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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1119 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Busch, Peter

Titel/Untertitel:

Der gefallene Drache. Mythenexegese am Beispiel von Apokalypse 12.

Verlag:

Tübingen: Francke 1996. XI, 276 S. 8° = Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, 19. Kart. DM 68,­. ISBN 3-7720-1870-X.

Rezensent:

Daria Pezzoli-Olgiati

Als ein "fesselndes Panorama, das seit Beginn der historisch-kritischen Forschung viele Exegeten in seinen Bann geschlagen hat", stellt Peter Busch die imposanten Bilder von Apokalypse 12 vor. Auf spannende Weise führt er Leserinnen und Leser durch diese mythische Landschaft, indem er dieses zentrale Kapitel der Johannesapokalypse unter die traditions- und religionsgeschichtliche Lupe nimmt. Durch den Vergleich mit parallelen Texten, im wesentlichen aus dem alttestamentlich-jüdischen und griechisch-römischen Bereich, werden die verschiedenen Handlungssequenzen analysiert.

Dieser methodische Zugang führt einerseits zur Hervorhebung der Anspielungen und Berührungspunkte mit dem vorliegenden religions- und traditionsgeschichtlichen Material, andererseits zur Betonung der Eigentümlichkeit und Originalität von Apk 12 in der Kombination der vorliegenden Quellen: Die innere Kohärenz des Textes wird betont, der eigenständige Ausdruck des Vf.s keineswegs in Frage gestellt. Angesichts dieser Voraussetzungen erscheint die Beschäftigung mit den Motiven aus den vorangehenden Traditionen besonders bereichernd.

Die Arbeit beginnt mit einer Darlegung des methodischen Instrumentariums. Die traditions- und die religionsgeschichtlichen Methoden werden definiert und klar abgegrenzt. Als Hauptargument für die Unterscheidung gilt der Verwandtschaftsgrad zwischen den Traditionen innerhalb des Wirkungsbereiches des Alten Testaments und denjenigen aus dem weiteren religionsgeschichtlichen Umfeld: Die aufgestellten Kriterien der Transmission dienen als Auswahl- und Überprüfungselemente in der Zusammenstellung der Vergleichsquellen. In einem weiteren Schritt wird die methodische Fragestellung direkt auf Apk 12 übertragen. Der dritte Teil ist der narrativen Exegese des ausgewählten Kapitels gewidmet, wobei die Unterteilung des Kapitels in sieben Handlungssequenzen als Raster zur Durchführung der traditions- bzw. religionsgeschichtlichen Analyse dient.

Dieser zentrale Teil der Studie hat durchaus anthologischen Charakter. Eine Vielzahl alttestamentlicher, jüdischer, neutestamentlicher und frühkirchlicher Texte stehen neben umfangreichem Material aus dem altorientalischen, hellenistisch-griechischen und römischen Kulturbereich. Die Quellen werden um-fassend zitiert, in ihrem literarischen Kontext situiert und meistens einzeln untersucht. Der Vergleich mit Apk 12 gründet auf rekonstruierten Erzählmustern, welche sich in den gegenübergestellten Texten wiederfinden. Es folgt ein Überblick auf die Gesamthandlung, in welchem die theologische Eigenart von Apk 12 in Kürze skizziert wird. Eine Darstellung der Rezeptionsgeschichte der Johannesoffenbarung und insbesondere von Apk 12 in den ersten drei Jahrhunderten rundet die Arbeit ab. Auch hier präsentiert der Vf. eine ausführliche Auswahl an nach dem Entstehungsort geordneten Quellen. Als roter Faden dienen die Fragen nach der Rezeption der Inhalte von Apk 12 und ihrer Funktion in den theologischen Diskussionen. In der Rekonstruktion der Anfänge der Wirkungsgeschichte von Apk 12 zeigt sich der deutliche Bruch zwischen der originalen Aussage des Kapitels und seinen späteren Interpretationen. Die ursprüngliche Absicht von Apk 12, die B. als "theologische Begründung der Wirksamkeit des Bösen auf Erden trotz dessen eigentlicher Niederlage" umschreibt, geht verloren und die einzelnen Bilder des Kapitels werden bloß als Beispiele oder Argumente zur Auslegung anderer Texte eingesetzt.

B.s Arbeit eröffnet neue Perspektiven zum Verständnis von Apk 12. Obwohl die vorgenommene Unterscheidung zwischen traditions- und religionsgeschichtlicher Methode nicht ganz zu überzeugen vermag, ist die Auswahl der einzelnen Materialien und deren Untersuchung gut gelungen. Es wird eine wertvolle und ausführliche Gegenüberstellung von Traditionen geliefert, die in Kleinasien am Ende des 1. Jh.s möglicherweise bekannt waren. Der methodisch sorgfältig gestützte Vergleich der Quellen mit Apk 12 führt darüber hinaus zu überzeugenden Ergebnissen in bezug auf die Kommunikationssituation, in welcher die Johannesoffenbarung eingebettet ist. Die mythischen Bilder von Apk 12 wurden vom Verfasser Johannes so ausgewählt und kunstvoll zusammengeführt, daß sie als Ganzes sowohl Juden- als auch Heidenchristen unter Einbezug der entsprechenden kulturellen Herkunft ansprechen konnten. Auch die Darstellung der ersten drei Jahrhunderte Rezeptionsgeschichte bezeugt einen sorgfältigen Umgang mit den Quellen. Etwas zu vereinfacht erscheint hingegen der Umgang mit der christlichen Ausprägung der Inhalte in Apk 12. Beispielsweise läßt sich die These, in der Johannesoffenbarung sei "eine hochentwickelte Martyriumstheologie" vertreten, meiner Meinung nach nicht so plakativ halten.

Mit der Ankündigung im Vorwort, die Leser in ein fesselndes Panorama einzuführen, hat Peter Busch keineswegs zu hoch gegriffen. Dank seinem Buch erscheint uns die Szenerie in und um Apk 12 um einiges reicher und vielfältiger.