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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1182 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hober, David

Titel/Untertitel:

Die Radiopredigt. Ein Beitrag zur Rundfunkhomiletik.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1996. 238 S. 8° = Praktische Theologie heute, 25. Kart. DM 49,­. ISBN 3-17-014437-5.

Rezensent:

Friedrich Winter

Diese katholische Dissertation aus Bonn will die stagnierende rundfunkhomiletische Debatte neu beleben. In einer Bestandsaufnahme erfolgt ein Einblick in "Situation und Forschungsstand kirchlicher Verkündigung im Hörfunk"(1. Teil, 15-98). Erste Gehversuche gibt es seit 1924; doch erst mit dem föderativen Aufbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bundesrepublik werden die Kirchen als Mitberater sowie durch Gestaltung eigener Sendungen präsent. Neue Dringlichkeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen, entstand mit dem Aufkommen des Privathörfunks 1984.

Nach anfänglicher Skepsis schon seit dem 19.Jahrhundert sind nach Pius XII. erster Äußerung 1957 weitere positive Ansätze zur Deutung der Medien in verschiedenen Enzykliken zu finden. Dabei läßt sich eine mehr autoritäre von einer mehr dialogischen Einstellung unterscheiden. Der Vf. bevorzugt unter dem Eindruck des Vaticanum II letztere, nach der sich die Kirchen im Rundfunk durch demokratische Mitwirkung und qualitätsvolle Eigenleistung zu bewähren haben, ohne unbillige Forderungen zu erheben. ­ Die rundfunkhomiletische Diskussion hat sich seit 1945 überwiegend auf evangelischer Ebene vollzogen und zeigt unter den Praktischen Theologen eine große Gemeinsamkeit. Im Ergebnis fordert der Vf., daß die Kirche sich ohne Scheu in die Hörer- und Programmwelt hineinzubegeben hat, wenn sie Akzeptanz behalten will.

Im nächsten Teil ist die Rede "Von den Bedingungen verkündigender Rede in einer mediengeprägten pluralistischen Gesellschaft" (2. Teil, l97-166). Hier werden eine Fülle von empirischen Untersuchungen aus dem Umfeld des Westdeutschen Rundfunks vorgeführt. Drei unterschiedliche Hörergruppen benutzen in den verschiedenen Programmen das Radio am Morgen zwischen "Routine, Ritual und emotionaler Stütze" (117), um sich unterhalten zu lassen. Es geht hier bedarfsorientiert zu.

Plastisch wird beschrieben, wie die Rundfunkansprache in der Frühe in eine bestimmte Sendefolge eingebettet ist, wo Musik dominiert und Redespots das Feld beherrschen. Der Vf. plädiert für eine "transaktionale Sichtweise von Kommunikation" (154), aus der rundfunkhomiletisch zu folgern ist, daß alle "beteiligten Faktoren wie Kommunikator, Medien, Botschaft, Rezipient" (165) zu beachten sind. Er warnt davor, nur den Rundfunkprediger im Auge zu haben.

Ein abschließender Teil zeigt "Umrisse zu einer Rundfunkhomiletik" (3. Teil, 167-222). Hier entwickelt der Vf. verschiedene Theorieperspektiven in der katholischen Mediendiskussion. Sie beginnt mit dem Neuaufbau der publizistischen Arbeit nach 1945 und endet beim heutigen Selbstverständnis der katholischen Kirche im Blick auf die Medienbereiche Literatur, Fernsehen und Rundfunk. In einer dogmatisch gehaltvollen Reflexion zum Thema "Kirche und Verkündigung" (185) wird entfaltet, daß eine trinitarisch weite, beim Wirken des Geistes einsetzende Verkündigungslehre die beste Voraussetzung für eine dialogisch-missionarische Rundfunkhomiletik bietet. Gottes Communicatio mit Kirche und Welt leitet zu einem analogen Verhalten auch in der Welt des Rundfunks an. Zum Schluß plädiert der Vf. für eine innovative, von Erfahrungen durchtränkte ethisch-appellative Verkündigung, die naive Moralismen unterläßt. ­ Einen besonderen Hinweis verdient das ausführliche Literaturverzeichnis (223-238).

Bei einer Würdigung der Arbeit sei auf folgendes verwiesen: 1. Der Vf. vertritt, wenn auch nicht immer ausgeglichen, eine komplexe Bearbeitung des rundfunkhomiletischen Feldes. In ihm muß sich die Kirche theologisch verantwortlich, medien- und hörernahe in dialogischer Mitwirkung bewegen. Qualität geht vor Behauptung von Rechtspositionen. 2. Die vielen Sprachräume, die der Vf. zwischen theologischen und mediengerechten Überlegungen durchwandert, zeigen viele Denkansätze, ohne daß er schon immer zu einer sie alle verbindenden eigenen Sprache gelangt ist. Er bietet noch keine ausgefeilte Rundfunkhomiletik, sondern erst Umrisse dafür. Aber auch das ist bereits viel. 3. Die Bewegung zwischen einer allgemeinen kirchlichen Medienlehre, die auch Presse und Fernsehen einschließt, und der konkreten Rundfunkhomiletik wirkt nicht immer ausgeglichen. 4. Faktisch beschränkt sich Vf. darauf, die drei Andachtstypen am Morgen im WDR zu analysieren. Was ist von den sonntäglichen Gottesdiensten zu sagen, was über kulturelle Beiträge und kirchliche Nachrichten unter kerygmatischem Aspekt? Der Mikrokosmos der Rundfunkwelt ließe sich noch genauer aufschließen. 5. So sehr der weite trinitarische Ansatz zu diskutieren ist: Ist das Verhältnis zwischen Gottes Communicatio und dem Vorgang der Rundfunkpredigt nicht doch auch von Divergenzen durchzogen, die eben nicht analogiefähig sind? 6. Führt die Betonung der ethisch-appellativen Redeform nicht doch letztlich zu einer Reduktion möglicher Ausdrucksformen der Rundfunkpredigt? Eine konsolatorische, entlastend wirkende Rundfunkpredigt sollte doch auch befreiende Züge gewinnen. 7.

Alles in allem: Ein geduldiger Leser erhält instruktive Einblicke in Stand und Diskussion der Rundfunkhomiletik. Sie wird ökumenisch weit und offen geführt.