Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2007

Spalte:

699

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Filipovi´c, Alexander, Lindner, Konstantin, u. Hanspeter Schmitt [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Theologie in Politik und Gesellschaft.

Verlag:

Münster-Berlin: LIT 2006. 106 S. 8° = Bamberger Theologisches Forum, 10. Kart. EUR 14,90. ISBN 3-8258-9934-9.

Rezensent:

Axel Bernd Kunze

Die Politische Theologie hat sichtbar an Prägekraft eingebüßt. Gleichzeitig geht die weltanschauliche Bindung der Politik zurück; tagesaktuelle Stimmungen und Medienwirkung gewinnen an Einfluss. Vier Jahrzehnte nach der politischen Wende in der Theologie fragt der Band aus einer Binnen- wie Außenperspektive, wie eine politisch profilierte und gesellschaftlich engagierte Theologie heute aussehen könnte. Ein Resümee der Herausgeber als Antwort auf die mit der Einleitung aufgeworfenen Fragen hätte den Band allerdings durchaus bereichert, zumal entgegen dem Titel das Buch selbst mehr von Religion als von Theologie spricht. Zudem wurde auf eine ordnende Vereinheitlichung der Einzelbeiträge, die auf eine Vortragsreihe an der theologischen Fakultät in Bamberg zurückgehen, vor Drucklegung verzichtet.
Politische Leidenschaft und Schmerz über eine Welt, die nicht Gottes Willen entspricht, zeigt sich für Erich Zenger besonders dramatisch in den Fluchpsalmen, die er als Ausdruck einer kämpferischen Gottesmystik keinesfalls aus dem Gebetsleben der Kirche streichen will. Der Metzschüler Jürgen Manemann verteidigt in seinem klar strukturierten Beitrag eine deutliche Grenzziehung zwischen Religion und Politik. Eine »Neopolitisierung der Religion«, die auf dualisierende Abgrenzung setzt, verfehle nicht nur das Selbstverständnis der Religion, sondern führe gleichfalls zu einer Politik, die zum Umgang mit Pluralität unfähig werde und gerade dadurch ihren genuin politischen Charakter verliere. Politische Theologie sei hingegen primär Rede von Gott; nur als solche könne sie auch kritisch ihre Stimme gegenüber der Politik erheben.
Mit leicht anderer Akzentsetzung zeigt Katja Mertin am Beispiel der USA und der deutschen Stammzellendebatte, inwiefern eine verantwortliche Integration religiöser Wertmotive in die Politik zur Lösung schwerwiegender Verfassungsfragen unverzichtbar sei. Mit Erfahrungen aus ihrer Zeit als Politikerin unterstreicht Rita Süssmuth die positive Bindekraft der Religion, die sie über ein engeres Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft für die Politik fruchtbar machen will.
Sehr instruktiv zu lesen sind die abschließenden Statements des Politikwissenschaftlers Reinhard Zintl und des Bundestagsabgeordneten Michael Roth: Eine freiheitliche Gesellschaft profitiere davon, wenn Religion und Politik sich gegenseitig befruchten, sofern beide auch die ihnen gesetzten Grenzen beachten.