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Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1057–1059

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Panesar, Rita

Titel/Untertitel:

Medien religiöser Sinnstiftung. Der ›Volkserzieher‹, die Zeitschriften des ›Deutschen Monistenbundes‹ und die ›Neue Metaphysische Rundschau‹ 1897–1936.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2006. 284 S. m. Abb. gr.8° = Religionswissenschaft heute, 2. Kart. EUR 38,00. ISBN 978-3-17-019038-2.

Rezensent:

Hisham Hapatsch

Sinnstiftungsangebote, die in Zeitschriften vermittelt wurden: Welche Rolle spielten sie zu Beginn des 20. Jh.s? Dieser Frage hat sich die Religionswissenschaftlerin Rita Panesar in ihrer Dissertation angenommen. Sie untersucht, wie in diesen Medien Inhalte vermittelt wurden und ein Zusammengehörigkeitsgefühl gestiftet wurde. Besonderes Augenmerk richtet sie dabei auf Prozesse, die diese Sinnstiftungsangebote intensivieren wollten. P. begreift da­bei Religion als kommunikativen Prozess (vgl. 18–41).
In ihrer Untersuchung konzentriert sich P. auf deutsche Zeitschriften, die im Alternativmilieu des ausgehenden Kaiserreiches und der Weimarer Republik erschienen sind. So analysiert sie etwa den »Volkserzieher« (42–98), eine von 1897 bis 1936 erschienene Publikation des Volksschullehrers Wilhelm Schwaner. Neben dieser völkisch und deutsch-national geprägten Zeitschrift untersucht P. auch die verschiedenen Zeitschriften, die der »Deutsche Monistenbund« zwischen 1906 bis 1933 herausgegeben hat (99–161). Gerade im ausgehenden Kaiserreich war diese Organisation die führende Institution im freigeistigen Milieu. Als Drittes widmet sich P. der »Neuen Metaphysischen Rundschau« (162–208). Diese von 1897 bis 1917 erschienene Publikation ist der theosophisch-esoterischen Szene zuzurechnen.
Alle Publikationen wirkten in einer Zeit und Szene, in der Sinnfindung eine individuelle Aufgabe war. Dies hatte ein erhöhtes Bedürfnis nach sozialer Bestätigung zur Folge. Die bloße Lektüre einer Zeitschrift konnte dieses nicht immer befriedigen. Deswegen entstand der Wunsch, das Sinnstiftungsangebot durch Gemeinschaftserlebnisse zu intensivieren, etwa durch Wanderungen, Sonnenwendfeiern oder Kongresse. Diese Gemeinschaftserlebnisse wurden dann durch festere institutionalisierte Formen wie etwa Schwaners »Deutschmeisterorden« ergänzt.
Die alternativ-kulturelle Szene war sehr vielfältig. Dadurch wurden die jeweiligen individuellen religiösen Orientierungen – auch die der Zeitschriften – immer wieder mit alternativen Entwürfen konfrontiert. So stellte sich ihnen immer neu die Frage, wie sie mit dieser Pluralität umgehen sollten, ohne ihr eigenes klares Profil zu verlieren. Desgleichen standen die Sinnstiftungsangebote unter der Spannung, einerseits eine religiöse Innerlichkeit in kleiner Gemeinschaft pflegen zu wollen, andererseits aber auch ge­samtgesellschaftlichen Einfluss anzustreben. Welcher Teil der jeweiligen beiden Spannungsbögen betont wurde, war abhängig von der jeweiligen historischen Lage (Erster Weltkrieg) oder dem Konkurrenzdruck durch andere Sinnstiftungsangebote.
P. zieht aus der Analyse der Zeitschriften den Schluss, dass die Säkularisierungsthese, nach der sich Religion in der Moderne im­mer mehr in den Privatbereich zurückziehe, nicht zutreffend ist. P. versucht, ihre Forschungsergebnisse zu zeitgenössischen (religions-)soziologischen Kategorien und Typisierungen (etwa von Ernst Troeltsch, Max Weber oder Ferdinand Tönnies) in Beziehung zu setzen (209–219). Letztlich hält sie diesen Weg aber nicht für fruchtbar. So versucht sie in einem abschließenden Kapitel (220–237), aus den Quellen selbst ein Beurteilungsschema zu ge­winnen. Dabei orientiert sie sich an den beiden bereits skizzierten Spannungsbögen, die sie mit den Stichworten »orthodox-pluralistisch« und »emanzipatorisch-affirmativ« charakterisiert und in einem Kreisdiagramm anordnet. So kann sie die jeweilige Verortung in eine eher pluralistische oder uniforme, in eine eher emanzipative oder affirmative Gewichtung visualisieren. Ihre Kategorisierung orientiert sich also weniger an inhaltlichen Aussagen der Sinnstiftungsangebote als an der Art, wie sie sich präsentieren und kommunizieren. Hier schließt sich der Bogen zur einführenden Bemerkung von P., Religion sei ein kommunikatives Geschehen. Die Bedeutung ihres – trotz kleinerer stilistischer Mängel gut les­baren und lesenswerten – Buches liegt darin, das Verhältnis von Medien und religiöser Vergemeinschaftung und die Rolle von Kommunikationsstrategien verstehbar und transparenter ge­macht zu ha­ben .– Interessant wäre es, P.s Forschungsergebnisse mit weiteren Vergemeinschaftungsprozessen in Beziehung zu setzen, etwa mit dem der Zeugen Jehovas – dem wohl bekanntesten Beispiel einer Religionsgemeinschaft, die sich aus einer Zeitschrift heraus entwickelt hat.
P. ist eine interessante Arbeit gelungen, die den Leser einlädt, ihre Forschungsergebnisse auf modernere Medien wie etwa das Internet zu übertragen. Eine Arbeit also, die zum Weiterdenken und Weiterforschen viele Anregungen gibt.