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Ausgabe:

April/2007

Spalte:

399-402

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Di Lella, Alexander A.]

Titel/Untertitel:

Intertextual Studies in Ben Sira and Tobit. Essays in Honor of Alexander A. Di Lella. Ed. by J. Corley and V. Skemp.

Verlag:

Washington: The Catholic Biblical Association of America 2005. XIV, 319 S. gr.8° = The Catholic Biblical Quarterly. Monograph Series, 38. Kart. US$ 13,00. ISBN 0-915170-37-X.

Rezensent:

Johannes Marböck

Die Festschrift für den international anerkannten Forscher und Lehrer an der Catholic University of America in Washington enthält Beiträge zu den deuterokanonischen Schriften Tobit und Ben Sira, deren Verständnis der Jubilar entscheidend gefördert hat, die beide analoge Textprobleme aufweisen und zugleich wertvolle Zeugen des Umgangs mit früheren biblischen Traditionen sind. So bieten denn auch die einzelnen Beiträge Beispiele durchaus verschieden verstandener Intertextualität.
Ein erster Teil »Tobit and the Biblical Tradition« (1–86) enthält fünf Untersuchungen zu Tobit: Irene Nowell, O. S. B., The Book of Tobit: An Ancestral Story (3–13); Anathea Portier-Young, »Eyes to the Blind«: A Dialogue Between Tobit and Job (14–27); Stephen Ryan, O. P., The Psalms and the Book of Tobit (28–42); Vincent Skemp, Avenues of Intertextuality between Tobit and the New Testament (43–70); Loren T. Stuckenbruck and Stuart D. E. Weeks, The Medieval Hebrew and Aramaic Texts of Tobit (71–86).
Dem Lebenswerk Di Lellas entsprechend ist der Großteil der Festschrift dem Buch Jesus Sirach gewidmet. Teil 2 »Ben Sira and Earlier Biblical Books« gilt der Verwendung einzelner biblischer Schriften: M. Gilbert, S. J., Ben Sira, Reader of Genesis 1–11 (89–99); Friedrich V. Reiterer, The Influence of the Book of Exodus on Ben Sira (100–117); Pancratius C. Beentjes, In Search of Parallels: Ben Sira and the Book of Kings (118–131); Leo G. Perdue, Ben Sira and the Pro­phets (132–154); Jeremy Corley, An Intertextual Study of Proverbs and Ben Sira (155–182). Teil 3 »Particular Themes in Ben Sira and Other Texts« enthält Beiträge zu einzelnen Texten und Themen im Zusammenhang mit Ben Sira: C. T. Robert Hayward, Portrayal of the Patriarch Joseph (185–200); Michael W. Duggan, Ezra, Scribe and Priest and the Concerns of Ben Sira (201–210); Renate Egger-Wenzel, »Faith in God« Rather Than »Fear of God« in Ben Sira and Job. A New Adjustment in Terminology and Understanding (211–226); J. Edward Owens, O. S. S. T., »Come, Let Us Be Wise«: Qoheleth and Ben Sira on True Wisdom, with an Ear to Pharao’s Folly (227–240); Benjamin G. Wright III, Ben Sira and the Book of Watchers on the Legitimate Priesthood (241–254); Nuria Calduch-Benages, Amid Trials: Ben Sira 2:1 and James 1:2 (255–263); James K. Aitken, Sanctus Matthaeus, Magister Sapientiae, Summa cum Laude (264–279).
Die kritische Würdigung einer Festschrift bringt einen Rezensenten stets in Verlegenheit; so kann auch hier aus den detailreichen Studien nur der eine oder andere Impuls für Diskussion und Forschung herausgegriffen werden.
Tobit erweist sich als vielschichtiges Beispiel für Intertextualität: Nowell skizziert die Gestaltung von Geschehensablauf und Charakteren nach den Erzeltern- und Schöpfungserzählungen der Genesis als Ermutigung für das Leben von Juden in der Diaspora. Portier-Young zeigt die theologischen Perspektiven von Tobit im Gespräch mit Ijob anhand mehrerer Themen (Blindheit und Sehen des verborgenen Gottes; Erfahrungen seines Wirkens in Chaos und Schöpfung, durch Engel, in der Wiederherstellung der Familie, aber auch des Volkes/Jerusalems). Die Untersuchung von Ryan zur Rezeptionsgeschichte von Psalmen-Anspielungen in späten Tobitübersetzungen bezeugt an methodisch sorgfältig reflektierten Beispielen (Tob 3,2; 6,17; 8,7; 12,10; 13,11) nicht nur den Einfluss der Psalmen auf die biblische Überlieferung, sondern auch, wie spätere Überlieferer stets neue Verbindungen zwischen den Psalmen und dem Tobitbuch geschaffen haben. Skemp behandelt nach einer klärenden Reflexion über Kriterien acht Themenbereiche verschiedener Formen von Intertextualität zwischen Tobit und dem Neuen Testament als Zeugnis für dessen jüdischen Wurzelgrund. Beachtenswert ist sein Hinweis auf von literarischen An­spielungen zu unterscheidende soziokulturelle Intertextualität. Stuckenbruck und Weeks lenken das Interesse auf die gegenwärtig vernachläs­sigten mittelalterlichen hebräischen und aramäischen Tobittexte, die zwar kaum etwas zum ursprünglichen Tobittext beitragen, aber mit ihren Eigenheiten der Darstellung der Tobitgeschichte aufschlussreich für jüdisches Denken in vielen Bereichen sind.
Aus den Untersuchungen zu Sirach seien exemplarisch die Beiträge von Beentjes und Corley mit ihren Methodenreflexionen zur Schriftverwendung Ben Siras genannt. Beentjes illustriert dies im Anschluss an Devora Dimant an Parallelen aus den Königsbüchern; Corley zeigt Sirachs schöpferische Adaptation von Weisheitstraditionen aus Proverbien sowie griechischer (Theognis) und ägyptischer Weisheit (P. Insinger) zu einer neuen Synthese von Glaube und Ethos. Perdue profiliert das Prophetenverständnis Ben Siras mit seinem Anspruch auf Inspiration und Autorität (Sir 24,30–33; 38,34c.d–39,8) sowie im Väterlob im Kontext der Abgrenzung zu Phänomenen hellenistischer Religiosität (Wunder, Wahrsagerei, Mysterien) und zu apokalyptischen Offenbarungen im Judentum. Dazu mag gefragt werden, ob hellenistische Vorstellungen von Prophetie im Jerusalem des Siraziden tatsächlich bereits ein »Streitgespräch« (139) herausfordern konnten. Mir schiene auch, dass Ben Sira bei aller Zurückhaltung manche apokalyptischen Motive durchaus mit Interesse verfolgt hat (vgl. J. Marböck, Apokalyptische Traditionen im Sirachbuch?, in: Ders. Weisheit und Frömmigkeit, ÖBS 29, Frankfurt 2006, 137–153).
Auch aus den Studien zu einzelnen Texten und Themen kann nur auf einige hingewiesen werden. So gibt Hayward in seinem materialreichen Beitrag anhand der hebräischen und griechischen Fassung von Sir 49,14–16 einen anregenden Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten des Umgangs mit biblischen Texten über die Gestalt Josefs in seiner Bedeutung als Weiser wie Henoch, als Verheißungsträger für die Juden im Land, aber auch (mit königlichen Assoziationen) als würdiger Vorfahre und Repräsentant der Diaspora Ägyptens. Duggan verweist in seinem neuen Versuch zum Fehlen Esras im Väterlob auf Unterschiede Sirachs zum biblischen Esra: Dieser hatte als Reformer Priester zu Gegnern (Esr 10,5.15.1 8–24) und ging den Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg (vgl. dagegen Sir 7,29–31; 8,1–2). Sirach unterschied sich auch vom im Auftrag der Perser unabhängig agierenden Priester Esra durch eine niedrigere soziale Stellung. Beiden gemeinsam war die Liebe zur Tora; Esra eröffnete sogar den Weg zu einem Stand von Schriftgelehrten. B. G. Wright sieht (mit Martha Himmelfarb) als Spezifikum der Sicht des Priestertums Sir 45,6–22.23–24; 50,1–24 gegenüber dem Wächterbuch 1Hen 12–36 die Legitimierung eines königlichen Hohenpriesters als Führer des jüdischen Volkes, wobei die Frage des Stammbaumes (Zadok oder gesamtaaronidisch) nicht im Vor­dergrund steht. Zu dieser Diskussion sei ergänzend der Beitrag von H.-J. Fabry, Ben Sira und das Priestertum, in: I. Fischer u. a. (Hrsg.), Auf den Spuren der schriftgelehrten Weisen, BZAW 331, Berlin 2003, 265–282, genannt. Zwei Studien gehen der Wirkungsgeschichte des Siraziden im Neuen Testament nach: der Neuformulierung von Sir 2,1 für die Katechese der frühen Kirche im Jakobusbrief (N. Calduch-Benages) und gelehrt-schöpferischen An­spielungen auf Weis­heitstraditionen Sirachs durch den schriftgelehrten Evange­listen in Mt 11,28–29 (J. Aitken).
Ein Wunsch, den mit dem Rezensenten vielleicht auch andere teilen, wäre ein grundsätzlicher Beitrag zum Thema Intertextualität als Horizont zur Einordnung der Beiträge gewesen. Den Herausgebern, beide Schüler Di Lellas, die selbst bereits durch Studien zu Tobit und Sirach hervorgetreten sind, ist jedenfalls für diesen reichhaltigen Band sehr zu danken, der durch Indizes hervorragend erschlossen ist. Möge es Alexander A. Di Lella geschenkt sein, zu seiner Bibliographie (280–290) noch manches weise Wort hinzuzufügen.