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Ausgabe:

Juli/August/2007

Spalte:

784–786

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Finlay, Timothy D.

Titel/Untertitel:

The Birth Report Genre in the Hebrew Bible.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2005. XI, 292 S. gr.8° = Forschungen zum Alten Testament. 2. Reihe, 12. Kart. EUR 59,00. ISBN 3-16-148745-1.

Rezensent:

Jutta Krispenz

Timothy Finlay lehrt an der Azusa Pacific University in Kalifornien »Biblical Studies«. Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung seiner Dissertation. Sie wurde an der Universität von Claremont unter der Betreuung von Marvin Sweeney verfasst. Die Arbeit bewegt sich im Rahmen formkritischer Methodologie und widmet sich den Geburtsberichten der hebräischen Bibel. In der Einleitung seiner Studie trägt F. dieser methodologischen und thematischen Zielsetzung Rechnung, indem er unterschiedliche terminologische Einordnungen der Geburtsberichte und deren Zugangsweise auf ihre Fähigkeit hin untersucht, die fraglichen Texte in ihren unterschiedlichen Dimensionen zu erfassen. Dies führt ihn zur Unterscheidung der Geburtsberichte (birth report) von den bloßen Geburtsnotizen (birth notice).
Von dieser ersten Tour d’Horizon aus geht F. rasch zur grundsätzlicheren Frage über, wie denn eine Textsorte bestimmt werden könne. F. diskutiert die Ansätze der »Väter« der formgeschichtlichen Methode und, ausführlicher, neuere Arbeiten zur formkritischen Methode von R. Alter, R. Knieriem und A. Campbell. Diese Diskussion mündet ein in eine Darlegung von F.s eigenem Ansatz, der auf vier Annahmen basiert: 1. Der formkritische Zugang ist für manche Texte ergiebiger als für andere. 2. Der »Sitz in der Literatur« ist für die Gattung von Teiltexten bedeutungsvoll. 3. Für Erzählgattungen fehlt es in der formkritischen Debatte an einer Hierarchie der unterschiedlichen Gattungen. 4. Der Inhalt ist Teil des Gattungsschemas. Vor diesem Hintergrund möchte F. neben den diachronen Methoden neuere synchron orientierte narratologische Ansätze berücksichtigen und Anliegen feministischer Exegese im Auge behalten, im Übrigen aber eine Analyse der Elemente aller Geburtsberichte im Alten Testament liefern und die Texte in ihrem literarischen Zusammenhang diskutieren.
Dieser Aufgabe widmet sich das Buch in den folgenden fünf Kapiteln. F. stellt dabei den Textanalysen ein Kapitel voran, welches die in Frage kommenden Texte auflistet und deren konstituierende Elemente erhebt, nicht ohne zuerst Vorgängerarbeiten zu referieren. Die Texte, die F. dann anvisiert, enthalten entweder kurze Geburtsno­tizen oder breiter ausgeführte Geburtsberichte. Letzteren gilt die vorrangige Aufmerksamkeit F.s. Als Elemente des Geburtsberichts erarbeitet er das Empfängniselement (conception element), das Ge­burtselement (birth element), das Element der Namensgebung (na­ming element) und ein ätiologisches Element (etiological element). Zu diesen Elementen kommen noch weitere hinzu, die den Rahmen der Geburtsberichte ausmachen: Die Erwähnung des Erwerbs der Frau (acquisition element) gehört zu diesen Elementen, ebenso die Erwähnung des stattgefundenen Geschlechtsverkehrs (intercourse element) oder die Feststellung, dass durch göttliches Eingreifen die Unfruchtbarkeit – der Frau, versteht sich – beseitigt worden sei (divine removal of infertility element). F. stellt die Elemente in ihren typischen Formen und auch in ihrer Variabilität vor. Zur Ermittlung des »Sitzes im Leben«, den F. im Fall der Geburtsberichte für wenig bedeutsam, weil zwangsläufig spekulativ hält, vergleicht er die Geburtsberichte der Bibel mit dem, was heutige Geburtsanzeigen erwähnen würden, um festzustellen, dass die Berichte der Bibel offenbar lange nach dem Ereignis geschrieben wurden. Der »Sitz in der Literatur« dagegen hat auf die Form des Berichtes Einfluss. F. unterscheidet die literarischen Kontexte der Genealogie, der »annunciation type-scenes« (42 u. ö.) und der prophetischen Zeichenhandlungen. Eine mögliche Gattung »Biographie« als Kontext eines Geburtsberichtes zieht F. so wenig in Erwägung, dass der Begriff weder bei den möglichen Kontexten noch in dem (sehr knappen) Stichwortverzeichnis am Ende des Buches auftaucht.
Die Darstellung der Texte zu den Hauptformen der Geburtsberichte (Berichte in Genealogien, »annunciation type-scenes« und Geburtsberichte in Erzählungen von prophetischen Zeichenhandlungen) nimmt F. nach einem festen Schema vor. Jedem der Kapitel zu den drei Hauptformen wie auch dem Kapitel zu den verbleibenden »miscellaneous birth reports« ist ein Abschnitt vorangestellt, der die einschlägige Literatur referiert. Die Präsentation der Texte beginnt mit der Übersetzung des jeweiligen Textes, erläutert dann die Struktur (faktisch bietet F. hier jeweils eine Gliederung des Textabschnittes) und schließlich das »setting«. Der letztgenannte Unterpunkt gibt F. nicht selten Anlass, ausführlich die Literatur zum Text zu referieren und dabei gelegentlich auch auf feministisch-theologische Belange hinzuweisen. Diese Präsentation des Textbefundes stellt den bei weitem größten Teil des Buches dar, 36 Texte werden hier behandelt, wobei die drei von F. benannten Haupttypen zusammen 30 Texte ergeben (die Geburtsberichte in prophetischen Zeichenhandlungen stellen dabei freilich spärliche zwei Texte), der allergrößte Teil der Belege lässt sich somit in die vorgeschlagene Typologie integrieren.
In einem Abschlussteil resümiert F. sein Vorgehen und die Ergebnisse seiner Arbeit. Zu den Stärken des Buches gehört seine klare Strukturierung. Jedes Kapitel hat eine eigene Zusammenfassung, die Vorgehensweise ist überall klar verständlich. Auch die ausführliche Darstellung der Diskussionslage in den verschiedensten Zusammenhängen wird man zu diesen Stärken des Buches rechnen dürfen. Freilich kommt an dieser Stelle auch eine schwächere Seite der Arbeit in den Blick: F. referiert zwar stets penibel alle unterschiedlichen Positionen, versäumt es dabei aber, seinen eigenen Standpunkt deutlich zu machen. Den müsste der Leser dann aus seinem Vorgehen indirekt erschließen. In den Exegesen, die F. durchführt, führt er akribisch Buch über jedes Detail (an manchen Stellen hätte die Rezensentin sich Tabellen gewünscht, die die Varianten für die einzelnen Elemente im Überblick dokumentiert hätten), der Sinn der Geburtsberichte, ihre Bedeutung, kommt dabei kaum in den Blick, auch dort nicht, wo F. die einzelnen Erzählungen in ihrem literarischen Kontext interpretiert. Dafür hätte F. wohl doch seinen Horizont etwas weiter abstecken müssen:
Ein Geburtsbericht unterscheidet sich z. B. von einem Schlachtenbericht darin, dass ersterer – bei aller möglichen Dramatik des Ereignisses – doch einen banalen Allerweltsvorgang beschreibt. Wenn so etwas überhaupt beschrieben wird, muss man dafür einen Grund haben. Nach diesem Grund fragt F. aber, wenn überhaupt, nicht genug. Ein Blick auf außerbiblische altorientalische Geburtsberichte hätte hier wohl Verständnismöglichkeiten eröffnet, F. be­rück­sichtigt außerbiblische Quellen nur im Zusammenhang der Moseerzählung, wo er die Sargonlegende einbezieht – bei der wiederum nicht der Ge­burtsbericht im Zentrum steht.
Verwunderlich ist auch, dass F. nirgendwo auf den auffälligen Tatbestand eingeht, dass die Geburtsberichte – zumindest diejenigen, die er behandelt – in den Büchern der hebräischen Bibel so ungleichmäßig verteilt sind: Von 36 Berichten finden sich 14 in der Genesis, zehn im 1. Chronikbuch, im deuteronomistischen Ge­schichtswerk dagegen nur fünf, darunter offenbar nicht ein einziger in einer Genealogie.
Der Band, den eine ausführliches Literaturverzeichnis sowie drei Register (Bibelstellen-, Autoren- und Sachregister) vervollständigen, ist methodologisch sorgfältig und in seiner Anlage stringent gearbeitet. Allerdings bleibt F. dann doch zu sehr in seinem eng gesteckten Rahmen. Die interessanten Fragen – nach der Funktion biographischer Elemente in einem kulturellen Zusammenhang, der kein Totenreich kennt, oder nach den Gründen für die un­gleich­mäßige Verteilung der ausführlicheren Geburtsberichte in der he­bräischen Bibel oder auch danach, wie die Geburtsgeschichten den Schnittpunkt zwischen Individuum und Gemeinschaft darstellen, den eine Geburt zwangsläufig impliziert – werden kaum berührt. Hier hätte man tiefergehend fragen und antworten können.