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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1177 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Dawn, Marva J.

Titel/Untertitel:

Reaching out without Dumbing down. A Theology of Worship for the Turn-of-the-Century Culture.

Verlag:

Grand Rapids, Mich.: Eerdmans 1995. XI, 316 S. gr.8°. Kart. $ 16,99. ISBN 0-8028-4102-3.

Rezensent:

Bruno Bürki

Das Buch von Marva J. Dawn tritt im Untertitel mit einem großen Anspruch auf: Eine Lehre vom Gottesdienst in der Kultur der Jahrhundert- resp. Jahrtausendwende ­ Entwicklung ohne Verflachung. Der Vf. des Vorwortes, der amerikanische Kirchenhistoriker Martin E. Marty, vermerkt, daß die Autorin sich die Sache nicht leicht macht, etwa mit gutgemeinten Ratschlägen zur kirchlichen Imageverbesserung. Vielmehr werden Kultur und kirchlicher Gottesdienst unter verschiedenen Gesichtspunkten miteinander in Beziehung gebracht. Die Kirche, von der hier die Rede ist, wird nicht näher bezeichnet ­ es handelt sich offensichtlich um protestantische Gemeinden verschiedener Denominationen. Das Buch ist nicht für theologische Spezialisten geschrieben, sondern möchte allgemeinverständlich sein.

Im ersten Teil wird das Nebeneinander von nordamerikanischer Gegenwartskultur und Gottesdienst der Kirche in schwierigen Zeit, in der insbesondere die Kinder Anleitung nötig haben, hingestellt. Der zweite Teil handelt von der kulturellen Bedrängnis des Gottesdienstes. Dann kommt die Rede auf die Eigenkultur des Gottesdienstes: "Was steht für die christliche Gemeinschaft auf dem Spiel?" Ein weiterer Teil, dem spezielle Aufmerksamkeit zu widmen ist, widmet sich der Kultur im Gottesdienst. Der letzte Teil gilt dem Gottesdienst zum Wohl der Kultur. Hier wird das Anliegen der Autorin abschließend thematisiert.

Im Anhang findet sich eine Auswahl von Kinderpredigten zur überlieferten Liturgie, in Stichworten, als Illustration des Unternehmens. Solche Verifikation auf konkreter Ebene ist erhellend. Die lange Liste der verwendeten Literatur umfasst vor allem nordamerikanische Autoren mit ihren Büchern und Artikeln zu verschiedensten gottesdienstlichen Anliegen unserer Zeit. Luther kommt als Reformator und Rudolf Otto wegen seines Begriffes des Heiligen ins Gespräch. Bemerkenswert ist der ausführliche Bezug auf Gedanken und Schrifttum des Franzosen Jacques Ellul (1912-1994), der als Philosoph, Laientheologe und Kulturkritiker eine große Rolle im französischen reformierten Protestantismus gespielt hat. Aus jüdischer, zum Protestantismus bekehrter Familie stammend, ist Ellul ein Gewissen für die Reformierten in einer Zeit von kulturellem Umbruch und politischer Bedrängnis gewesen. Es ist bezeichnend für das Unternehmen von D., daß sie sich gerade auf diesen zeitgenössischen Denker stützt.

Zur Eigenkultur des Gottesdienstes gehört nach der Vfn. nicht Anpassung oder Marktkonformität, sondern ein eindeutig biblisch-theologisches Zeugnis für den im Gottesdienst gegenwärtigen Gott Jesu Christi. Der Gottesdienst soll den Übeln der Zeit deutlich widersprechen und inklusiv nicht bloß in der Sprache, sondern in tatsächlich offener Gemeinschaft sein. Unter Berufung auf die traditionelle Liturgie, wie das Book of Common Prayer, aber auch die erneuerten Liturgiebücher von Presbyterianern, Methodisten oder der United Church of Christ sie übernommen haben, und eine betont kirchliche Bekenntnistheologie, wie bei Karl Barth, wird eine unverkennbare und eindeutige kirchliche Kultur ins Auge gefaßt. Öffentliches Zeugnis und nicht Wohlbefindlichkeitspflege der zeitgenössischen Persönlichkeit ist kirchlicher Auftrag. Das Anliegen wird ohne Agressivität oder Effekthascherei vorgetragen ­ vielleicht wird die Sache aber hier oder dort auf einen zu einfachen Nenner gebracht.

Die drei Kapitel des mit "Kultur im Gottesdienst" überschriebenen Teils stellen konkret dar, was nach der Meinung der Autorin in einer verantwortlichen Gottesdienstgestaltung angestrebt werden müßte. Eine musikalische Praxis, die für den einzelnen charakterbildend und für die Gemeinschaft aufbauend ist, weil Gott Subjekt und Objekt gottesdienstlicher Musik ist. Ob die auf das Heil in Christus zentrierte Predigt des Wortes ­ in einer Hermeneutik der Bekräftigung und nicht der Entfremdung ­ wirklich auf den Nenner gebracht werden soll: "Worship ought to kill us ­ and then enfold us in new life" (240)? Kein Heil ohne Sterben. Über Ritual, liturgische Form und Kunst finden wir unsern Platz in der Geschichte von Gottes Volk, das durch die Zeiten wandert. Es werden einfache, aber theologisch fundierte Hinweise zum Umgang mit der sonntäglichen Eucharistie, aber auch mit gottesdienstlicher Stille angeboten (262 ff.)

Das Erfreulichste an diesem theologisch motivierten und praxisorientierten Buch zum protestantischen Gottesdienst ist die konkrete Ermutigung zur Feier, zu der die Gemeinde von Gott geladen ist.