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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1099 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Waldstein, Michael, u. Frederik Wisse [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Apocryphon of John. Synopsis of Nag Hammadi Codices II,1; III,1; and IV,1 with BG 8502,2.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1995. XI, 24 S. gr.8° = Nag Hammadi and Manichaean Studies, 33. Lw. $ 97.­. ISBN 90-04-10395-3.

Rezensent:

Holger Strutwolf

Manchmal ist es schon erstaunlich, wie lange es dauert, bis ein offensichtlich bestehendes Desiderat in der Forschung tatsächlich ausgefüllt wird. Seit dem sensationellen koptischen Handschriftenfund von Nag Hammadi liegt das Johannesapokryphon in vier koptisch geschriebenen Handschriften vor, den drei 1945 in Nag Hammadi gefundenen Codices NHC II,1; III,1 und IV,1 und einer schon seit 1896 bekannten, aber durch widrige Umstände erst im Jahre 1955 von Walter C. Till und Hans-Martin Schenke zum ersten Mal edierten Berliner Handschrift (BG 8502). Die drei Textzeugen von Nag Hammadi wurden im Jahre 1962 von Martin Krause und Pahor Labib herausgegeben.

Erst jetzt aber, über fünfzig Jahre nach dem Fund von Nag Hammadi, wird eine Synopse aller vier Zeugen vorgelegt, ein Hilfsmittel, auf das die Forschung lange gewartet hat. Die Notwendigkeit einer synoptischen Edition der Zeugen des Johannesapokryphon ergibt sich aus der Überlieferungslage des Textes selbst, da die Handschriften verschiedene Stadien der Redaktionsgeschichte des Textes repräsentieren: Zwei der vier Handschriften des Textes stellen zwei unabhängig voneinander entstandene Übersetzungen einer griechischen Kurzfassung des Textes dar, während die anderen beiden Manuskripte die koptische Übersetzung einer Langfassung des Textes bezeugen. So ermöglicht es die Mehrfachüberlieferung des Johannesapokryphon, exemplarisch Einblick in die Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte eines gnostischen Zentraltextes zu gewinnen.

Nach einer kurzen, nur acht Seiten umfassenden Einleitung, in der nach den Handschriftenbeschreibungen knapp das Verhältnis der verschiedenen Fassungen der Johannesapokryphons zueinander skizziert wird, werden in vier parallelen Kolumnen die koptischen Texte jeweils auf der oberen Hälfte einer Doppelseite nebeneinander abgedruckt. Auf der unteren Seitenhälfte ist jeweils eine neue englische Übersetzung der koptischen Texte gegeben, wobei auf eine eigene Übersetzung von NHC IV,1 verzichtet wurde, da sie "dieselbe koptische Version" wie NHC II,1 repräsentiert. Diese Übersetzungen sind gründlich und genau.

Der Apparat am Seitenende ist äußerst knapp gehalten. Diese Prägnanz ist u. a. dadurch möglich, daß sich durch die synoptische Darstellungsform des Textes Verweise auf die Parallelüberlieferung im Apparat meist erübrigen. Die Synopse stellt eine neue Textedition aller vier Zeugen dar, haben die Herausgeber doch die Manuskripte selbst herangezogen und wichtige Verbesserungen in der Textkonstitution ­ besonders im Falle jener vielen fragmentarisch erhaltenen Seiten der Codices ­ erzielen können. Diese Verbesserung der Textgrundlage stellt neben der synoptischen Darstellungsform den eigentlichen editorischen Fortschritt dieser Ausgabe dar. Der Synopse sind sechs Appendices angeschlossen.

Der erste enthält eine Synopse von NHC III,1,16,5-17,17 und BG 8502,40,19-41,12, die in der Edition schon in 28,13-29,4 ediert sind, und NHC II,1,12,26-33, das in der Edition unter 33,3-12 steht. Die Verdoppelung dieser Passagen ist nötig, da die Editoren die Textfolge der einzelnen Handschriften im Rahmen ihrer synoptischen Gegenüberstellung nicht antasten wollen, die parallele Passage aber in NHC II und IV an anderer Stelle steht. Das gleiche gilt für die in Appendix 2 synoptisch abgedruckten Texte von NHC III und BG (26,16-27,9 in der Zählung der Edition) und NHC II (26,16-18; 30,9-12 Editionszählung). Der Appendix 3 bietet eine Synopse dreier Fassungen des Johannesapokryphon mit der Parallele aus der Allogenes-Schrift NHC XI, während in Appendix 4 die parallelen Berichte von Irenaeus, Adversus Haereses I,29 und Theodoret von Cyrus, Haer. Fab. 13, sowohl in ihrem lateinischen bzw. griechischen Originaltext als auch in jeweils englischer Übersetzung nebeneinandergestellt werden. Appendix 5 bietet eine englische Übersetzung einer syrischen Anführung des Theodor Bar Koni aus einer von dem Häretiker Audius benutzten Johannesapokalypse in Gegenüberstellung zur englischen Übersetzung von BG 49,9-50,4, NHC III, 22,18-23,6 und II,15,13-23 (Editionszählung). Der Appendix 6 bietet schließlich den koptischen Text und eine englische Übersetzung des Bala’izah-Fragments 52, das einige Berührungspunkte mit dem Johannesapokryphon hat.

Der Edition ist eine umfassende Forschungsbibliographie zum Johannesapokryphon beigegeben. Vorzügliche und genaue Indices der koptischen und griechischen Worte sowie der im Text vorkommenden Eigennamen schließen den Band ab.

Diese synoptische Neuedition des Johannesapokryphon, die auch drucktechnisch vorbildlich gestaltet ist, ist hochwillkommen. Man kann den beiden Herausgebern für die Erstellung eines solchen Hilfsmittels, das hoffentlich die weitere Erforschung dieser wichtigen gnostischen Schrift befruchten wird, nur dankbar sein.