Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2007

Spalte:

1003 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Baier, Karl [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Handbuch Spiritualität. Zugänge, Traditionen, interreligiöse Prozesse.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006. 368 S. 8°. Geb. EUR 79,90. ISBN 978-3-534-16911-5.

Rezensent:

Karl-Friedrich Wiggermann

Der Herausgeber Karl Baier, Assistenz-Professor am Institut für Christliche Philosophie der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, legt zunächst eine konzise und auf neuere Literatur verweisende Einleitung zur »Spiritualitätsforschung heute« vor. Im deutschen Sprachraum gibt es kaum einschlägige Lehrstühle, Institute und Lehrveranstaltungen. Für ein eigenständiges Fach seien fünf »Hauptstränge« zu unterscheiden: Anthropologie der Spiritualität; Spiritualitätsgeschichte; Systematische Theologie der Spiritualität; komparative und transreligiöse Studien; angewandte Spiritualitätsforschung. Diese Bereiche werden vorgestellt: Für die Anthropologie sind Aspekte zur Philosophie, zur Sozial- bzw. Religionswissenschaft und zur Religionspsychologie zu nennen. Die drei folgenden Hauptstränge werden sehr kurz abgehandelt. Nur wenig länger ist die angewandte Spiritualitätsforschun g– im Blick auf Fragen der Gesundheit, der spirituellen Begleitung sowie der Praktischen Theologie und Religionspädagogik, sodann auf ein eigenes Fach »Christliche Spiritualität«.
Der erste Hauptteil enthält »Zugänge«, in der – exemplarisch – die angelsächsische Mystikdebatte, Fragen des Feminismus und der Soziologie, systemische Therapie und politische Spiritualität in Brasilien dargestellt werden. Der Innsbrucker Dogmatiker Roman Siebenrock zeigt – weiterführend! – »Befähigung zur Erfahrung. Zur dogmatischen Grundlegung der Begegnung mit dem universalen Heilswillen Gottes aus der Mitte des Zweiten Vatikanischen Konzils«. Im »Schwerpunktbereich« des Konzils wird auf Odo Casel, Karl Rahner, Edward Schillebeeckx, auf die Theologie der Befreiung sowie auf »Klage, Schrei und Protest: Die Erfahrung der Abwesenheit Gottes im Leid« (144) hingewiesen.
Der zweite Hauptteil handelt über »christliche Traditionen«. Folgende Aspekte werden dargestellt: frühes christliches Mönchtum; Hesychasmus; Platon, Paulus und die Viktorianer; Frömmigkeit im Mittelalter; Mystik und Politik im Blick auf Meister Eckhart; Karmelspiritualität. In guter Weise führen die beiden Verfasser (Andrew Louth und Franz Nikolaus Müller) in ihre Bereiche der ostkirchlichen und westlichen Spiritualität ein.
Der abschließende dritte Hauptteil hat den Titel: »Spiritualität interkulturell, transreligiös«. Hier werden Yoga und Zen erwähnt. Besonders zu nennen sind die breiter angelegten Aufsätze über »die Wüste der Alterität. Spirituelle Erfahrung im intermonastischen Dialog« (Fabrice Bleé) und über den »Einfluss der interreligiösen Begegnung auf die religiöse Identität« (Perry Schmidt-Leukel). Bleé gibt eine Einladung an alle Christinnen und Christen weiter, interreligiöse Pfade im weiten Raum »mit Besonnenheit, doch ohne jede Furcht zu betreten« (265). Schmidt-Leukel, der eine pluralistische Religionstheorie vertritt, zielt auf offene religiöse Identität und göttliche Leerheit. Zu Positionen der beiden zuletzt genannten Theologen sollte es einen intensiven und kritischen Dialog geben – über religiöse Manifestationen und Identifikation.
In einem Epilog erörtert Rainer Buland »Spiritualität und Spiel« im Blick auf eine »Theologie des Spiels«. »Wir sind jederzeit mitten im göttlichen Spiel, das der Geist Gottes mit uns spielt. Und mehr noch – aus mystischer Sicht –, wir sind dieses Spiel. Was sonst?« (363) Ja – was sonst? Darüber bleibt zu diskutieren!
So sehr die meisten Texte des Buches mit Gewinn zu lesen sind, so sehr verwirrt doch der Titel: »Handbuch Spiritualität«.
Die Beiträge stammen aus dem »Post-Graduate Universitätslehrgang ›Spirituelle Theologie im interreligiösen Prozess‹« der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg. Das Buch ist eine Dokumentation der Lehrgänge, eher ein Sammelband als ein umfassendes Handbuch. Es werden Grundfragen – auch zu einer grun­dierten Praxis – gestellt. Aber es fehlen allzu viele Bereiche, so dass man von einer Beliebigkeit der Themen sprechen kann – auch zur Spiritualität im Ganzen, die als theologisches Fach (Theologie der Spiritualität) und als eine Bestimmung der Theologie (Spiritualität der Theologie) wirksam sein kann. Baier spricht von einer »Roadmap für bewegte Zeiten, die zur Belebung und Konsolidierung eines faszinierenden Wissensgebietes beitragen soll« (7). Es ist freilich sehr zu bedauern, dass die evangelische Theologie nicht vorkommt.