Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/1998

Spalte:

97–99

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Groß, Engelbert, u. Klaus König [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religionsdidaktik in Grundregeln. Leitfaden für den Religionsunterricht.

Verlag:

Regensburg: Pustet 1996. 224 S. gr.8°. Kart. DM 34,­. ISBN 3-7917-1505-4.

Rezensent:

Rainer Lachmann

Vorliegender Sammelband will in 10 unnumerierten Kapiteln einen "Leitfaden der Fachdidaktik" für einen Religionsunterricht (= RU) bieten, in dem Schüler "über das Phänomen Religion nachdenken", eigene Fragen klären sowie mit "religiöser Tradition umgehen" lernen. Primärer "Gesprächspartner" in diesem Lernprozeß soll die "christliche Theologie" sein, in der "religiöse Erfahrung einer langen Zeit und vieler Menschen dialogfähig bedacht und geborgen ist" (7). Wer dabei dieses Gespräch führen soll, bleibt in der Schwebe; ebenso die Adressaten, für die das Buch bestimmt ist. Dafür erklärt das Vorwort die Struktur des "neuen Zugangs" zur Religionsdidaktik über "Grundregeln": Zuerst lernzielmäßige Formulierung der "Grundregel", dann in einem Dreischritt "Didaktische Problemanzeige", "Fachliches Fundament" und "Elemente der Grundregel". Entsprechend dieser didaktisch stringenten Gliederungssequenz sind alle Einzelbeiträge aufgebaut, was dem Band bei aller Verschiedenheit seiner religionspädagogischen ’Gewährsmänner’ transparente Einheitlichkeit verleiht und ihn vor allem vom Ruch didaktischer Reglementierung befreit.

Die beiden ersten Kapitel befassen sich mit "prinzipiellen religionsdidaktischen Grundregeln I und II" (9-48), die als "Subjektorientierung" und "Dimensionen des Ästhetischen" (G. Hilger) sowie "Differenzismus" (= "Vorhandensein differenter Positionen") und "Kommunikation" (H.-G. Ziebertz) ausgelegt werden. Das sind zweifelsohne unverzichtbare Prinzipien heutiger Religionsdidaktik, die sich allerdings auch von nur einem Autor in einem Kapitel hätten abhandeln lassen. Vielleicht wären sie dann nicht so ’eklektisch’ ausgefallen, und hätten noch weitere wichtige didaktische Prinzipien kompetente Berücksichtigung finden können.

Als ein erster Lernerfolg im Sinn der ’differenzismischen’ Grundregel läßt sich im Binnenbereich des Buchkonzepts der Beginn mit J. Lähnemanns "Weltreligionendidaktischen(?) Grundregeln" (49-67) verbuchen, wodurch nicht nur die Reihenfolge, sondern auch der Umfang des traditionellen Fächerkanons christlicher Theologie gesprengt wird. Der evangelische Religionspädagoge plädiert hier für einen "Unterricht in der Begegnung" mit den Weltreligionen, in dem bei aller dialogischen Offenheit die konfessionsgebundene "Vergegenwärtigung der Grundstrukturen und -erscheinungsformen des christlichen Glaubens in unserem Lebenskontext einen vorrangigen Stellenwert" behält (89). Hier hätte es Sinn gemacht, wenn die "missionsdidaktischen Grundregeln", die E. Groß am Schluß des Buches verhandelt (203-223), unmittelbar angeschlossen hätten ­ im übrigen ein in der Lehramtsausbildung eher ungewöhnliches ’Regelwerk’, gleichwohl verdienstvoll und decouvrierend in dem fachterminologisch überlasteten Bemühen, sich von einem überholten Missionsverständnis abzusetzen.

Nach dem weltreligionendidaktischen ’Aus- und Aufreißer’ mündet die Gliederung des Bandes ein in den herkömmlichen theologischen Fächerkanon, und es werden nacheinander die "Bibeldidaktische(n) Grundregeln: Altes Testament" (A. A. Bucher) und "Neues Testament" (W. Langer) behandelt (68-111). Was in der evangelischen Religionsdidaktik bisher noch eher ein Randphänomen ist, folgt im 6. Kapitel als "Liturgiedidaktische Grundregeln" (K. König, 12-130), die in traditioneller Manier von den säkularen, über die religiösen Liturgien zum "Gottesdienst als Kommunikation" führen. So didaktisch ergiebig das entdeckende Wahrnehmen säkularer Liturgien für den RU ohne Zweifel auch ist, so religionspädagogisch ungeklärt und problematisch bleibt in Königs Beitrag das Verhältnis "von schulischem Gottesdienst und nicht-liturgischem RU", der dann doch gottesdienstliche Verhaltensweisen einüben soll und als "der wichtigste und bevorzugte Ort einer schulischen Gottesdienstfeier" ausgegeben wird (128). ­ Didaktisch ausgesprochen offen und problembewußt präsentieren sich die "Dogmatikdidaktischen Grundregeln" (E. Groß, 131-162), die in existential-dogmatischer Intention eine "Didaktik der Verheißungen" inszenieren wollen, welche die Schüler einlädt, "die ’Glaubenssicht’ des Christlichen sozusagen probehalber einzunehmen" (137).

Ohne die "charakteristische Binnendidaktik, die der Dogmatik eignet" zu leugnen, engagiert sich Groß begründet für die Eigenständigkeit der Religionsdidaktik und räumt hoffentlich ein für allemal mit dem besonders von protestantischer Seite gern gepflegten Vorurteil auf, wonach eine mit den kirchlichen Dogmen befaßte katholische Religionsdidaktik sich eo ipso als deduktiv von der Dogmatik abgeleitete und abhängige Anwendungswissenschaft definieren müsse. Nicht zuletzt mit seinen beiden Grundregeln der "Elementarisierung der Glaubenswahrheiten" und der besonders beachtenswerten Warnung vor "Häresie durch Methode" demonstriert Groß hier eine ’Dogmatikdidaktik’, die in ihrer Grundanlage nicht nur von evangelischer Seite relativ problemlos mitvertreten werden kann, sondern sich darüber hinaus auch prächtig für einen dogmatisch aufgeschlossenen ökumenischen RU eignet.

Ähnliches gilt für die "Ethikdidaktische(n) Grundregeln" (163-181), mit denen A. Biesinger und Chr. Schmitt in enger Anlehnung an A. Auers Modell "Autonome Moral im christlichen Kontext" für ein ethisches Lernen im RU eintreten, das weit entfernt ist von jeder gesetzlichen Kasuistik. Auch das ohne Zweifel eine Ethikdidaktik mit starker ökumenischer Offenheit und Ausrichtung!

Ein wenig Anhangscharakter besitzen die beiden Schlußkapitel "Kirchengeschichtsdidaktische Grundregeln". Dabei geht es der Kirchengeschichtsdidaktik nicht um "institutionszentrierte Innenschau", sondern um die Wahrnehmung einer "Beziehungsgeschichte" und eines "Beziehungsgewebes", in dem konkrete Glaubensgemeinschaften lebten und wirkten. Merkmale einer so verstandenen Kirchengeschichte sind "kontextuelle" und "ökumenische Ausrichtung", "dynamischer Schriftbezug" und ein historisches ­ nicht zeit-enthobenes ­ "Selbstverständnis von Kirche"(183 f.).

Sie ermöglichen einen Kirchengeschichtsunterricht, der "auf religiöses Lernen" ausgerichtet, perspektivisch und mehrdimensional gestaltet und an "thematischen Fallstudien" orientiert ist und damit auch von der Kirchengeschichtsdidaktik her beste Voraussetzungen bietet, um ohne Abstriche in einem guten ökumenischen RU verwirklicht zu werden. Wie jeder Einzelbeitrag so endet auch dieser kirchengeschichtliche mit einer Literaturauswahl, die sich freilich primär mit Zeitschriftenaufsätzen begnügt, während wichtige Monographien zur Kirchengeschichtsdidaktik fehlen.

Auf Namen- und Sachregister haben die Herausgeber ebenso verzichtet wie auf Markierungen, die auf Querverbindungen zwischen den einzelnen Artikeln aufmerksam machen.

Insgesamt hätte das für die Benutzer das Arbeiten mit dem Buch erleichtert, das ansonsten aber durch die analoge Strukturierung der Beiträge hilfreiche Gliederungstransparenz und -konvergenz bietet. Dabei muß der Leser den Band nicht unbedingt in der vorgegebenen Reihenfolge durchlesen, sondern kann in ihm nachschlagen und mit einem ihn besonders interessierenden Einzelartikel beginnen.

Aufs Ganze gesehen ist den Herausgebern und Autoren mit dem Band eine Religionsdidaktik für einen offenen christlichen RU an der Schule gelungen, die sich in ihrem ökumenischen Grundansatz als "Leitfaden" für katholische wie evangelische Lehramtsstudierende, praktizierende Lehrer und lernwillige ’Pfarrer/Priester-Laien’ gut eignet. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß man weiß, was man von dieser Grundregel-Didaktik erwarten darf: Sicher keine konkreten Unterrichtshilfen, sondern die ’Bildung’ religionsdidaktischen Problembewußtseins und Urteilsvermögens mit einem bedenkenswerten Grundregelbestand, der fundierte religionsdidaktische Orientierung verspricht.