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Ausgabe:

Juni/2007

Spalte:

718 f

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Schreckenberger, Waldemar [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Staat und Religion. Der moderne Staat im Rahmen kultureller und religiöser Lebenselemente.

Verlag:

Berlin: Duncker & Humblot 2006. 115 S. 8° = Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte, 38. Kart. EUR 36,00. ISBN 978-3-428-12229-5.

Rezensent:

Norbert Janz

Waldemar Schreckenberger, Emeritus für Rechtsphilosophie, Rechtspolitik und Gesetzgebungslehre an der renommierten Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, versammelte für eine Vorlesung einige Fachleute unterschiedlicher Provenienz, die sich dem Thema der Verbindung von Staat und Religion näherten. Wie dieses gleichermaßen komplexe wie spannungsgeladene Verhältnis ausgestaltet wird, zählt seit jeher zu den zentralen Fragen menschlicher Gesellschaften. Auch wenn leider weder das Jahr noch der Titel der Veranstaltung mitgeteilt werden, so zeichnen die wiedergegebenen Referate ein vielschichtiges Bild denkbarer Lösungsmodelle.
Der einleitende Beitrag des Herausgebers gibt einen konzisen Überblick über die europäische Entwicklung. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass die Trennung von staatlicher Macht und christlich-religiösem Bekenntnis nach einer langen Geschichte das Ergebnis religiöser Rückbesinnung und des neuzeitlichen europäischen Denkens sei. Damit ebnet Schreckenberger den Weg für ein uni­versales Ordnungsgefüge, welches triadisch Staat, Religion und Gesellschaft vereint.
Während Raif-Georges Khoury einen differenzierten Überblick über die islamische Entwicklung vermittelt und mit einem eindringlichen Appell für eine gemeinsame Welt der Werte schließt, skizziert Gerhard Rau einige Aspekte einer evangelisch-protestantischen Perspektive. Im Zentrum seiner Gedanken steht die Frage, ob die »weltanschauliche Neutralität« des Grundgesetzes es zulasse, dass Religionsgemeinschaften der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes verliehen werde. Abgesehen davon, dass es um die religiös-weltanschauliche Neutralität gehen muss, unterliegen seine Überlegungen weiteren Bedenken. Mitnichten ist das Grundrecht der Glaubensfreiheit – wie von ihm behauptet – in erster Linie auf Einzelpersonen bezogen; eine »totale Individualisierung« ist nicht zu erkennen. Ohne weiteres ist eine kollektivrechtliche Dimension allgemein anerkannt mit der Folge, dass sich der Körperschaftsstatus der Kirchen harmonisch ins Verfassungsgefüge einpasst. Die entscheidende Frage ist, wer diesen Status, der erhebliche Privilegien verspricht, verliehen bekommt. Rau geht fehl in der Annahme, der Islam werde von der Glaubensfreiheit »hinsichtlich seiner Korporationsformen und seines Klerus ausgeschlossen«. Das Gegenteil ist der Fall; umstritten und bisher nicht akzeptiert sind die Voraussetzungen für den Körperschaftsstatus.
Otto Georgens ergründet sodann, inwieweit Solidarität ein Auslaufmodell oder eine Ressource der Gesellschaft ist. Unbestritten ist Solidarität ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens. Mit überzeugenden Worten setzt er der »Entsorgungsunkultur« bei den Modernisierungsverlierern eine zu schaffende Kultur der Solidarität entgegen. Dabei stimmt er nicht in die verbreitete Wehklage einer vermeintlich abhanden gekommenen Solidarität mit ein. Vielmehr seien die Menschen besser als ihr Ruf. Den zu beschreitenden Weg zu dieser Solidaritätskultur markiert er dann in zehn Thesen. Abgeschlossen wird der Band mit einer Abhandlung von Daniel Krochmalnik über »Theokratie in Israel«. Mitunter nicht ganz einfach nachvollziehbar gibt er einen rechtsphilosophisch inspirierten Eindruck von unterschiedlichen Interpretationen der Bibel zu dogmatischen Herrschaftslehren in Staat und Religion. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass alle Auffassungen der Theokratie der Vergangenheit angehörten und allein die rabbinische Konzeption der Theokratie als Gesetzesgehorsam aktuell sei.