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Ausgabe:

Juli/August/2007

Spalte:

866

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Uden, Ronald

Titel/Untertitel:

Wohin mit den Toten? Totenwürde zwischen Entsorgung und Ewigkeit.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006. 224 S. gr. 8o. Kart. EUR 19,95. ISBN 978-3-579-08009-3.

Rezensent:

Eberhard Winkler

In 25 Jahren als Gemeindepfarrer gewann Uden einen reichen Er­fahrungsschatz im Dienst an Sterbenden, Toten und Hinterbliebenen. Als Praktischer Theologe – er ist Privatdozent in Erlangen – weitet er den Blick über die kirchliche Kasualpraxis hinaus auf Wandlungen und Konstanten im Umgang mit Sterben und Tod in der Gesellschaft. Er argumentiert interdisziplinär und methodisch integrativ, indem er ökonomische, medizinische, kultur-, medien- und religionswissenschaftliche sowie natürlich theologische Be­funde und Erkenntnisse verarbeitet. Die praktisch-theologischen Perspektiven der Wahrnehmung, Kulturhermeneutik und Hand lungsanleitung verbindet er auf interessante, anregende Weise. Das aus dem Verfassungsbegriff »Menschenwürde« abgeleitete Mo­tiv »Totenwürde« ermöglicht Offenheit für die Pluralität kultureller und religiöser Phänomene im Zusammenhang mit dem Tod ohne Identitätsverlust auf christlicher Seite. Anzeichen einer Entsorgungsmentalität wertet U. nicht als Ausdruck allgemeinen Ver­falls der Bestattungskultur, weil sich die Realität ambivalent darstellt. Einerseits gibt es eine Tendenz zu anonymen und mi­nima­listischen Bestattungen, andererseits zu Events und Ins­ze­nierungen.
Im Fluss der sich verändernden Bestattungskultur sieht U. drei Konstanten: Rituale, heilige Orte und die Beständigkeit des Er­innerns. Beim Bemühen um eine neue Memorialkultur greift er einerseits auf Traditionen wie die mittelalterliche ars moriendi und andererseits auf Aspekte gegenwärtiger Lebensvollzüge wie mediale Kommunikationsprozesse und interkulturelle Wirkungen anderer Religionen, besonders des Judentums und des Islams, zurück. Hinsichtlich der künstlerischen Ausgestaltungen wird popkulturellen Ausformungen neben traditionellen Liedern Raum gegeben.
Das Buch mündet in praktische Vorschläge zur Gestaltung des Abschieds, die an die Akteure erhebliche Anforderungen stellen und dadurch besonderes Gewicht gewinnen, dass sie von einem Praktiker stammen. Seelsorgliche, liturgische und homiletische Aspekte werden auf der theologischen Basis verbunden, dass die Gemeinschaft der Heiligen Lebende und Tote umschließt. Im theologischen Abschnitt fehlt ein Hinweis auf die Taufe als das für jeden christlichen Ritus grundlegende und in die über den Tod dauernde communio sanctorum eingliedernde Geschehen. Dieses Defizit fällt auf, zumal U. den Riten mit Recht große Aufmerksamkeit widmet. Angebracht wäre auch ein Hinweis auf das Sepulkralmuseum in Kassel.
In der Fülle der Literatur zum Thema Tod und Bestattung zeichnet sich das Buch durch die Weite des Horizonts, die nüchterne Sicht auf moderne Entwicklungen, die gelungene Verbindung von Theorie und Praxis und die angesichts der Ausgewogenheit des Urteils umso eindrücklichere Kritik an kirchlichen Defiziten aus. Mit der Kritik verbindet sich eine anspruchsvolle Forderung nach Qualitätsverbesserung. U. verzichtet auf Anmerkungen, was zwar den wissenschaftlichen Wert nicht mindert, doch den gelegentlichen Hinweis auf Fachliteratur wie auch die Literatur zum Weiterlesen als zufällig erscheinen lässt. Umso mehr ist das Buch über den Kreis der Fachleute hinaus allen zu empfehlen, die den würdigen Umgang mit Sterben und Tod als persönliche Aufgabe begreifen.