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Ausgabe:

Oktober/2007

Spalte:

1049 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Brüning, Volker Fritz

Titel/Untertitel:

Bibliographie der alchemistischen Literatur. 3 Bde.

Verlag:

München: Saur 2004–2007. Bd. 1: Die alchemis­tischen Druckwerke von der Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Jahr 1690. 2004. XII, 500 S. m. Abb. 4°. Lw. EUR 248,00. ISBN 3-598-11603-9. Bd. 2: Die alchemistischen Druckwerke von 1691 bis 1783. 2006. XIV, 500 S. m. Abb. 4°. Geb. EUR 248,00. ISBN 3-598-11604-7. Bd. 3: Die alchemistischen Druckwerke von 1784–2004. Register, Nachträge. 2007. XXV, 490 S. m. Abb. u. Tab. 4°. Geb. EUR 248,00. ISBN 978-3-598-11605-6.

Rezensent:

Marco Frenschkowski

Der geistes- und kulturgeschichtliche Ertrag einer Beschäftigung mit der Geschichte der Alchemie ist weitaus größer, als es aus ihrer meist nur beiläufigen Erwähnung in theologiegeschichtlichen Werken ersichtlich ist. Die religiöse Interpretation der Ma­terie und ihrer Wandlungsprozesse, die initiatorische und soteriologische Symbolik der Alchemie sind ein Kapitel der Religionsgeschichte des Abendlandes, dessen (komplementäre?) Zusam­menhänge mit der Theologiegeschichte noch wenig erforscht sind.
Der Vf. dieser monumentalen Fleißarbeit hat die ers­te auf Vollständigkeit angelegte Bibliographie der alchemistischen Druck­werke im Abendland vorgelegt. 7274 Titel werden detailliert be­schrieben, oft bereichert um Kurzbiographien der Autoren und viele Titelabbildungen. Für die meisten Bände werden zudem nahezu alle Signaturen aller in europäischen Bibliotheken vorhandenen Exemplare nachgewiesen, eine schier unglaubliche Arbeit, die allein schon dieses Werk zum unentbehrlichen Handwerkszeug aller künftigen Alchemieforschung machen wird. Allerdings sind gerade im ersten Band Druckfehler noch sehr häufig; ent­sprechend lang ist die Liste der Korrekturen in Bd. 3. Es sind dies merkwürdigerweise offenbar meist Fehler, die nicht mit der Titel­aufnahme zusammenhängen, sondern mit der Endkontrolle vor Drucklegung, die auch in Bd. 3 noch nicht völlig befriedigend ist. Da aber noch niemand in der Geschichte der Erforschung der Alchemie ein auch nur entfernt vergleichbares Werk vorgelegt hat, wiegt dies wenig gegenüber der Dankbarkeit für die geleistete Arbeit. Nachträge, umfassende Register, Verzeichnisse zur Sekundärliteratur und andere Beigaben (etwa Verzeichnisse der Widmungsempfänger und der Anonyma) runden die Bände ab. Der Vf. versteht die Alchemie als »ganzheitliche« Wissenschaft (1,V), deren Bedeutung sich selbstverständlich nicht in der einer Vorläuferin der Chemie erschöpft. Dabei ist sein Werk erfreulich wenig theorielastig, sondern ganz an der Erhebung der bibliographischen und biographischen Fakten orientiert. Das wird seinen Nutzen auf Jahrzehnte sichern. Zahlreiche Ausführungen zu einzelnen Bü­chern sind im Grunde kleine Aufsätze in nuce (z. B. 1,29 über den Erstdruck der Tabula Smaragdina; 2,206 f. über den Jesuitenalchemisten Guillaume-Hyacinthe Bougeant; 3,10 über Cagliostro in Warschau; 3,98 zu Hermann Silberer, der nach S. Freuds vernichtender und unfairer Kritik seiner Studie zum Thema 1923 Suizid beging, oder 1,50 f. – nicht fehlerfrei – über John Dee). Auch die Inhalte und Druckgeschichte der großen alchemistischen Sammelwerke des 17. Jh.s werden ausführlich referiert.
Für eine Geschichte der alchemistischen Literatur (deren künftige Bearbeitung freilich Kenntnis vieler Sprachen voraussetzt, nicht zuletzt des Arabischen und Chinesischen) ist ein zentrales Hilfsmittel geschaffen. Die Zahl theologisch relevanter Autoren zum Thema Alchemie von Thomas von Aquin über Jakob Böhme (der Alchemistisches nur als Symbolchiffre verwendet) und Karl von Eckartshausen bis zu Johann Salomon Semler ist erstaunlich. Wer weiß schon, dass Savonarolas Großvater einer der führenden Hofalchemisten seiner Zeit war? Gerade die immense alchemistische Literaturproduktion noch im 18. Jh. wird erst jetzt wirklich in ihrem Umfang überschaubar, als die Alchemie längst Symbolrepertoire eines esoterischen Christentums geworden war, dessen kultureller Platz neben dem kirchlichen Christentum in der jüngeren Forschung immer deutlicher gesehen wird.
Für die allgemeine Kulturgeschichte sind nicht nur die alchemis­tischen Lehrinhalte wichtig geworden, sondern auch das reiche Er­zählgut, das sich mit den Praktizierenden und Förderern der Alchemie verbindet. Die reichhaltigste Sammlung speziell hierzu ist Karl Christoph Schmieder, Geschichte der Alchemie (Halle 1832), Wiesbaden 2005, in neu gesetzter Ausgabe vom Rezensenten herausge­geben und mit einem Vorwort versehen, worauf hier beiläufig hingewiesen werden darf. Wenn für andere kulturell vergangene Wissenschaften ähnlich umfassende Bibliographien wie diese vorlägen, wäre nicht nur der Wissenschaftsgeschichte gedient, sondern der Platz dieser kulturellen Erscheinungen könnte sehr viel präziser eingeschätzt werden. Alle Sachkundigen werden gegen­über dem Vf. der vorliegenden Bibliographie tiefen Dank empfinden.