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Ausgabe:

April/2007

Spalte:

416-417

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Campbell, Antony F.

Titel/Untertitel:

2 Samuel.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2005. XIV, 242 S. gr.8° = The Forms of the Old Testament Literature, 8. Kart. US$ 50,00. ISBN 0-8028-2813-2.

Rezensent:

Rainer Kessler

Zwei Jahre nach der Kommentierung des 1. Samuelbuches legt der australische Autor die Fortsetzung mit dem Kommentar zu 2Sam vor. Da der Kommentierung der beiden Samuelbücher ein einheitliches Konzept zu Grunde liegt und C. selbst immer wieder auf den ersten Band verweist, beginnt auch diese Rezension mit dem Verweis auf dessen Besprechung durch Klaus-Peter Adam in ThLZ 130 [2005], 153–155. Die von Adam herausgestellte Grundkonzeption C.s sei nur kurz in Erinnerung gerufen. Ausgehend von der These eines zweistufig gewachsenen DtrG postuliert C. eine vor-dtr Stufe im 9. Jh., die von den Samuel-Überlieferungen bis zu Jehu reicht. Er nennt sie Prophetic Record. Der Bericht greift seinerseits auf einzelne Dokumente zurück, die er zu einem Gesamtwerk verbindet.
Dieses Konzept prägt den Aufbau der Kommentierung. C. geht von sechs Einheiten aus, die er wie folgt abgrenzt und betitelt: Davids Königtum über Juda (1,1–2,7); Bürgerkrieg (2,8–4,12); Davids Etablierung als König über ganz Israel (Kapitel 5–8); vorgezogene Anhänge (Kapitel 9–10); die Erzählungen von Davids mittleren Jahren (Kapitel 11–20); die besondere Sammlung (Kapitel 21–24). Während er die ersten vier und die letzte Einheit in jeweils einem Kapitel kommentiert, widmet C. dem Block der Erzählungen von Davids mittleren Jahren insgesamt sechs Kapitel. Dies liegt nicht nur an der Länge des Textkomplexes, sondern auch daran, dass C. sich hier am weitesten auf Neuland begibt.
Konnte Adam in seiner Rezension noch davon ausgehen, hinter der Geschichte von Davids mittleren Jahre verberge sich die klassische Thronnachfolgegeschichte 2Sam 9–20 und 1Kön 1–2, so legt C. jetzt ausdrücklich dar, dass er von der These einer eigenständigen Thronnachfolgegeschichte nichts hält (zusammenfassend: 3–5). Ihr zufolge zielte alles, was nach der Notiz von der Geburt Salomos und der Liebe JHWHs zu ihm (1Sam 12,24) über die Wirren im Hause Davids erzählt wird, darauf ab, dass am Ende Salomo auf dem Thron Davids sitzt und dieser das mit Wohlgefallen kommentiert (1Kön 1,48).
C. hält dem entgegen, dass allein 1Kön 1–2 in sich selbst eine zufriedenstellende Geschichte von der Thronnachfolge Davids bildet. Auch braucht es nach C. nicht die Kapitel 2Sam 9–10 als Anfang einer Thronnachfolgeerzählung (C. selbst behandelt sie als »vorgezogene Anhänge«); vielmehr stelle 2Sam 11–12 (die Erzählung von Batseba) einen zufriedenstellenden Anfang dar. Schlüsselvers für C. sind die Worte Natans nach Davids Ehebruch mit Batseba und der Ermordung Urijas: »Und nun wird das Schwert von deinem Haus nicht weichen für immer … Du tatst es im Verborgenen, ich aber will diese Sache vor ganz Israel tun …« (12,10.12). Eben dies werde in den folgenden Erzählungen von Vergewaltigung, Mord, Rebellion und Bürgerkrieg entfaltet, während von Thronnachfolge in der Tat kein Wort fällt. Auch kann C. darauf hinweisen, dass David in all diesen Kapiteln ein Mann in seinen besten Jahren ist, der sich als voll aktionsfähig erweist, während er im angeblich sofort anschließenden Anfang von 1Kön ein handlungsunfähiger Greis ist, der zum Spielball höfischer Intrigen wird. Aus dieser Beobachtung zieht C. auch den Titel »Stories of Da­vid’s Middle Years«, mit dem er jede theologische Aufladung des Textes vermeiden will.
In der Verortung der Geschichten von Davids mittleren Jahren wagt C. sich weit vor – und bleibt doch vorsichtig. Er nimmt den Hof Jerobeams I. als Ort und dort tätige Berater, die zuvor im salomonischen Jerusalem waren und jetzt dem neuen König des Nordreichs dienen, als Verfasser an. Sie hätten Kenntnis der davidischen Traditionen und zu­gleich genug Abstand zu Jerusalem, um ihre negative Sicht Davids zu äußern. C. zeichnet ein geschlossenes Szenario, von dem er dann doch nicht mehr behauptet als: »It is a possibility that cannot be ignored« (108). Mehr kann man von den im deutschsprachigen Raum heute üblichen oft sehr viel späteren Datierungen auch nicht sagen. Im Übrigen ist die Geschichte von Davids mittleren Jahren eines der Dokumente, das nach C. in den Prophetic Record des 9. Jh.s eingegangen ist.
Insgesamt ist C.s Auslegung stark am Endtext orientiert und geht vor allem den Strukturen der Texte nach. Das Profil der Kommentarreihe – nämlich die Formen der alttestamentlichen Literatur herauszuarbeiten – wird, anders als bei einigen neueren Bänden, ernst ge­nommen. Im Glossar (224–231) legt C. eine umfassende Liste narrativer Formen (und vereinzelter Formeln) vor, die einen differenzierten Blick auf das umfangreiche Material ermöglicht. Wie sehr das Programm der Formgeschichte sich deutscher Tradition verdankt, zeigt sich daran, dass jeder Glossarbegriff mit deutscher Übersetzung versehen wird.