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Ausgabe:

April/2007

Spalte:

425-427

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Chennattu, Rekha M.

Titel/Untertitel:

Johannine Discipleship as a Covenant Relationship. Foreword by F. J. Moloney.

Verlag:

Peabody: Hendrick­son 2006. XXIV, 256 S. gr.8°. Kart. £ 17,99. ISBN 1-56563-668-6.

Rezensent:

Christine Schlund

Die Studie wurde 2004 als Dissertation an der Catholic University of America unter Francis J. Moloney angefertigt. Rekha M. Chennattu hat es sich zum Ziel gesetzt, die johanneische Konzeption von Jüngerschaft auf dem Hintergrund alttestamentlicher Bundes­theologie zu lesen und zu interpretieren. Dieser Aspekt ist laut des einleitenden Forschungsüberblicks in der bisherigen Arbeit zum Thema Jünger/Jüngerinnen im Johannesevangelium zu we­nig berücksichtigt bzw. nicht erkannt worden. Daher möchte Ch. durch eine gründliche Analyse der für sie relevanten Textpassagen Joh 1,35–51; Joh 13–17 und Joh 20–21, durch eine Untersuchung der alttestamentlichen Motive hinter dem johanneischen Jüngerbild und eine Einordnung der Ergebnisse in die Geschichte der johanneischen Gemeinden zeigen, wie das Bundesmotiv die johanneische Vorstellung von Jüngerschaft begründet und durchzieht.
Ausgangstext ist für Ch. die Erzählung von den Jüngerberufungen in Joh 1,35–51. Hier findet sie Parallelen zwischen der Berufung Israels durch JHWH und der Berufung der ersten Jünger in Joh. Wichtigster Bestandteil ist dabei das »Bleiben« (μένω, vgl. 1,38 f.), worin Ch. im Anschluss an Malatesta, Interiority and Covenant, und mit Verweis auf Dtn 27,26 LXX und Jes 30,18 LXX einen Aspekt der Bundes-Terminologie erkennen möchte. Weitere Elemente, die in diese Richtung weisen, sind für Ch. das »Erkennen« Gottes bzw. des Messias (Joh 1,41.45.49, vgl. Jer 1,5; Hos 2,20; Ex 29,45 f. u. a.), das öffentliche Bezeugen (»wir haben den Messias gefunden«, vgl. Dtn 6,20–25; 11,1–9), das Umbenennen (Joh 1,42, vgl. Gen 17 u. a.) und die Verheißung ( ἔρχεσθε καὶ ὄψεσθε, 1,39, vgl. auch 1,51). Auf Grund all dieser Momente sieht sie in den Berufungserzählungen ein Pa­radigma für das johanneische Verständnis von Jüngerschaft als Bundesverhältnis (discipleship as covenant relationship).
Erstaunlicherweise behandelt Ch. das Bundesmotiv im Alten Testament (Kapitel 2) erst, nachdem sie all die Elemente des Bundesmotivs in Joh 1 bereits erkannt haben will. Gewissermaßen nachklappend zum bereits Postulierten werden hier die beschriebenen Aspekte wie Auswahl/Berufung, Präsenz/»Bleiben« Gottes, öffent­liches Bezeugen, Verheißung etc. als für den Bundesgedanken konstitutiv beschrieben. An dem Abschnitt verwundert auch, dass Ch. stets ausschließlich vom hebräischen Text ausgeht und die speziellen, für den Hintergrund des JohEv sicher ebenso prägenden Entwicklungen der LXX außer Acht lässt. Die brisante Frage der Wiedergabe des hebräischen תירב durch διαθήκη wird von Ch. nur in einem Teilsatz thematisiert (erst ganz am Ende des Buches wird nebenbei erwähnt, dass διαθήκη im Joh keine Rolle spielt, nichtsdestotrotz erscheint es nicht sinnvoll, bei einer Behandlung des Themas im Hinblick auf neutestamentliche Fragestellungen ausschließlich die hebräische Begrifflichkeit zu Grunde zu legen). Be­dauerlich ist auch, dass Ch. diesen Abschnitt nicht mit demjenigen über das Bundesmotiv im Judentum des 1. Jh.s in Kapitel 5 verknüpft hat, was einige Bezüge und Entwicklungen deutlicher ge­macht hätte.
Herzstück und stärkste Passage der Studie ist das Kapitel zu Joh 13–17. Hier besteht Ch.s zentrale These darin, Joh 13–17 als Bundeserneuerung analog zu Jos 24 zu begreifen. Die beschriebene Abendmahlzeit ist im Sinne eines Bundesmahls zu verstehen. In dieser Lektüre dienen die Kapitel 2–12 als Vorbereitung (hortatory preparation) und Ruf in die Entscheidung im Hinblick auf die in Kapitel 13–17 erfolgende Bundeserneuerung. Neben dem Mahl (das – wie Ch. auch selbst einräumt – klassischerweise allerdings am Ende, nicht am Anfang einer Bundeszeremonie platziert ist) sind die oben als konstitutiv erarbeiteten Elemente Verheißung der göttlichen Präsenz (14,1–31), Aufruf zum Bleiben (15,1–17), Konsequenzen der Jüngerschaft = Bundeszugehörigkeit (15,18–16,24) und öffentliches Bekenntnis (16,29 f.) vorhanden. Das Gebet in Kapitel 17 dient dann als Weihegebet zur Initiation der Jünger in die neu definierte Bundesgemeinschaft. Diese These hat einiges für sich, weil sie auch das Auftreten der Heiligungsterminologie (ἁγιάζω) in 17,19 gut erklären kann. Ebenso leuchtet es ein, die Rede vom μέρος in 13,8 im Zusammenhang mit der (Bundes-)Verheißung des Erbanteils am Land (קלֶחֵ) zu interpretieren, und auch die Erwähnung eines neuen Gebots (ἐντολή, 13,34) passt in einen solchen Kontext. Für Ch. hat der Evangelist traditionelles Material in den theologischen und strukturellen Kontext einer Bundeserneuerung eingepasst. Die Bundes-Metapher wird von Johannes erweitert und auf die Be­ziehung zwischen Gott und der neuen Bundesgemeinschaft (Jünger/Jüngerinnen) übertragen.
Was hinsichtlich der Kapitel 13–17 recht einleuchtend erscheint, vermag im Hinblick auf die Kapitel 20–21 m. E. weniger zu überzeugen. Hier sieht Ch. Elemente des Bundesmotivs beispielsweise im Suchen der Maria nach der göttlichen Präsenz (20,15), dem Auftreten zweier Engel neben der Grabstätte analog zu den beiden Cherubim neben der Lade (20,12 vgl. Ex 37,5–9 u. a.) und im Friedensgruß 20,19 (Friede als zentrales Element der Bundesverheißung). Hinzu kommt die Gabe des Geistes (20,22 f.) im Hinblick auf die Geistverheißungen in Jer 31 und Ez 36. Die Mahlzeit am See Genezareth in Kapitel 21 wird als ein weiteres Bundesmahl interpretiert, verbunden mit der Aufforderung zur absoluten Loyalität im Bundesverhältnis (»Liebst du mich?« 21,16, vgl. Dtn 6,5 u. a.).
Insgesamt stellen die Kapitel 20 f. laut Ch. die Aktualisierung des in Kapitel 13–17 Versprochenen und durch die »Bundeserneuerung« Besiegelten dar. Die Verheißung göttlicher Präsenz und Gemeinschaft realisiert sich für die Jünger/Jüngerinnen an Ostern.
In einem Schlusskapitel geht Ch. der Frage nach dem Sitz im Leben der Bundesterminologie in der johanneischen Gemeinde nach. Sie untersucht kurz die Entwicklung des Bundesgedankens in Qumran, bei Pseudo-Philo, in 4Esra und 2Baruch und kommt mit E. P. Sanders zu dem Schluss, dass »covenantal nomism« kennzeichnend für das Judentum des 1. Jh.s gewesen sei. Hinsichtlich der Sozialgeschichte der johanneischen Gemeinden ordnet sie das Aufgreifen des Bundesmotives in die traditionelle Auffassung von der vom Bruch mit der Synagoge traumatisierten johanneischen Gemeinschaft ein: Es dient dazu, die Identität der Gruppe zu legitimieren.
Die Arbeit von Ch. enthält viele stimulierende Ideen und An­regungen zum Weiterdenken. Sie verhilft auch dazu, das Johan­nesevangelium noch fester in seinem jüdischen Hintergrund zu verankern. Dieser erschließt sich uns heute aber immer nur punktuell. Viele Motive und Kontexte sind miteinander verwoben – das Netz zu entwirren und die einzelnen Fäden fein säuberlich nebeneinander zu legen, scheint fast unmöglich. Der Bundesgedanke ist einer dieser Fäden, die nachzuverfolgen sich lohnt, wie die Arbeit von Ch. zeigt. Es ist aber nur ein Faden und nicht das Seil, an dem das gesamte johanneische Gottes-, Selbst- und Weltverständnis hängt – insofern sei vor Verabsolutierung gewarnt.