheimnisses« über die biblischen Schriften hinaus entfaltet wurde. Absage und Anknüpfung könnte man die Kategorien seiner Untersuchungen nennen, und insbesondere ist ihm an der universalen Perspektive aller Re­chenschaft über den Christusglauben ge­legen. Die Gruppierungen im antiken Pluralismus, wie der Vf. sich ausdrückt, sind heidnische religiöse Praktiken und heidnische Philosophie, jüdische Religion und judenchristliche Strömungen, Gnostizismus und letztlich öf­fentliche Verfolgung. Als Bereiche, in denen sich das Christuszeugnis entfaltet und wegen der Kontinuitäten auch entwickelt, nennt der Vf. die Apologie, die dogmatische Christologie und die Spiritualität; in diesen drei Bereichen, die »axes« genannt werden, gebe es Entwicklungsergebnisse, die die heutige Suche nach einer Bezeugung des »Weges des Christus« im »interreligiösen Dialog« nicht achtlos übergehen sollte.
Ich habe teils mit eigenen Worten, teils mit den Begrifflichkeiten des Vf.s die Einleitung (11–30) und die abschließende Zusammenfassung (523–540) referiert. Der Vf. spricht Patristiker (und Kirchengeschichtler) nur insofern an, als sie einerseits zu beurteilen haben, ob der Überblick sachgemäß ist, andererseits aufmerksam das Einbringen in die heutige Debatte verfolgen werden. Der Vf. sichert die Sachgemäßheit dadurch, dass er literargeschichtlich einteilt, in sieben etwa gleich langen Kapiteln (ca. 70 Seiten) in die gesamte schriftliche Hinterlassenschaft bis Anfang des 4. Jh.s einführt und ausgewählt einzelne Schriften ausführlich nach dem Christuszeugnis ihres Autors befragt. Es gelingt, die Vielfalt der Sprachformen zu vermitteln, besonders im 1. Kapitel (Les commencements de la littérature chrétienne: die apostolischen Väter in Briefen und Liturgie, die apokryphen Schriften von Evangelien, Acta und Apokalypsen, christliche Dichtung und Märtyrerberichte). Es gelingt auch, einige Lichtpunkte zu setzen; denn es wird umfangreich zitiert, so dass man dem Originalausdruck der Christuszeugnisse nahegebracht wird.
Zwei Akzente seien in Französisch notiert. »L’œuvre de Justin at­teste admirablement la manière dont le débat avec le monde païen et avec le judaïsme a pu contribuer au développement d’une christologie qui était inséparablement une théologie du Logos. Mais on n’oubliera pas qu’un tel développement a été d’abord occasionné par l’expérience d’une conversion et que cette conversion, tout à la fois, a ouvert l’apologiste à la contemplation du Logos préexistent et l’a conduit à témoigner jusqu’au bout de sa fidélité au Verbe fait chair – jusqu’au bout, c’est-à-dire jusqu’à l’heure où il deviendrait philo­sophe et martyr …« (130 f.). In Bezug auf des Origenes Text (C. Cels. III 28): »… on y trouve d’abord l’allusion à la kénose du Fils (la puissance qui est descendu jusqu’à la nature humaine), puis le thème de l’union entre les deux natures (la nature divine et la nature humaine ont commencé à s’entrelacer), enfin le mouvement de remontée qui est ouvert à la nature humaine – les disciples de Jésus étant appelés à l’amitié pour Dieu et à la communion avec lui. L’Incarnation est tout entière ordonnée au salut lui-même entendu comme divinisation …«, ähnlich wie Irenäus (400 f.). Ich erinnere daran, dass A. von Harnack diesen Origenestext breit unterstrichen und ausgewertet hat.
Die Darstellung des Stoffes endet mit dem Christuszeugnis der Wüstenväter, exemplifiziert an der Vita Antonii. Der Vf. sieht in der Figur des Antonius den apologetischen Gedanken des Origenes erfüllt, dass die Gegenwart des Göttlichen (»la présence du divin«) sich in dessen anachoretischer Lebensform manifestiert; mit der Situation, in der sich dieses Christuszeugnis entwickelt, befassen sich die Mutmaßungen von Peter Brown über die heiligen Männer im 3. Jh. Es entstand (im Gespräch mit Peter Brown?) eine neue Sprache über Christus: »renouvelé, c’est-à-dire rendu à la nouveauté même du langage de l’Évangile, et rapportant dans son style même les pa­roles et les actes de ceux qui ont entendu l’appel à devenir eux-même d’autres christs« (521).
Das umfassende Buch belegt mit seinen ausführlichen Zitaten, dass die Literatur des 2. und 3. Jh.s eine Fülle von schön und einfallsreich formuliertem Christuszeugnis enthält. Die Einbettung in die jeweilige historische »Gesprächssituation« (mein Ausdruck) bewahrt vor naiven Verallgemeinerungen. Ich gestehe, dass mir das SJ-Sensorium des Vf.s fehlt, um den Nutzen für die Patristik zu erfassen.