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Ausgabe:

Dezember/1997

Spalte:

1095 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

King, Karen L.

Titel/Untertitel:

Revelation of the Unknowable God. With Text, Translation, and Notes to NHC XI,3 Allogenes.

Verlag:

Santa Rosa, CA: Polebridge Press 1995. VIII, 215 S. 8° = California Classical Library. ISBN 0-944344-44-5.

Rezensent:

Uwe-Karsten Plisch

Nachdem sich K. bereits in ihrer im Gedankenaustausch mit dem Berliner Arbeitskreis für Koptisch-Gnostische Schriften entstandenen philosophischen Dissertation von 1984: The Quiescent Eye of the Revelation mit der dritten Schrift aus Nag-Hammadi-Codex XI, Allogenes, auseinandergesetzt hatte, legt sie nun mit der hier zu besprechenden Arbeit die Frucht weiteren langjährigen Nachdenkens über diesen Leittext philosophischer (platonischer) sethianischer Gnosis vor.

Die geistige Nähe zum Berliner Arbeitskreis findet zunächst einen ganz formalen Niederschlag im Aufbau des Buches, der stark an den der kommentierten Textausgaben der Reihe "Texte und Untersuchungen" angelehnt ist, wobei es K. gelungen ist, frei von Zwängen einer Reihengestaltung, einige schätzenswerte strukturelle Verbesserungen in die Buchgestaltung einzubringen. Das Werk besteht, abgesehen von Vorwort, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis, aus drei Kernteilen, einer Introduction, gegliedert in: Plot Summary, Myth and Ritual, The Divine Hierarchy, Sethian Gnosticism, The Gnostics of Plotinus, Genre, Date and Provenance, Manuscript, Orthography, Language; dem Hauptstück (76-185) Text, Translation and Notes, das außerordentlich anspruchsvoll gestaltet ist, indem jeweils der linke obere Teil einer Doppelseite den koptischen Text bietet, der rechte obere die Übersetzung, während fortlaufend in den unteren Teilen der Kommentar geboten wird, der kommentierte Text also jeweils unmittelbar vor Augen ist, hin- und herblättern mithin ebenso entfällt wie (nun) überflüssiges (erneutes) Zitieren des zu kommentierenden Textes im Kommentar; den dritten Kernteil schließlich bildet ­ ganz am Ende des Buches, was die Handhabung wiederum erleichtert ­ ein vollständiges Register aller im Text des Allogenes vorkommenden (koptischen) Wörter und Formen einschließlich sämtlicher Stellen. Allogenes wird von K. in das erste Viertel des 3. Jh.s datiert, vor allem aufgrund der Kenntnis, die Plotin von dieser Schrift hatte, wie K. mit guten Argumenten plausibel macht (60). Als Entstehungsort wird Alexandria erwogen. Dem Verhältnis der Benutzer von Allogenes zum Kreis um Plotin einerseits sowie dem Verhältnis von (neuplatonischer) Philosophie und (sethianischer) Mythologie innerhalb der Schrift andererseits sind zudem in der Einleitung eigene aufschlußreiche Passagen gewidmet. Die Einordnung der Schrift in die sethianische Gnosis erfolgt im übrigen nicht a priori, vielmehr wird die Frage des Sethianismus im Gespräch mit den Ansichten H.-M. Schenkes und J. D. Turners und in Auseinandersetzung mit der Position F. Wisses in einem gesonderten Abschnitt der Einleitung eigens beleuchtet. Im Abschnitt Language (65-74) werden akribisch die sprachlichen Besonderheiten in NHC XI,3 aufgelistet, darunter so bemerkenswerte Dinge wie die außerhalb Allogenes nicht belegten Vokabeln soch, sach= (mit Metathesis: sahc=) be limited und piouato the multitude, selten bezeugtes relativisch transponiertes energetisches Futur (etefe, 73) und das zweimal belegte, durch bloßes e substantivisch transponierte Perfekt (ea, eaf, 73).

Die Beschreibung der Sprache als "a standard Sahidic" (65) kann nach neueren, nach K.s Arbeit erschienenen Untersuchungen W.-P. Funks so nicht aufrecht erhalten werden.(1) Laut Funk ist die Sprache von Allogenes "clearly of northern provenance"(2). Dafür sprechen u. a. die Häufigkeit und Verwendung von pi-, ti-, ni-, die typisch bohairische Umschreibung des Possessivartikels (p. 46,12), die Verwendung von Zahlzeichen statt Zahlwörtern (p. 45,37), der Stativ meh statt méh.

Die Textausgabe konnte K. bereits im kritischen Dialog mit J. D. Turners kritischer Edition erarbeiten; auch hier markiert ihre Arbeit einen deutlichen Fortschritt in der Erschließung des Textes (die Ergänzung von "pe" [p. 45,9] ist allerdings syntaktisch nicht notwendig, verkürzte Cleft Sentences, ohne Demonstrativpronomen, sind auch sonst belegt). Der Kommentar, dessen Vorzüge hier nicht im einzelnen gewürdigt werden können, weshalb im folgenden nur einige Höhepunkte benannt werden, beginnt (76) mit einer interessanten Erwägung zum verlorengegangenen Anfang des Allogenes. Durch Vergleich mit der inhaltlich nicht verwandten Epistula Jacobi apocrypha (NHC I,2) (= Apocryphon of James; an zwei Stellen S. 76 steht versehentlich Apocalypse of James) kommt K. zu der Erwägung, die ersten Zeilen könnten "a short epistolary address from Allogenes to Messos" (76) enthalten haben, das meint in letzter Konsequenz: "the whole apocalypse is an epistolary narration to Messos" (77).

Die von H.-M. Schenke mit aller Vorsicht geäußerte Idee einer möglichen Identifikation von Messos mit Mose3 wird von K. übrigens kurz referiert (108 f.), aber nicht weiter diskutiert, obwohl sie der von ihr konstatierten und analysierten auffälligen Abwesenheit sethianisch-jüdischer Topoi in Allogenes letztlich nicht widerspricht. Mir selbst ist diese Idee immer als die lautere Wahrheit erschienen, vor allem, da sie das Allogenes zugrunde liegende Zeitschema verständlich macht. Die Brücke zu Mose läßt sich übrigens auch über die Gestalt der Iouel schlagen: K. zeigt (in ihrem instruktiven Abschnitt über Iouel, 45 f.) selbst den Weg ­ ohne ihn zu gehen. Klarheit bringt K.s Analyse der aufgrund ihrer wechselseitigen Durchdringung philosophischer und mythologischer Topoi schwierigen und interessanten Passage über den "Steuermann" (petrhmme) p. 53,9b-17, die K. folgendermaßen paraphrasiert: "Barbelo, being present (potentially) in the steersman (the Triply-powered), moved motionlessly by a noetic activity ­ lest he (Barbelo) should sink down into the Boundless (the Invisible Spirit). And Barbelo went into himself. He (Barbelo) appeared having set all limits" (121).

Sehr überzeugend ist K.s Interpretation der Metapher pibal ethork mmof nte piou(nh ebol "the quiescent eye of the revelation" (p. 64,31 ff.), die sie mit dem göttlichen Adam in Beziehung setzt (170 ff.). Die Vorzüge des Registers wurden oben schon angedeutet: es bietet sämtliche koptischen Wörter und (grammatischen) Formen, unter Einbeziehung der Setzung des Supralinearstriches (letzteres nicht ganz konsequent), griechischen Lehnwörter, Eigennamen und magischen Äußerungen unter Angabe sämtlicher Stellen, repräsentiert mithin den gesamten Text des Allogenes und ist also von der Art, die man sich als Richtschnur aller künftig zu erstellenden Register wünschte.

Es haben sich nur wenige Fehler eingeschlichen bzw. sind unbemerkt geblieben: 205 und 214 l. energeia, 208 l. sotm (intr.), 211: hathe with circumstantial of empate ist mißverständlich, empate ist circumstantial, 212 l. horkÝ statt hrokÝ, 212 l. hina, 213 l. genos (nn.m.), 214 l. periousia, 215 l. phriktos. Die differenzierte Auflistung von laau (204) war mir ein besonderes Vergnügen.

Fussnoten:

(1) Zuletzt W.-P. Funk, The Linguistic Aspect of Classifying the Nag Hammadi Codices, in: L. Paichaud/A. Pasquier (Edd.), Les textes de Nag Hammadi et le problème de leur classification (BCNH, Section Études 3), Louvain 1995, 107-147.
(2) A. a. O. 129.
(3) Vgl. H.-M. Schenke, Bemerkungen zur Apokalypse des Allogenes (NHC XI,3), in: Coptic Studies: Acts of the Third International Congress of Coptic Studies, Warsaw, 20-25 August 1984. Ed. Wlodzimierz Godlewski, Varsovie 1990, 422.