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Ausgabe:

September/2007

Spalte:

983–985

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Rashkover, Randi

Titel/Untertitel:

Revelation and Theopolitics. Barth, Rosenzweig and the Politics of Praise.

Verlag:

London-New York: T & T Clark International (Continuum) 2005. VIII, 215 S. gr.8°. Kart. £ 25,00. ISBN 0-567-04132-8.

Rezensent:

Claudia Welz

Ziel dieses Buches ist es zu zeigen, »how Judaism and Christianity fund a rationality that emerges out of their scriptural texts and liturgical practices« (2). Religiöse Rationalität soll die selbstkritische Wahrnehmung anderer religiöser Traditionen einschließen. Diesem Anspruch folgend bietet R. einen Beitrag zum jüdisch-christlichen Dialog. Ihre vergleichende Lektüre von Franz Rosenzweigs Stern der Erlösung und Karl Barths Römerbrief (2. Aufl.) so­wie Teilen­ der Kirchlichen Dogmatik widmet sich einem wichtigen Forschungsdesiderat. Ob die beiden Autoren R.s Auslegung zu­gestimmt hätten, ist allerdings fraglich.
Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel, deren Hauptgedanken kurz referiert und kommentiert seien: Kapitel 1 (Practical Theology and the Love of God: Hermann Cohen’s Influence on Rosenzweig and Barth) vergleicht Kants und Cohens Religionsphilosophie. Letzterer war Rosenzweigs und Barths Marburger Lehrer. Ihre Theologie der Offenbarung setze seine Theologie der Korrelation fort, ent­wick­le sie jedoch eher durch eine Rückkehr zu den biblischen Quellen als im System des kritischen Idealismus (4.30). Alle drei seien einig in ihrer Kritik theoretischer Erkenntnis und bejahen den Primat praktischer Gotteserkenntnis, die sich nicht auf Gottes Wesen, sondern sein Tun als Norm und Telos menschlichen Tuns richte (17.24). Cohens Ethik gründe zwar nicht mehr auf dieselbe Weise wie Kants Ethik in moralischer Autonomie, doch die Realität eines Gottes, dessen Gebot zum Motiv unseres Handelns werden könnte, erreiche er noch nicht (oder doch? Vgl. 4 mit 19.34.37.40). Diese Spannung in Cohens Denken ist für R. der Anlass des Umdenkens seiner Schüler (43–46). Leider wird die häufig herbeizitierte Sekundärliteratur nur in einer einzigen Endnote kritisch diskutiert.
Das ändert sich in der daran anschließenden, zugleich angriffslustigen und defensiven Argumentation. Im Zentrum des Buches stehen zwei auf Rosenzweig und zwei auf Barth fokussierte Kapitel (Kapitel 2: Theology and the Language of Love; Kapitel 3: Publicizing the Miracle: Philosophy and the Word of God in Rosenzweig’s New Thinking; Kapitel 4: Barth’s Epistle to the Romans and the Theology of Practical Witness; Kapitel 5: Beyond Revelation: The Life of the Children of God). Zunächst wird schlagwortartig beschrieben, wie Rosenzweigs ›nicht-fanatische‹ Theologie eines ›realen, objektiven und transzendenten‹ Gottes – anders als Bubers dialogische Theologie (57.68 f.) – zwischen der Skylla des ›Dogmatismus‹ und der Charybdis des ›Subjektivismus‹ navigiere (55 f.110). Das Nachzeichnen dieses Kurses gelingt nicht ohne Verzeichnungen, die darauf zurückgehen dürften, dass Rosenzweigs Projekt in Barths dialektische Theologie eingezeichnet wird, die R. (mit McCormack) noch in der Kirchlichen Dogmatik fortgesetzt sieht (119.131). Barths Dialektik wurzele in der ›Realdialektik‹ von Gottes Ver- und Enthüllung, während Rosenzweigs Dialektik im defizitären Charakter der religiösen Sprache gründe, die Gottes Offenbarung nicht positiv ausdrücken könne (135 f., Anm. 31; 50, vgl. 3.5.89–92.97.174.177). Wiederholt wird die Erfahrung der liebenden und gebietenden Präsenz Gottes mit der ›Absenz‹ jenes ersehnten ›ganz anderen‹ Gottes kontrastiert (61–67.90–93.185 f.), der gehorsam zu bezeugen sei (4.60 f.133). Diese Terminologie entspricht zwar dem Römerbrief (120–123), widerspricht aber der Triade von Liebe – Sprache – Gegenwart und der Verbindung von Offenbarung und Erfahrung im Stern. Wie passt Rosenzweigs »philosophical defense of revealed religion« (86) zu nicht-apologetischem »reasoning after revelation« (171.163)? Auch dass seine ›Theologie des Wortes Gottes‹ die Basis für eine postmoderne Hermeneutik bietet (95.106 f.110) und mit Levinas und der Radical Orthodoxy in einer Linie steht (74, Anm. 13; 112, Anm. 118), müsste erst belegt werden.
Auf Rosenzweigs und Barths Modelle ritueller und sakramentaler Bundesgemeinschaft (5.163) verweisend, votiert R. in Kapitel 6 (The Politics of Praise) für eine Alternative zu ›konstantinischem Imperialismus‹ und ›säkularer Unsichtbarkeit‹ (6.171.182). Sie plädiert für Rosenzweigs antizionistischen Pazifismus und die Nicht-Allianz von Kirche und Staat, Religion und Realpolitik (6.175.178), ohne die brisanten Implikationen zu bedenken, parallelisiert sein Bild des Judentums mit dem der ›johanneischen Kirche‹ (179) und befürwortet das gemeinsame Studium der je eigenen Tradition, um davon ausgehend Mittel zur Überwindung der Not der Welt zu entdecken (194). Inwieweit diese »reasoning practices« mit den »standards of reasoning within public discourse« vermittelbar sind (2.194 f.) und wie sich der ›nicht-linguistische‹ Zeugnisbegriff zur ›prophetischen Stimme der Verkündigung und Kritik‹ und dem Engagement für soziale Gerechtigkeit (5.171.184 f.) verhält, dies ist am Ende des Buches noch genauso offen wie an seinem Anfang.