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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1107 f

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Köster, Uwe

Titel/Untertitel:

Studien zu den katholischen deutschen Bibelübersetzungen im 16., 17. und 18. Jahrhundert.

Verlag:

Münster: Aschendorff 1995. XXIII, 483 S. gr.8° = Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, 134. Kart. DM 188,­. ISBN 3-402-03796-3.

Rezensent:

Brigitte Döring

Die von Karl Stackmann betreute, im WS 1992/93 vom Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften der Universität Göttingen angenommene Dissertation bietet eine auf gründlichen Recherchen fußende, vielfältige Facetten ihres Gegenstandes reflektierende Darstellung, deren Anliegen der Nachweis ist, "daß die Bibelausgaben von Emser, Dietenberger und Eck ungeachtet ihrer ursprünglichen Funktionsbestimmung als Gegenentwürfe zur Lutherbibel eine eigene Tradition katholischer Bibelübersetzung begründeten", wobei vor allem "die Rezeption der katholischen Bibeln unabhängig von den Umständen ihrer Entstehung als ein eigenwertiger Vorgang" (4) in ihrem "Prozeßcharakter" herausgearbeitet werden sollte.

Da nur "eine möglichst vollständige Erfassung aller katholischen Bibeldrucke ... eine sichere Grundlage für eine längsschnittartige, zusammenfassende Untersuchung ihrer Geschichte bis ins 18. Jahrhundert hinein" (344 f.) bieten kann, legt K. als Grundlage für seine Untersuchungen eine in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auf persönlicher Einsichtnahme begründete Bibliographie vor, die die Bestände von 209 deutschen und internationalen Bibliotheken berücksichtigt. An die 109seitige Bibliographie schließt sich eine Synoptische Übersicht über die wichtigsten bibliographischen Verzeichnisse, die katholische Bibelausgaben des 16.-18. Jh.s erfassen (466-476), an.

Durch Bibliographie und Synopse werden bisher vorliegende bibliographische Hilfsmittel z. T. auch korrigiert. Profunde Kenntnis und umfassende Berücksichtigung der Forschungsliteratur wird über das Literaturverzeichnis (XI-XXIII, in sich gegliedert nach: Lexika und Handbücher, Ausstellungskataloge, Bibliographien, Quellentexte und Forschungsliteratur ) hinaus im Anmerkungsapparat sichtbar, wobei die Aufnahme aller Titel in das Literaturverzeichnis dieses zwar umfangreicher, die Publikation in ihrer Gesamtheit aber noch rezipientenfreundlicher hätte werden lassen. Die für die Beweisführungen im Untersuchungsteil wesentlichen Originaltexte (Bibelvorreden, Druckprivilegien, Widmungen etc.) finden als Regesten (277-343) mit z. T. umfangreichen Originalpassagen Aufnahme. Dies ermöglicht dem Leser nicht nur die Bezugnehme auf den jeweiligen Gesamtkontext, sondern vermag darüberhinaus auch Einsichten zu vermitteln in Mentalitäten der Übersetzer und andere Zeitspezifika. Für den historisch Interessierten bieten diese Passagen vielfältige Ansätze für weiterführende Überlegungen.

Die derartig materialreich fundierten Untersuchungen beschreiben im einführenden Teil (1-62) die Bibelübersetzungen von H. Emser, J. Dietenberger und J. Eck sowie deren frühe, d.h. vor 1550 zu datierende Überarbeitungen, wobei auch Forschungsstand und -tendenzen referiert werden. Ausgehend von der Hypothese, daß "Vorreden, Beigaben und Kommentierungen ... eher als der im allgemeinen konstant bewahrte Bibeltext Aufschlüsse über einen sich allmählich verändernden Funktionswandel katholischer Bibelübersetzungen geben" (4) können, werden in den folgenden Kapiteln vor allem die Argumentationsmuster herausgearbeitet, "mit denen die Veröffentlichung von Bibelübersetzungen legitimiert, Herausgeber- und Leserinteressen formuliert, das inhaltliche Verständnis der Heiligen Schrift vorbereitet und die Bibellektüre in den Gesamtzusammenhang des Glaubenslebens eingebettet wurden" (4). Dabei stellt der Autor im 2. ( Die Verbreitung der Übersetzungen von Emser, Dietenberger und Eck ab 1550; 63-103) und 4. Kapitel (Die katholischen Bibelübersetzungen im späten 17. und im 18. Jahrhundert; 160-211) ­ der Chronologie folgend ­ die Gesamtheit der für den jeweiligen Zeitraum nachgewiesenen Bibelübersetzungen vor. Im 3. Kapitel beschäftigt er sich ausschließlich mit der Überarbeitung der Dietenbergerbibel im 17. Jahrhundert (104-159). Hier werden ­ neben den Entstehungsumständen ­ für die Übersetzung Caspar Ulenbergs vor allem übersetzungstheoretische, d. h. Fragen des Selbstverständnisses Ulenbergs als Bibelübersetzer, für die Mainzer Bibel dagegen auch Fragen sprachlicher Veränderungen erörtert. Wiederum die Gesamtheit berücksichtigend, bietet das 5. Kapitel Verbreitung und Rezeption der katholischen Bibelübersetzungen (212-269) eine Zusammenstellung der diese Prozesse prägenden Faktoren.

Die Analysen der Vorreden verdeutlichen "konträre Standpunkte innerhalb der römischen Kirche zur Frage der Verbreitung volkssprachlicher Bibelübersetzungen ... Das Meinungsspektrum reicht von der Ablehnung deutscher Bibeln und Warnung vor ihrer Lektüre über die zögernde Billigung als Korrektiv zu den protestantischen Bibelübersetzungen bis hin zur Befürwortung der Bibelübersetzung als Medium der Glaubensvertiefung für den Laien" (270), was in letzter Konsequenz eben auch die Akzeptanz der Bibellektüre durch den einfachen Gläubigen impliziert. Minutiös und mit vielen überzeugenden Detailaussagen wird der Weg der schrittweisen Legitimierung deutscher Bibelübersetzungen durch und für die katholische Kirche im angegebenen Zeitraum nachvollzogen und für den Leser nachvollziehbar gestaltet.

K. verdeutlicht dazu im einzelnen die zunächst von den Interessen der Gegenreformation bestimmten Initiativen der kirchlichen oder weltlichen Obrigkeit bei der Herausgabe katholischer Bibelübersetzungen, berührt im Zusammenhang mit der Erörterung von Fragen der Drucklegung aber auch kommerzielle Interessen, expliziert die aus dem "Erstarken der landesherrschaftlichen Souveränität der geistlichen Fürsten" (229) resultierende Regionalisierung des Bibeldrucks und äußert sich im einzelnen auch zu Fragen des Sprachgebrauchs sowie des Sprachwertes und -wandels. Offensichtlich wird dabei in den verschiedensten thematischen Zusammenhängen immer wieder auch Beeinflussung durch die Lutherbibel, deren Verbreitung die katholischen Bibelübersetzungen nicht einzudämmen vermochten.

In ihrer äußeren Form ansprechend gestaltet, sich durch flüssige, leserfreundliche Sprache auszeichnend, vertieft die Publikation Einsichten und öffnet Ausblicke, die für historisch interessierte Leser unterschiedlichster Provenienz gewinnbringend sein dürften.