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Ausgabe:

September/2007

Spalte:

1013–1019

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Grethlein, Christian u. Christhard Lück

Titel/Untertitel:

Religion in der Grundschule. Ein Kompendium m. 2 Grafiken u. 4 Tabellen.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 210 S. 8°. Kart. EUR 19,90. ISBN 3-525-61012-2.

Rezensent:

Rainer Lachmann

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Hilger, Georg u. Werner H. Ritter: Religionsdidaktik Grundschule. Handbuch für die Praxis des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts. München: Kösel; Stuttgart: Calwer 2006. 459 S. gr.8°. Kart. EUR 24,95. ISBN 978-3-466-26707-8 (Kösel); 978-3-7668-3913-8 (Calwer).


Religionspädagogische »Renaissance« des Religionsunterrichts an der Grundschule? Knapp 20 Jahre nach der »Religionsdidaktik Grundschule« (1983) des verdienten, am 29. November 2006 verstorbenen Religionspädagogen Klaus Wegenast erschien 2002 Christ­hard Lücks umfangreiche Monographie »Religionsunterricht an der Grundschule« und vier Jahre später in ihrem Gefolge Christian Grethleins und Christhard Lücks Kompendium »Religion in der Grundschule« sowie im selben Jahr Georg Hilgers und Werner H. Ritters Handbuch »Religionsdidaktik Grundschule«. Auch wenn die beiden Arbeiten aus dem Jahr 2006 sich schon rein umfangmäßig – das »Kompendium« bietet kleinformatig 210 Seiten, das Handbuch 459 Seiten von großem Format – nicht unerheblich unterscheiden, lohnt sich doch eine gemeinsame Besprechung der beiden Werke; denn sie kann dazu beitragen, herrschende Trends in der gegenwärtigen religionsunterrichtlichen Grundschuldidaktik profilierter wahrzunehmen.
Beginnen wir mit Grethleins und Lücks (namentlich nicht differenzierter) »Religion in der Grundschule« – ein Titel, der in aller Offenheit von »Religion« spricht und bei dieser »ökumenischen« Weite auch bleibt, wenn im »Vorwort« »ein positionelles Buch« angekündigt wird, das »einer praxisbezogenen, kind- und sachgemäßen Religionsdidaktik« (8) verpflichtet ist. Das gattungsmäßig sehr ambitioniert »Kompendium« genannte Opusculum gliedert sein Vorgehen nach dem aus dem Bereich ethischer Urteilsbildung stammenden Dreischritt »Wahrnehmen – Urteilen – Handeln« und bietet entsprechend drei Teile: I. »Zugänge – heutiger Religionsunterricht in der Grundschule« (9–75), II. »Räume – Sinn, Ziele und Inhalte des Religionsunterrichts an der Grundschule« (77–128) und III. »Wege – Methoden und religiöse Ausdrucksformen des Religionsunterrichts an der Grundschule« (129–200).
Nach der überzeugenden Gliederung werden dem Leser im I.Teil Zugänge zum »gegenwärtigen Ist-Zustand des Religionsunterrichts« vermittelt. Das geschieht unter vier leitenden Perspektiven und beginnt in einem 1. Kapitel mit einem »Blick in die Klassen«. Dieser gestaltet sich – besonders für die Hauptadressaten des Buches, die Studierenden und Referendare der ersten und zweiten Ausbildungsphase – äußerst motivierend: Der Grundschul-Religionsunterricht ist bei und für die Grundschüler ein »beliebtes« und »wichtiges Unterrichtsfach« und auch »in der Sicht der Lehrenden« ein nicht nur bedeutsames und anspruchsvolles, sondern auch beglückendes Fach. Das ist in der gegenwärtigen Bildungslandschaft ein geradezu einhelliger Befund, den auch Hilger und Ritter teilen (83 ff.). Interessanterweise korrespondiert diesem Befund in beiden Arbeiten eine äußerst positive und optimistische Anthropologie; die Zeiten ›Schuld und Sünden bedachter‹ (Religions-)Pädagogik scheinen bis hin zu konträrer Einseitigkeit vorbei zu sein (vgl. Stichwortregister des Handbuchs). Mit der zweiten Perspektive wird der Blick geöffnet auf die Schüler der Grundschule: ihre »veränderte Kindheit«, den religiösen Wandel mit den be­kannten Phänomenen der Individualisierung, Privatisierung und Entkonfessionalisierung von Religion in unserer Gesellschaft, der religiösen Entwicklung der Kinder und der sog. »Kindertheologie«, die vernünftigerweise als »eine Verknüpfung einer Theologie von Kindern, eines Theologisierens mit Kindern und einer Theologie für Kinder verstanden« wird (53)! Das bringt dann als dritte Perspektive die »Primarstufenlehrkräfte« ins Spiel, denen es weniger darum gehe, theologisches Wissen zu vermitteln als vielmehr »in religiöse Praxis einzuführen« (62), womit Grethlein und Lück erstmals ihre leitende religionspädagogische Intention intonieren. Das schließt »ein hohes Interesse der Unterrichtenden« an »ökumenischer Gesinnung und Offenheit« nicht aus: »97 ,4 % sprechen sich für eine enge Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Lehrkräften aus« (65 f.)!
Im II. Teil des Buches geht es auf 50 Seiten um Grundsatzfragen, Ziele und Inhalte. Ohne zu versuchen, den Begriff Religion genauer zu definieren, fragt hier das 1. Kapitel danach, ob Kinder Religion brauchen, ob man Religion lernen kann, wo man sie und wie man sie lernen kann. Über die »großen Fragen im Aufwachsen der Kinder« wird die Religions-Bedürftigkeit der Kinder aufgewiesen und relativ unvermittelt die Bibel eingebracht, die für die großen Fragen der Kinder ein »reichhaltiges Anregungspotenzial« enthalte (82 f.). Hier ist der Punkt erreicht, wo der offene Religionsbegriff des Titels sich gleichsam unter der Hand auf die »christliche Religion« konzentriert und daran mit den bekannten Argumenten aufgezeigt wird, weshalb gegenwärtig eine geordnete Einführung in diese für Kinder »unerlässlich« erscheint (85 f.). Dabei wird vorausgesetzt, dass die Kinder im Sinne eines »eigenständigen und indi­viduellen Prozesses der Auseinandersetzung und Aneignung« die christliche Religion auch lernen können – und zwar an den Lernorten Familie, Kindergarten, Kirchengemeinde und Gottesdiensten und nicht zuletzt natürlich im schulischen Religionsunterricht, dem besonders »die Aufgabe der Sprachschulung« gestellt ist.
Die Wie-Frage des Unterrichts in christlicher Religion wird mit Hilfe einer Konzeptionenschau beantwortet, die in bewährter Manier die einzelnen Konzepte durch gegenseitige Ergänzung religionspädagogisch integriert. Neu ist dabei die Erweiterung des Konzeptionenpanoptikums um die sog. »Performative Religionspädagogik«, die »im Religionsunterricht selbst Religion zur Darstellung (performance)« bringen will. Das kommt dem von Grethlein und Lück für ihren Grundschul-Religionsunterricht ver­folgten Ansatz entgegen, lässt sie aber schon hier gegen den na­heliegenden Vorwurf eines Religionsunterrichts als »Kirche in der Schule« vorbauen und herausstellen, dass das performative Konzept die angestrebte »Einführung in religiöse Praxis« nur als »Probehandeln« verstanden wissen wolle und außerdem von ihm ausdrücklich kritische Reflexion verlangt werde (107 f.). Auch wenn für Grethlein und Lück gerade die Rede vom »Probehandeln« nicht unproblematisch ist und für sie auch seine »inhaltliche Bestimmung vage bleibt«, so »scheint« doch für das mit dem Kompendium verfolgte religionsunterrichtliche »Hauptziel« – »Lernen als Christ leben zu können« – »allein das Konzept des Performativen Religionsunterrichts … weiterführend« (120). Dieses für einen zweistündigen schulischen Religionsunterricht mit Kindern, die, wie oben beschrieben, in ihrer Mehrheit nicht kirchlich oder christlich sozialisiert sind, höchst anspruchsvolle, wenn nicht »überfordernde« Ziel führt dann konsequenterweise zu der didaktisch wesentlichen Frage, was die Kinder lernen müssen, um dieser Zielsetzung gerecht zu werden. Und hier landet das gebotene Konzept in krönender Konzentration bei »Beten und Gesegnet-Werden (bzw. Segnen) als grundlegende(n) Formen des Christseins«. Diese sollen als »Sprache der (christlichen) Religion« im Religionsunterricht der Grundschule gelernt werden und so »eine auf den Alltag und die Praxis Religion gleichermaßen bezogene Grundausrichtung des Religionsunterrichts« ermöglichen (122 ff.). Über diesen hochgradig ›elementarisierten Leisten gespannt‹, werden die »traditionellen biblischen und thematischen Inhalte dieses Faches« – »im We­sentlichen« bleibt es bei den »bisher in der Grundschule üb­lichen Inhalten(n)« – neu akzentuiert und in »größerer Kohärenz« behandelt (124 f.).
Auf der Basis solcher religionsdidaktischer Auswahl- und Zielentscheidung beschäftigt sich der III. Teil mit »Methoden und religiösen Ausdrucksformen«. Nach der Reflexion von Kriterien für einen begründeten Einsatz von Methoden werden dabei im Ein­zelnen behandelt: »Stille und Stilleübungen«, »Erzählen biblischer Geschichten«, »Bildbetrachtung«, »Malen und kreatives Gestalten«, »Singen und Musizieren«, »Tanzen und Bewegen« und erstaun­licherweise – ohne jegliche Angst vor einer methodischen Instrumentalisierung des Betens und der Verkennung seines theolo­gischen Wesens – »Beten« und »Gesegnet-Werden bzw. Segnen«. Wenn hier die Methode des Gesprächs völlig ausgespart bleibt, so übergeht das nicht nur die religionsunterrichtliche Wichtigkeit und Vielfalt unterschiedlicher Gesprächsformen, sondern nährt auch den Verdacht, dass die angestrebte Unterrichtsgestaltung, »die ›Kopf, Herz, Hand und Fuß‹ gleichermaßen einbezieht« (138), im performativen Konzept (trotz gegenteiliger Beteuerung) nicht recht gelingen will, sondern zu Ungunsten des »Kopfes«, der kog­nitiven Komponente religionsunterrichtlichen Lernens, reduziert scheint.
Das letzte Kapitel des Büchleins mit seinem emphatischen Plädoyer für die Praktizierung der »religiösen Ausdrucksformen im Grundschul-Religionsunterricht« könnte diesen Eindruck durchaus bestätigen. Denn hier dominiert das »über das begrifflich-diskursiv Formulierbare«, das »über den kognitiven Bereich« Hinausgehende die rituelle Dimension von Religion und ihre praktisch liturgische Umsetzung den Religionsunterricht so stark, dass die gedankliche Arbeit, die um ein Verständnis der christlichen Inhalte bemüht ist, marginalisiert bzw. geradezu ›ausgeklammert‹ wird »(und dann reflektiert)« (182). Als Korrektiv gegen einen einst einseitig verkopften schulischen Religionsunterricht einer »neuen Aufklärung« (vgl. K. E. Nipkow 1968) ist das sicher heilsam und notwendig, fällt aber im Trend herrschender ästhetischer Bildung, die ethische Bildung scheinbar vergessen lässt, in das andere Extrem und achtet das besonders für schulisches Lernen so typische und wichtige Moment unterrichtlicher Reflexion, Argumentation und Diskussion – gerade im Zeichen der so hochgeschätzten Kindertheologie unabdingbar – zu gering. Das »Nur so« der Praktizierung und Übung religiöser »Ausdrucksformen wie Gebet, Andacht, ge­meinsames Singen und Gottesdienst Feiern« (182 f.) im Grundschul-Religionsunterricht, das mit ausführlichen Äußerungen zum »Kirchenjahr« und zu »liturgischen Formen« das so offen be­titelte Kompendium »Religion in der Grundschule« abschließt, macht es bei aller Differenzierungsanstrengung schwer, sich religionspädagogisch nicht unversehens doch wieder im Konzept »Kirche in der Schule« wiederzufinden, das die Grenzen zwischen den unterschiedlichen didaktischen Bedingungsfeldern Schule und Ge­meinde meinte, ›ohne Rücksicht auf Verluste‹ nivellieren zu können. Hier zeichnet sich tatsächlich ein – um den viel strapazierten Ausdruck zu benutzen – religionspädagogischer Paradigmenwechsel ab, der jeden, der sich für den Religionsunterricht an der Schule engagiert, zu begründeter Stellungnahme herausfordert. Allein schon deshalb muss eigentlich jeder Religionspädagoge – egal welcher Generation und welchem (Aus-)Bildungsstand er auch angehört – Grethleins und Lücks gut lesbar geschriebenes Opusculum studieren; es lohnt sich für die aktuelle religionspädagogische Meinungsbildung und fördert angefragte Parteilichkeit und kritisches Engagement.
Das Handbuch »Religionsdidaktik Grundschule«, das etwa zu gleichen Teilen von dem emeritierten katholischen Religionspädagogen der Universität Regensburg Georg Hilger und dem evan­gelischen Bayreuther Religionspädagogen Werner H. Ritter ge­schrieben worden ist, weist trotz des erheblichen Unterschieds an Seitenzahl in inhaltlicher und intentionaler Hinsicht eine große Über­schneidungsmenge mit dem Kompendium von Grethlein und Lück auf. Aufs Ganze gesehen ist dies Handbuch ein bestechendes Dokument gelungener ökumenischer Kooperation, und es fällt nicht schwer, in ihm ein latentes Plädoyer für die Möglichkeit erfolgreichen »christlichen Religionsunterrichts« – so die häufigste Bezeichnung im Buch! – an unseren Schulen zu sehen. Der ›halb herzige‹ Versuch, die »Praxis des nach Konfessionen getrennten Religionsunterrichts« »nachgerade in der Grundschule« zu be­gründen, überzeugt dort, wo er sich gegen »einen (religiös) neutralen Religionsunterricht« wendet. Im Übrigen aber können die meisten für einen konfessionell getrennt erteilten Religionsunterricht vorgetragenen Argumente auch für einen guten christlich-ökumenischen Religionsunterricht gelten.
Der I. Teil des Handbuchs beschäftigt sich auf ca. 150 Seiten mit der »Religion in der Grundschule – Herausforderungen und Aufgaben« und erschließt sie in 10 Kapiteln. Dabei ist auffallend, in wie viel Fragen, Problemen und Perspektiven Kompendium und Handbuch übereinstimmen – hier vorgebracht in kompendienhafter Knappheit und elementarisierender Beschränkung und da in zugestandener Breite und Tiefe, die es sich leisten kann, in religionspädagogischer Schreiblust weiter auszuholen und ab und an auch schulformunabhängig aus- und abzuschweifen. Nach einer »Einführung«, die den Religionsbegriff zu klären sucht, folgt der bekannte Befund über »Religiöse Pluralisierung, Individualisie rung und veränderte Kindheit« (1., Ritter) und danach folgen, gleichsam an vorderster Stelle, Ausführungen über »Ästhetisches Lernen und religiöse Bildung in der Grundschule« (2., Hilger), mit denen Hilger ganz im Sinne von Grethlein und Lück für einen alle Sinne einbeziehenden ästhetisch bildenden Religionsunterricht plädiert. Unübersehbar folgt hier auch diese Religionsdidaktik dem herrschenden Trend und räumt der ästhetischen Bildung Priorität für das religionsunterrichtliche Lernen in der Schule ein. Im 3. Kapitel wird von Hilger die Frage nach dem »Religionsunterricht als Schulfach oder Religion als Teil eines Lernbereichs?« verhandelt, ehe Ritter sich mit »Zielperspektiven und Aufgaben« (4. Kapitel) auseinandersetzt. Weiter gefasst als die Zielformulierung des Kompendiums soll danach der Religionsunterricht »vor allem mit der christlichen Religion in Überlieferung und Gegenwart bekannt machen, fremde und andere Religionen wahrnehmen helfen und Kinder bei ihrer Suche nach religiöser und Lebens-Orientierung begleiten und fördern« (71). Die nächsten Kapitel befassen sich mit dem »fächerverbindenden Lernen« (5., Ritter), den empirischen Befunden zum Grundschul-Religionsunterricht, einem »Fach, das Kinder und Lehrende mögen« (6., Hilger), mit den Kindern selbst, ihrem »Theologisieren« und ihrer religiösen Entwicklung (7., Hilger), dem »ReligionslehrerIn-Sein« (8., Ritter), dem »Religionsunterricht zwischen Stadt und Kirche« (9., Ritter) und abschließend mit dem »Religionsunterricht und andere[n] Orte[n] religiöser Bildung: Familie, Gemeinde, Öffentlichkeit« (10., Ritter).
Der größte Unterschied zwischen Kompendium und Handbuch ist für den II. Teil »Kinder und Inhalte im Religionsunterricht« festzustellen, denn hier fehlt die dem Kompendium eigene inhaltliche und intentionale Fokussierung auf »Beten« und »Gesegnet-Werden« und werden unter der didaktischen Maßgabe von Elementarisierung und Korrelation die wichtigsten Inhalte und Lernzielbereiche des Grundschul-Religionsunterrichts gründlich bedacht. Das sind: »Gott, Gottesbilder und Kinder« (1., Ritter), »Biblisches Lernen« (2., Hilger), »Symbole wahrnehmen, verstehen und gestalten« (3., Hilger), »Kinder und Schöpfung« (4., Ritter), »Ethisches Lernen – Mora lische Entwicklung bei Kindern« (5., Hilger), »Kinder begegnen anderen Konfessionen und Religionen« (6., Ritter), »Über Leben und Tod nachdenken – Philosophieren mit Kindern« (7., Hilger) und »Rituale, Feste, Feiern und Gottesdienst« (8., Hilger). Sieht man einmal vom ›vergessenen‹ Bereich kirchengeschichtlicher Themen ab, die für die Grundschule ohnehin curriculare ›Mangelware‹ sind, so werden hier tatsächlich die wesentlichen in den Lehrplänen für evangelische und katholische Religionslehre verzeichneten Inhalte didaktisch erschlossen. Berechtigterweise mit dem religionsunterrichtlichen Kerncurriculum »Gott« beginnend wird in den einzelnen Beiträgen theologisch solide informiert, religionspädagogisch problematisiert, didaktisch reflektiert und methodisch konkretisiert, wobei besonders die thematischen Konkretionen mehrerenteils nur Anregungs- und Andeutungscharakter haben. Erfreulicherweise fällt im Handbuch »Ethisches Lernen« nicht der Eupho rie ästhetischer Bildung zum Opfer, sondern bekommt einen eigenen Abschnitt, wo gerade auch für den Grundschul-Religionsunterricht der Schule die Wichtigkeit ethischer Erziehung und Bildung herausgestellt wird. Hier wird ethisches Nachdenken, Urteilen und Handeln als unverzichtbare Di­mension des Religionsunterrichts angemahnt und mit der angestrebten »Entfaltung prosozialen Empfindens, Denkens und Verhaltens« (239) ein veri­tabler Zielhorizont aufgetan, der wie alle der im Handbuch bedachten Inhalts- und Zielbereiche jedem christlich-ökumenischen Religionsunterricht Ehre machen würde.
Das gilt selbst für das letzte Kapitel des zweiten Teils, das ohne jegliche konfessionelle ›Trenn-Schärfe‹ Rituale, Gottesdienste und liturgische Feiern in der Schule thematisiert. Abgesehen davon, dass diese Thematik nur ein Themenfeld des Grundschul-Religionsunterrichts neben acht anderen Bereichen ausmacht, hat auch das Handbuch, wie bereits ganz am Anfang (I.2) an vorderster Stelle signalisiert, voll Anteil an der Aufwertung, Hochwertung und – so würde ich anfragen – möglichen Überbewertung der äs­thetischen Bildung für den schulischen Religionsunterricht. Auch hier die Absetzung von »einer einseitig reflexiven und distanzierten Weltsicht« (283), auch hier die Absetzung vom Konzept »Kirche in der Schule«, auch hier die Forderung nach »liturgischer Bildung«, nach »gottesdienstlichen Elementen im schulischen Alltag«, mit morgendlicher »Stillephase und einem Segensspruch über die Klassengemeinschaft« (288 f.), und das alles im Zug und Vollzug ästhetischer Bildung mit »leiblich-praktischem« und »sinnlich-handelndem« Bezug zur Welt in Schule und Religionsunterricht. Immerhin gibt das Handbuch auch noch anderen Inhalten und Zielen die Ehre und vergisst nicht ganz die, wie gehört, nicht geringe Anzahl von Schülern in der Klassengemeinschaft, die noch nie gebetet haben …! Hilger mahnt in dieser Beziehung einigermaßen problembewusst behutsamen Umgang »mit liturgischen Feiern und Gottesdiensten im Raum der Schule« an, über die Kinder »probeweise Erfahrungen mit liturgischen Ausdruckformen gelebten Glaubens machen« können (290).
Wie das Kompendium, allerdings statt auf 70 auf 130 großformatigen Seiten, befasst sich auch das Handbuch in seinem III. Teil mit den »Lernwegen und Methoden« des Grundschul-Religionsunterrichts. Bezeichnenderweise finden sich, abgesehen vom »Be­ten und Gesegnet-Werden«, alle im Kompendium verhandelten Methoden auch in den 13 Kapiteln des Handbuchs wieder. Darüber hinaus setzt sich dieses noch mit folgenden Lernwegen auseinander: Imaginatives Lernen (3., Hilger), Spiel (6., Hilger), Kreatives Schreiben (7., Hilger), Lernortwechsel (9., Hilger), Freiarbeit (10., Hilger), Projektartiges Arbeiten (11., Ritter), Anfangsunterricht (12., Hilger) und Leistungsbeurteilung (13., Hilger). Unübersehbar do­miniert auch in der Methodenschau dieser Religionsdidaktik die emotionale und sinnlich-praktische Dimension des Lernens und rückt auch hier die kognitive Lernaufgabe des schulischen Religionsunterrichts mit dem Ziel, Kinder in Fragen des Lebens und Glaubens zum Nachdenken, Verstehen und Sich-Verständigen zu bringen, in die zweite, wenn nicht dritte Reihe. Symptomatisch dafür auch hier das Aussparen der Gesprächsmethoden!
In dieser Hinsicht sitzen die renommierten Autoren von Kompendium und Handbuch im gleichen Boot des herrschenden religionspädagogischen Trends, wobei allerdings das Handbuch weniger Schlagseite in Richtung »Religiöser Ausdrucksformen des Religionsunterrichts« hat. Hier regen Kompendium wie Handbuch heilsam auf und zu intensiver religionspädagogischer Diskussion an – und das umso mehr, als beide Bücher den Verantwortlichen für den Religionsunterricht an Grundschulen solide, problemerschließende Information bieten: hier in kompendienartiger Kürze und da in der Breite eines Handbuchs, das im Anhang noch mit einem umfassenden Literaturverzeichnis und einem Stichwortregister aufwartet und damit dankenswerterweise die religionspädagogische (Weiter-)Arbeit und Diskussion ermöglicht. Beiden Bü­chern kann man nur je für ihren Zweck und ihre Klientel einen großen Leserkreis wünschen; die Lektüre lohnt sich – und sei es zu religionsunterrichtlich bedenklicher ›Erweckung‹.