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Ausgabe:

Juli/August/2007

Spalte:

868 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Duffy, Mervyn

Titel/Untertitel:

How Language, Ritual and Sacraments Work. According to John Austin, Jürgen Habermas and Louis-Marie Chauvet.

Verlag:

Roma: Editrice Pontificia Università Gregoriana 2005. 277 S. m. Abb. gr.8° = Tesi Gregoriana. Serie Teologia, 123. Kart. EUR 17,00. ISBN 88-7839-038-0.

Rezensent:

Karin Scheiber

»How Language, Ritual and Sacraments Work« – so lautet der Titel der 2005 an der Gregoriana in Rom angenommenen Dissertationsschrift von Mervyn Duffy. Beim Vf. handelt es sich um einen römisch-katholischen Priester, Mitglied der »Society of Mary« und Lehrbeauftragten am Good Shepherd College in Auckland, Neuseeland.
Die skeptisch-hohen Erwartungen, die der Titel hervorruft – in der Muttersprache des Vf.s gesprochen: »quite a mouthful« –, werden durch den Untertitel etwas relativiert: »According to John Austin, Jürgen Habermas and Louis-Marie Chauvet«. Vollends relativiert werden sie bei der Lektüre des Buches. Es besteht aus vier Kapiteln. Die ersten drei sind jeweils einem der im Untertitel ge­nannten Denker gewidmet. Sie umfassen ca. 60 Seiten, sind ähnlich aufgebaut und enthalten eine allgemeine Einordnung des in den Blick genommenen Denkers in sein intellektuelles Umfeld, eine biographische Skizze und eine Einführung in Grundelemente der jeweiligen Theorie. Die Verbindung zur im Titel gemachten An­kündigung beschränkt sich auf Andeutungen und wenige Hin­weise. Die »synthesis« (15) soll dann im vierten Kapitel erfolgen, das aber nicht nur vom Umfang her (47 Seiten) ma­ger ausfällt.
Gemäß dem Vf. sind Sakramente geschichtlich gewachsene, so­ziale Praktiken (232–236). Er definiert sie, unter Aufnahme von Chauvets Überlegungen (in Anlehnung an M. Mauss, vgl. 180 ff.) zu Gabe und Gegengabe wie folgt: »Sacraments are very precisely a response to the performative utterances of divine revelation. ... The sacraments are ritual expressions of that return-gift.« (242) Die »performative Äußerung göttlicher Offenbarung« ist eine äußerst problematische Denkfigur. Nach Austin beruht die illokutionäre Wirkung bestimmter Äußerungen (also die Wirkung dessen, was Austin in einem ersten Anlauf als »performative Äußerungen« zu klassifizieren versucht hatte) auf sozialen Konventionen. Das ist einleuchtend, macht jedoch die Anwendung auf Offenbarung oder die Sakramente nicht unproblematisch. Austin scheint sich dessen bewusst gewesen zu sein, bringt er doch zur Illustration der Illokutionarität mehrmals das Beispiel einer Schiffstaufe, niemals jedoch das einer christlichen Taufe. Der Vf. kennt dagegen diesbezüglich keine Befangenheit und führt »I baptize you« und »I absolve you« als Musterbeispiele performativer Äußerungen an (196). Dahinter steht nicht nur ein mangelhaftes Verständnis eines seiner Kronzeugen, sondern schlimmer noch ein gravierender Mangel an theo­logischer Reflexion, der sich vor allem im nahezu vollständigen Ausfall der sakramentaltheologisch fundamentalen Frage nach dem Handlungssubjekt im Sakrament niederschlägt. Die Figur der Gabe und Gegengabe lässt Gott als den Geber in Erscheinung treten, den Menschen als denjenigen, der die Gabe empfängt und im Sakrament Gott eine Gegengabe anbietet (worin diese bestehen soll, bleibt unklar). Ganz anders im geschilderten Fall einer Nottaufe, von einer nicht-christlichen Hebamme durchgeführt, den der Vf. so beurteilt: »The sacrament does not rely on the faith, ecclesial status, or virtue of the midwife. She pours the water and says the words (the locutionary act), the illocutionary agent is Christ. The Church accepts the child as a validly baptized member on the basis that God acts through the midwife.« (221 f.)
Zum »illocutionary agent« ließe sich manches sagen, unter an­derem ließen sich wiederum die obigen Bedenken anführen. Un­zweifelhaft ist aber allemal, dass das Sakrament der Taufe hier nicht als menschliche Gegengabe im Blick ist. Es kann bei einer Sakramentenlehre – erst recht einer, die kommunikationstheoretische Einsichten verarbeiten will – gewiss nicht darum gehen, einseitig nur Gott oder nur den Menschen als handelndes Subjekt im Sakramentsvollzug zu bestimmen. Vor dem Hintergrund mancher allzu »steiler« sakramentaltheologischer Entwürfe ist es zu begrü ßen, wenn der Vf. festhält: »Communicative actions, to achieve happy outcome, require uptake on the part of the hearer.« (225; Hervorhebung orig.) Aber wenn er dann fortfährt: »Given the freedom of hearers to refuse, this uptake can be blocked in four ways ...« (ebd.), dann wundert man sich nicht nur über die theologische Unbefangenheit der Verwendung von »freedom« in diesem Kontext, sondern erst recht über das vollständige Fehlen theologischer Überlegungen zur Frage, inwiefern der gläubige Empfang von Sa­kramenten göttlicher und/ oder menschlicher Wirksamkeit zuzuschreiben ist. Die mangelnde Sensibilität in dieser Frage führt u. a. auch zu erstaunlichen ekklesiologischen Aussagen (175).
Der Versuch eines neuen, kommunikationstheoretisch geschulten Blicks auf die Sakramente, ist ein durchaus vielversprechendes Unterfangen, wie die Schriften von Louis-Marie Chauvet (Symbole et sacrement. Une relecture sacramentelle de l’existence chrétienne, Paris 1987, und: Les Sacrements. Parole de Dieu au risque du corps, Paris 1997) beweisen.
Das hier zu besprechende Buch gelangt über Chauvet nirgends substanziell hinaus, geschweige dass sein Vf. zu einem eigenständigen sakramentaltheologischen Entwurf vorstoßen würde. Die Auseinandersetzung mit den gewählten Ge­währsleuten ist eine wei­testgehend deskriptive (und dabei nicht immer zutreffende) und wird nur da ansatzweise kritisch, wo der Vf. die Gefahr mangelnder Konformität mit der römisch-katholischen Tradition wittert. So äußert er etwa Vorbehalte gegenüber Chauvets Kritik an der Metaphysik (10.17) und bei Habermas gegenüber »[t]he Marxist roots of the theory and its negative assessment of religion« (137). Der Versuch, es der Kurie recht zu machen, wirkt manchmal be­müht, etwa wenn der Vf. – in Anbetracht des sen, dass sich Papst Johannes Paul II. für eine Philosophie aussprach, die der Metaphysik Beachtung schenkt – sich auf eine Schrift von (Noch-Nicht-Papst) Karol Wojtyla berufen muss, um die theologische Legitimität auch eines nicht-metaphysischen Zugangs sicherzustellen (199).
Aber der Vf. will nicht nur ein guter Katholik sein, sondern auch dem ökumenischen Dialog etwas bieten, wenn er die Hoffnung äußert, dass »the approach outlined will have benefits for an ecumenical understanding of the sacraments« (12); eine Hoffnung, die angesichts der Qualität der Arbeit, aber auch der Fraglosigkeit, mit welcher er das römisch-katholische Verständnis von Kirche, Sa­kramenten und Amt als gottgegeben voraussetzt, ein frommer Wunsch bleiben dürfte.