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Ausgabe:

Juli/August/2007

Spalte:

842 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Steinke, Johannes Maria

Titel/Untertitel:

John Polkinghorne. Konsonanz von Naturwissenschaft und Theologie.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 132 S. gr.8° = Religion, Theologie und Naturwissenschaft. Religion, Theology, and Natural Science, 4. Geb. EUR 29,90. ISBN 3-525-56976-9.

Rezensent:

Friederike Nüssel

In diesem Buch wird die These der Konsonanz von Naturwissenschaft und Theologie, die der englische Physiker und Theologe John C. Polkinghorne vertritt, auf ihre philosophischen Voraussetzungen hin untersucht und kritisch reflektiert. Im Anschluss an eine knappe Einführung »in die Grundintuitionen« (16) Polkinghornes, die sich in seinem systematischen Denken spiegeln, demonstriert St. zunächst, inwiefern für Polkinghorne Naturwissenschaft und Theologie nicht in einem Konkurrenzverhältnis stehen, sondern sich in der Konzentration auf unterschiedliche »Teilaspekte der einen Wirklichkeit« (60) wechselseitig ergänzen und bereichern. Während die Theologie die naturwissenschaftlich nicht erklärbare Existenz und Intelligibilität der Welt, »das Phänomen der Personalität und die Präsenz von Werten und ethischer Verantwortung« (39) im Rekurs auf die Annahme der Existenz des Schöpfers zu erklären vermöge und darin die wissenschaftlichen Kriterien der Kohärenz, Sparsamkeit und Erklärungskraft erfülle (56), bereichere umgekehrt die Naturwissenschaft die Theologie durch »eine Vielfalt naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, die in die Reflexion theologischer Aussagen einfließen können und müssen« (67). Zudem unterstütze sie auf Basis der quantenphysikalischen Erkenntnisse indirekt die Einsicht, dass dem Alltagsverstand unverständliche theologische Aussagen nicht notwendig als irrational abgetan werden müssen (67 f.), und ermutige so dazu, »sich weiter und intensiver um ein Verständnis des Transzendenten zu bemühen« (68). Auf »einer Ebene zweiter Ordnung« (81) könnten die Erklärungen beider Wissenschaften durch die Integrationsleistung einer theologischen Metaphysik »zu einem umfassenden Gesamtbild der Wirklichkeit zusammengefügt werden« (ebd.). Dieses Gesamtbild werde – wie St. sodann zeigt – konkret greifbar in Polkinghornes Behandlung folgender Einzelthemen »Schöpfung, Kosmogenese, Evolution« (70), »Leib-Seele-Problem« (72), »Handeln Gottes und Naturgesetze« (75), »Sündenfall und Evolution« (77), »Kältetod und Eschatologie« (79) und in Polkinghornes Gottesbegriff (80). Polkinghorne verstehe Gott als freien und allmächtigen Schöpfer der Welt, der in willentlicher Selbstbeschränkung »seiner Schöpfung den Raum zur Selbstentfaltung und Freiheit« (80) gebe. Gott sei nach Polkinghorne »zwar allwissend, aber nur insofern er alles Wissbare kennt« (80). Die Vorstellung einer Prädestination und einer auf die Zukunft sich erstreckenden Allwissenheit Gottes lehne Polkinghorne »als mit einem naturwissenschaftlichen Weltbild unvereinbar ab« (81).
Im letzten Teil des Buches wendet sich St. dem philosophischen Hintergrund der Konsonanztheorie und damit dem eigentlichen Ziel seiner Untersuchung zu. Hier zeigt er zuerst den Einfluss von Michael Polanyi auf, dessen wissenschafts- und erkenntnistheoretische Grundlagen Polkinghorne allerdings »vollkommen unkritisch und hinterfragt« (85) übernehme. Während Polanyi ausdrück­lich einen post-kritischen Ansatz verfolge, sei Polkinghornes Denkwei­se »eher vor-kritisch« (86) und von einem für die an­gelsächsische empiristische Tradition typischen »Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Erfahrung« (ebd.) getragen. Weiter kritisiert St. Polkinghornes Erfahrungsbegriff als unscharf und nicht hinreichend reflektiert (87–89). In seinem Verständnis religiöser Erfahrung schließe Polkinghorne zwar an die realistisch kognitive Deutung­ bei Alston an, eine »detaillierte Theorie der religiösen Erfahrung« (100) fehle jedoch. Auch im Blick auf das Wissen­schaftsverständnis von Polkinghorne weist St. Defizite auf (103). Schließlich meldet er auch hinsichtlich der metaphysischen Voraussetzungen von Polkinghornes Konsonanztheorie berechtigte kritische Rückfragen an, die sich im Einzelnen auf den »Zwei-Aspekte-Monismus«, auf die Annahme neuer Kausalprinzipien, auf den Freiheitsbegriff, auf das Verständnis von Identität und Kontinuität der Seele und die Theorie vom Handeln Gottes in der Welt beziehen (105–113). Letztlich hänge die gesamte Argumentation an der These der ontologischen Offenheit im Sinne einer »Lücke in der kausalen Struktur der physikalischen Welt« (112), die aber nicht klar bestimmt sei. Polkinghornes Bemühungen um eine Interaktions­theo­rie blieben mithin »aus philosophischer wie theologischer Sicht wenig überzeugend« (116). Wie St. nach dem Aufweis all dieser ge­wichtigen Kritikpunkte noch festhalten kann, Polkinghornes theo­logische Metaphysik erlaube es, »jenseits aller Einzelprobleme, das theistische Weltbild und das naturwissenschaftliche Weltbild in einen konsonanten Zusammenhang zu bringen«, ist mir nicht verständlich. Die Stärke seiner Arbeit, die in der Manuskriptfassung mit dem Adolf-Haas-Preis ausgezeichnet wurde, liegt vielmehr darin, luzide und griffig die Grenzen von Polkinghornes theologischer Me­taphysik markiert zu haben.