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Ausgabe:

März/1999

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grelot, Pierre

Titel/Untertitel:

Jésus de Nazareth, Christ et Seigneuer. Une lecture de l’Évangile. Tome II.

Verlag:

Paris: Cerf; Montreal: Novalis 1998. 553 S. 8 = Lectio Divina, 170. Kart. fFr 280.-. ISBN 204-05710-X u. 2-89088-878-9.

Rezensent:

René Kieffer

Die Skepsis gegenüber einer Jesusgeschichte, die "eine kleine menschliche Geschichte" schildern will, zeichnet auch Pierre Grelots zweiten Band aus (siehe unsere Besprechung des ersten Bandes in ThLZ 123, 1998, 189 f.). Im vorliegenden Band beschreibt der Vf. "Jesu Weg zum Tode" in acht Kapiteln: das synoptische Thema "auf dem Wege" (Kap. 12); das johanneische Laubhüttenfest und der letzte Winter, mit Einschluß der Auferweckung des Lazarus (Kap. 13-14); Jesu Einzug in Jerusalem und Gottes künftiger Plan (Kap. 15-16; hier steht die synoptische Darstellung im Zentrum); Jesu letzte Mahlzeit, das Urteil über Jesus, Jesu Tod (Kap. 17-19; hier werden Johannes wie auch die Synoptiker benutzt).

Der zweite Teil des ganzen Werkes behandelt "Jesus, Christus und Herr" in folgenden Kapiteln: die Überras chung des Ostermorgens (Kap. 20); die Offenbarungen des Auferstandenen (Kap. 21; 1Kor 15,3-8 bildet den Ausgangspunkt); Jesu Ursprung nach Matthäus und Lukas (Kap. 23-24); schließlich "die Betrachtung des glorreichen Christus" in Phil 2,6-11; Kol 1,15-20; Hebr 5,5-10; Offb 1; 19; Joh 1,1-18 (Kap. 25).

In einer Nachschrift unterstreicht G., daß er die rationalistische Gegenüberstellung des historischen Jesus und des Christusglaubens als falsch ansieht, da es ja nur einen Jesus von Nazareth gegeben hat, der für den Vf. wie für die Evangelisten im Lichte der Auferstehung immer schon der Christus und der Herr ist. G. will daher keine Streichungen in unseren Evangelien machen, sondern alles von historischen und theologischen Ausgangspunkten beleuchten. Für ihn gibt es kein neutrales Lesen der Evangelien, da diese unsere eigene Existenz in Frage stellen. Aber er will die Texte so "objektiv" wie möglich und auch "kritisch" besprechen.

Diese klare programmatische Stellungnahme hat Vor- und Nachteile. Der Leser wird aufgefordert, mit dem Vf. die grundlegende Zuverlässigkeit der Evangelien als Glaubender zu bejahen. Aber ein Glaubender, der mehr "kritisch" ist, und wohl noch mehr ein nichtchristlicher Exeget sind enttäuscht über die Problemlosigkeit, mit welcher G. viele Texte auslegt. Man hat den Eindruck, daß der bedeutende französische Exeget seine eigenen Aufzeichnungen unter einer langen Lehrtätigkeit einem breiteren Leserkreis zugänglich machen will. Dabei vertieft er Probleme, die ihm am Herzen liegen: das ursprüngliche Abendmahl, mit einer Kritik gegenüber J. M. van Canghs Hypothese (233 f.), die Jungfraugeburt (466 ff.) und die Geschwister Jesu (325.435 f.). In anderen Auslegungen werden wichtige Fragen unterschlagen, die Exegese ist allzu einfach, gründliche Studien zu den kommentierten Texten werden kaum erwähnt. - Man kann dem Autor zustimmen: Dieses großangelegte Werk von mehr als tausend Seiten sagt kaum alles. Es ist ein persönliches Zeugnis eines aufmerksamen Lesers der Evangelien, der in anderen Werken seine exegetische Kompetenz klarer gezeigt hat.