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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1137

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Clévenot, Michel

Titel/Untertitel:

Licht und Schatten –­ das Zeitalter des Barock. Geschichte des Christentums im XVII. Jahrhundert. Übers. v. K. Füssel.

Verlag:

Luzern: Exodus 1997. 232 S. 8°. Kart. sFr 44.­. ISBN 3-905575-94-9.

Rezensent:

Hartmut Lehmann

Im neunten Band seiner "Geschichte des Christentums", der jetzt auch in deutscher Übersetzung vorliegt, behandelt der vor wenigen Jahren viel zu früh verstorbene französische Geistliche Michel Clévenot unter dem Titel "Licht und Schatten ­ das Zeitalter des Barock" das 17. Jh. Dabei verzichtet er auf die in Handbüchern und Überblicksdarstellungen üblichen Begriffe und Periodisierungen. Er führt in die reiche Geschichte christlicher Erfahrungen jener Epoche vielmehr ein, indem er dreißig Episoden schildert ­ dreißig "Sequenzen" ­ wie er sie nennt, die vom "Prozess gegen Galilei" und einer "Erstkommunion in Saint-Nicholas-Du Chardonnet" im Jahre 1616 bis hin zu Madame Guyon und dem Quietismus und der Schilderung der Pfarrei Rumegies in Flandern am Ende des 17. Jh.s reichen.

Mit großem Geschick, das von einer gründlichen, umfassenden Kenntnis der Geschichte des Christentums im Zeitalter zwischen der Reformation auf der einen und der Aufklärung auf der anderen Seite zeugt, reiht C. eine aufschlußreiche, hochinteressante Episode an die nächste. Zentral wichtige Vorgänge werden von ihm ebenso beleuchtet wie periphere, orthodox eingestellte Gläubige kommen bei ihm ebenso zu Wort wie Nonkonformisten. Die Leistungen der großen, etablierten Kirchen werden von ihm ebenso gewürdigt wie das Recht der christlichen Außenseiter auf einen eigenen Weg zum Heil.

Einige Akzente, die C. setzt, verdienen Erwähnung. So fällt auf, daß er in knapp der Hälfte der Fälle französische Beispiele behandelt; in den übrigen "Sequenzen" geht er zum Teil auf Episoden in anderen Ländern Europas ein, zum Teil auch auf bemerkenswerte Beispiele aus Übersee.

Bei den französischen Beispielen erörtert C. zudem sehr spezifische Zusammenhänge, während er bei den anderen Beispielen zumindest bestrebt ist, auch ein Stück weit auf den politischen und kirchengeschichtlichen Kontext einzugehen. Ganz offensichtlich wird von ihm aber vieles nicht erwähnt, nicht thematisiert, nicht diskutiert. Bei seinem Werk handelt es sich somit um eine Einführung besonderer Art: Leser mit Vorkenntnissen werden die "Sequenzen" mit Vergnügen studieren, weil sie viel Neues erfahren; Leser ohne Vorkenntnisse werden angeregt, sich intensiver über die vielgestaltige, mit Schlagworten wie "Konfessionalisierung", "Absolutismus" und "Barock" nur unzureichend charakterisierte Geschichte des Christentums im 17. Jh. zu informieren. Was kann ein Autor mehr leisten, kann man fragen. Diesem klug konzipierten Werk, dessen Autor flüssig und anschaulich zu schreiben und differenziert zu argumentieren versteht, sind deshalb viele Leser zu wünschen.