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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1160 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Meyer-Wilmes, Hedwig

Titel/Untertitel:

Zwischen lila und lavendel. Schritte feministischer Theologie.

Verlag:

Regensburg: Pustet 1996. 183 S. 8°. Kart. DM 28,­. ISBN 3-7917-1442-2.

Rezensent:

Marianne Grohmann

Diese "feministische, praktische Fundamentaltheologie" (7) beruht auf Einführungsvorlesungen von M.-W. zur feministischen Theologie an der katholischen Universität Nijmegen. M.-W. gibt einen Überblick über die wichtigsten Positionen und Arbeitsgebiete feministischer Theologie, wobei sie exemplarische historische Darstellung, gegenwärtigen Diskussionsstand und eigene Positionierung miteinander verbindet. Entsprechend der Lokalisierung feministischer Theologie an der Grenze zwischen Bewegung und Wissenschaft, zwischen Theorie und Praxis ist das Buch in allgemein verständlicher Sprache verfaßt, es enthält neben theoretischen Analysen meditative Reflexionen und fiktive, aus Anfragen von Studierenden hervorgegange Dialoge. Den Titel "Zwischen lila und lavendel" wählt M.-W. in Anlehnung an die Womanistin Alice Walker: "Womanish ist im Vergleich zu feministisch wie lila zu lavendel" (7,8). Ihre eigene Deutung dieser Nuancen ­ "Feministisch ist für mich im Vergleich zu christlich wie lila zu lavendel" (8) ­ bleibt allerdings unklar.

M.-W. versteht unter feministischer Theologie keine Theologie "der Frau" oder "des Weiblichen", sondern eine die Geschlechterdifferenz in den theologischen Diskurs einbeziehende Theologie mit dem "Wagnis des zweifachen Blicks" (45): gleichzeitig androzentrisch und frauenzentriert, patriarchatskritisch.

Beispiele aus der philosophischen, feministischen Diskussion der Kategorie Geschlecht reichen von Simone de Beauvoirs (1949) Analyse der kulturellen und sozialen Bedingtheit des weiblichen Geschlechts über die Forderung einer Subjektivität jenseits von biologischer und geschlechtlicher Identität, "Mut zum Sein" bei Mary Daly (1968) bis zu Judith Butlers (1991) Position, wonach Körper eine "Bezeichnungspraxis", "diskursive Konstruktion" ist und erst durch Sprache geschaffen wird. Im Spannungsfeld zwischen Egalitäts- und Differenzfeminismus plädiert M.-W. für eine plurale Logik des Gleichheitspostulates, die sowohl aufzeigt, daß die allgemeinen Menschenrechte den Mann als Maßstab setzen, als auch die realen sozialen, ethnischen und religiösen Differenzen zwischen Frauen ernstnimmt.

In ihrem Gang durch Positionen feministischer Hermeneutik klassifiziert M.-W. 3 Typen: Eine "Aschenputtel-Hermeneutik" forscht nach "großen Frauen", benennt einzelne frauenfreundliche Texte in Bibel und Tradition und sortiert frauenfeindliche aus (z. B. Anne Jensen); eine "Kassandra-Hermeneutik" rekonstruiert eine Art "weiblichen Kanon" von Frauentexten, fragt nach den Möglichkeiten eines "weiblichen Autors" (z. B. Fokkelien van Dijk); eine "Amanda-Hermeneutik" bezieht den Aspekt der Rezeptionsgeschichte in den Auslegungsprozeß ein (z. B. Marie-Theres Wacker). Feministische Hermeneutik ist "eine Interpretationspraxis, die Einschluß bzw. Ausschluß von Frauen aufgrund ihres Geschlechtes in Bildern, Texten, kirchlicher Praxis und Geschichte des Christentums aufzeigt und gegebenenfalls überwinden möchte" (54). Kennzeichen feministischer Exegese sind: Methodenpluralismus, Ansatz bei der Auslegungsgeschichte, Hermeneutik des Verdachts und Reflexion des Aneignungsprozesses von Texten im Hinblick auf die LeserInnenidentität.

Ein Kernpunkt feministischer Theologie ist die Kritik an der Dominanz männlicher Gottesbilder und dualistischer Gottesbegriffe. M.-W. geht es in der Gotteslehre vor allem um 3 Aspekte: Ernstnehmen der Erfahrung der Abwesenheit Gottes in einer säkularen Welt, die nicht einfach durch Betonung weiblicher Gottesbilder aufgehoben werden kann; Bezug auf die Texte aus Bibel und Tradition, die als eine Art "Geländer" dienen können; die therapeutische Bedeutung eines Abarbeitens an ambivalenten, d.h. Gewalterfahrungen von Frauen bestärkenden, christlichen Gottesbildern. Sie plädiert für "eine Art Bildermoratorium, um die Frage nach dem Göttlichen offen zu halten" (109).

Im Kapitel zur Anthropologie stellt M.-W. Karl Barth und Simone de Beauvoir einander gegenüber: Positiv für feministische Rezeption ist an Barths Position (KD III,4), daß er die Gleichwertigkeit von Mann und Frau als menschliche Wesen im Gegenüber zu Gott betont. Problematisch ist aber seine "Verquickung von menschlich-patriarchaler und göttlicher Ordnung" (117). Hier ist die Unterscheidung von kulturell aufgepfropfter Geschlechtsidentität, biologischer Identität und universaler Subjektivität bei Simone de Beauvoir ertragreicher für eine feministische Anthropologie. Ergebnis der Debatte um feministische Ethik zwischen feministisch-materialistischer Analyse und der Frage nach einer sog. "weiblichen" Moral (z. B. Carol Gilligan) ist das Aufbrechen der Polarität von öffentlichem und privatem Bereich, wobei die Arbeit von Frauen meistens zweiterem zugeordnet wurde.

Für die kirchliche Praxis nimmt M.-W. die Konzeption einer "Frauenkirche", einer "ekklesia of wo/men" als "kritische Praxis und Vision einer radikalen Demokratie in Gesellschaft und Religion" (141), als "Nachfolgegemeinschaft von Gleichgestellten" von Elisabeth Schüssler-Fiorenza auf und hofft damit auf einen Ausweg aus dem ­ durch empirische Untersuchungen erhobenen ­ Selbstverständnis vieler Frauen vor allem in der katholischen Kirche als "eingeschlossene Ausgeschlossene" (140), "zwischen Engagement und Enttäuschung" (146).

Das Buch ist durch seine klare, einfache Darstellung und ein weiterführendes Literaturverzeichnis eine gelungene Einführung in die wichtigsten Grundbegriffe und Fragestellungen feministischer Theologie.