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Ausgabe:

Januar/1998

Spalte:

57–59

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Evans, Craig A., and Stanley E. Porter [Eds.]

Titel/Untertitel:

New Testament Backgrounds. New Testament Text and Language. New Testament Interpretation and Methods.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 1997. 335, 311 u. 321 S. gr.8° = A Sheffield Reader. The Biblical Seminar, 43, 44 u. 45. Kart. je £ 14.95. ISBN 1-85075-796-8, 1-85075-795-X, 1-85075-794-1.

Rezensent:

Wolfgang Schenk

Daß verstreute Publikationen eines Autors oder zu einem Thema gesammelt erscheinen, ist uns geläufig. Jetzt werden hier erstmals ’Gesammelte Aufsätze’ einer Zeitschrift in thematischen Sammlungen vorgestellt ­ aus den ersten 50 Heften der ’Journal for the Study of the NT’ (JSNT 1978-1993); alle Beiträge erschienen und erscheinen hier in Englisch (die Literatur ist in den Anmerkungen oft auf den neusten Stand nachgetragen; leider sind die in den letzten Faszikeln seit den 90er Jahren von den Autoren selbst formulierten ’Abstracts’ nicht aufgenommen, wiewohl sie für deren Selbsteinschätzung oft signifikant sind). Was ist Sinn und Grund dieses Projekts? Die allen drei Bänden vorangestellte Einleitung (7 f.) der beiden Herausgeber nennt die weitgespannten Absichten: (a) "One is to assist scholars who wish to keep up on developments outside their areas of specialist research or who have been away from a topic for a period of time and wish to re-enter the discussion." (b) "For graduate students, these volumes could not only provide necessary background to a topic, allowing a student to achieve a basic level of knowledge before exploration of a particular area of interest, but also serve as good guides to the detailed critical work being done in an area." (c) "For undergraduates, these volumes could serve as useful readers, possibly as supplementary texts to a critical introduction, to provide a first exposure to and a sample of critical debate." (d) "For seminary students... such material could provide guidance through the argumentation and footnotes for significant research into a New Testament author or topic." Kurz: unter didaktischen Gesichtspunkten wurden exemplarische, an Problemfeldern orientierte Auswahlen vorgelegt. Das Vorhaben signalisiert nicht nur ein hohes Selbstverständnis der Zeitschrift JSNT, sondern auch einen hohen Anspruch für die maßgebenden Kriterien der Auswahl von "significant contributions" durch die Herausgeber: (a) "Some of the articles are truly groundbreaking, pushing their respective enquiry into new path and introducing new critical questions into the debate." (b) "Others are assessments of the critical terrain of a particular topic, providing useful and insightful analyses that others can and have built upon." (c) "Others still are included because they are major contributions to an ongoing discussion."

Der erste Band zur Umwelt des NT beginnt mit zwölf Beiträgen zur primär jüdisch bestimmten Umwelt: zur Bewertung des Reichtums bei Philo (T. E. Schmidt 1983; reply D. Mealand 1985); christologisch wird zur Angelologie nach Dan 10 (C. Rowland 1985) und zum ’Lamm Gottes’ in TestXII (J. C. O’Neill 1979) gefragt; zur Vermehrung der Zahl der sogenannten ’Apokalypsen’ in der neuen Edition OTP I (R. Bauckham 1986); D. Daubes Thesen zum Verhältnis von Herrenmahl und Passa-Seder (D. B. Carmichael 1991) werden ebenso behandelt wie die synoptischen Darstellungen des Sabbats (H. Weiss 1990), zeitgenössische prophetische Bewegungen (R. A. Horsley 1986), die Rezeptionsgeschichte von Jes 40,1-5 (K. R Snodgrass 1980), die Kategorie des ’Mittlers’ im Blick auf Jesus (D. R. de Lacey 1987); für Ortung johanneischer Fragen stehen ’Gnade und Gesetz’ in Joh 1,16 (R. B. Edwards 1988) und das Verständnis des ’Königischen’ Joh 4,46-53 (A. H. Mead 1985). Die folgenden sieben Beiträge konzentrieren sich mehr auf die hellenistische Umwelt (wiewohl die Sequenz der Darstellung des Bandes sich primär an der Sequenz der geläufigen Bibelausgaben anlehnt): zu Apg 2-4 werden gesammelte Parallelen zum ’Corpus Hellenisticum’ präsentiert (P. W. van der Horst 1985; 1989); Apg 7 wird im Spannungsfeld von Mose-Typologie und Antijudaismus erörtert (T. L. Donaldson 1981); die Bestimmung der ’Gottesfürchtigen’ der Apg (J. A. Overman 1988); der Philemonbrief kommt unter dem (mehr herkömmlichen) Aspekt einer ’Sklavenflucht’ des Onesimos zur Sprache (J. G. Nordling 1991) wie (weiterführend) hinsichtlich des rhetorisch epistolographischen Aspekts der Höflichkeit (A. Wilson 1992) in den Blick; abschließend wird der gnostische Einfluß auf den ’Descensus Christi ad inferos’ in ActPilat 17-27 thematisiert (R. J. Hoffman 1981).

Der zweite Band widmet sechs Beiträge dem Text des NT und 17 der Sprache des NT. Der der Textrekonstruktion gewidmete Teil beginnt exemplarisch mit den Fragen nach der einmalig komplizierten Textkonstitution der Apg (C. D. Osburn 1991; T. C. Geer 1990), nach dem Codex Bezae (R. S. MacKenzie 1980; D. Parker 1982), dem Galater-Text im (markionitischen?) Papyrus 46 (H. Eshbaugh 1979), um mit einer Bewertung des Apparates der 26. Auflage der Nestle-Aland-Ausgabe abzuschließen (S. Larson 1981). Hier zeichnet sich ab, daß die linguistisch primäre Aufgabe dieses Gebiets die synchrone Analyse des Textes einer Handschrift als Text selbst ist, während die historische Auswertung für einen vorlaufenden Archetyp erst eine nachfolgende diachrone Auswertung jener Befunde sein kann. Die Auswahl zum Topos ’Language’ beginnt mit zwei grundlegenden Beiträgen zur semantischen Frage ungeklärter ’Begriffe’ und den sich daraus ergebenden Scheingefechten (R. McL. Wilson 1989) und die Notwendigkeit eines linguistisch präzisierten ’Stil’-Begriffs (J. E. Botha 1991).

Es folgen drei Beiträge zu syntaktisch-grammatischen Fragen (D. S. New 1991 zum imperativischen Futur; A. J. D. Wedderburn 1985 zu ’in Christus’ und ’mit Christus’ bei Paulus; S. E. Porter 1993 zu 1Tim 2,15). Die meisten Beiträge sind dann Fragen der lexikalischen Semantik gewidmet: die Entwicklung der ’Pistis-Terminologie’ (D. R. Lindsey 1993), die Nichtsynonymie von ’Morphe’ und ’Eikon’ (D. Steenburg 1988), die Herkunft der paulinischen Paidagogos-Terminologie (A. T. Hanson 1988), die Kodierung von ’Parakletos’ als ’Patron’ (K. Grayston 1981), ’Epiousios’ (C. Hemer 1984), der Vorschlag einer hebräischen Vorlage für das Magnifikat (R. Buth 1984) bzw. einer aramäischen für Lk 2,41-52 (P. W. van der Horst 1980), speziell onomasiologische Beiträge folgen zu ’Felix’ (F. F. Bruce 1978; C. Hemer 1987), *,Boneregem’ Mk 3,17 (R. Buth 1981), während die beiden abschließenden Beiträge den Targumim gelten (S. A. Kaufman 1985 grundlegend zur Chronologie und Methodologie; exemplarisch M. Wilcox 1979 zur ’Samen’-Verheißung).

Als einen methodisch präzisen Beitrag vermißt man nur ungern (gerade angesichts eines unverkennbaren Überhangs einer semitisierenden Tendenz) die bahnbrechende linguistische Reflexion von L. D. Hurst, The Neglected Role of Semantics in the Search of Aramaic Words of Jesus, JSNT 28, 1986, 63-84.

Im dritten Band zu den Methodenfragen der Interpretation folgen auf sieben Beiträge zu Prinzipienfragen sieben weitere zu praktischen Anwendungen. Die erste Abteilung enthält nach zwei exemplarischen forschungsgeschichtlichen Beiträgen (C. M. Tuckett 1979 Griesbach-Hypothese; W. O. Seal 1984 Perrin-Schule) das Programm einer narrativen ’Gospel-Christology’ (L. Chouinard 1987), die (der heidnisch-griechischen analoge) Relationsbestimmung von Literarkritik und neutestamentlicher Kanonbildung (R. M. Grant 1982), die Rolle der Wissenssoziologie als heuristisches Modell für neutestamentliche Exegese (R. A. Rohrbaugh 1987) und einen Test der soziologischen Kategorien von Berger/Luckmann an den Pastoralbriefen (D. Horrell 1993); der diesen Teil abschließende Beitrag über ’Wanderungen von Erzählungen’ in der talmudischen Literatur (J. Neusner 1986) wird in einem Nachtrag (157) vom Autor selbst als methodisch überholt faktisch widerrufen; wurde er wohl nur aus diesem Grunde oder zu diesem Zwecke aufgenommen? Ein rezeptionstheoretisch unerhellter Evolutionismus ist heute so nicht mehr möglich. Der praktische Teil setzt vorteilhaft mit dem bahnbrechenden Vergleich der ähnlichen Redaktionsanalysen zu Josephus (Antiquitates) und Lukas ein (F. G. Downing 1980), dem eine ebenso respektable Analyse des dornigen Weges der Redaktionsanalysen des Mk folgt (C. C. Black 1988). Für die Winzerparabel Mk 12parr soll eine sozio-rhetorische Analyse maßgebend die Semantik des Segments vom sozio-kulturellen (als palästinensisch gemutmaßten) Hintergrund her bestimmen (J. D. Amador 1992). Festen Boden unter die Füße bekommt man wieder mit der grundlegenden Funktionsbestimmung (Rhetorik der Identifikation) der autobiographischen Notizen in Gal 1,13-2,14 (P. E. Koptak 1990), die einen Meilenstein in der Galater-Forschung darstellt. Die bisher kaum angestellten Vergleiche sozialer Gruppendynamiken wird durch einen sozialen Kontrast der Gemeinde in Thessalonich mit der in Korinth in einer Pilotstudie thematisiert (J. M. G. Barclay 1992). Schließlich wird das neu virulente Problem einer ’Ethik des Lesens’ als hermeneutisches Problem am Umgang mit den Pastoralbriefen in den Blick gerückt (F. M. Young 1992).

Überblickt man die drei Auswahl-Präsentationen insgesamt, so kann man nur wünschen, daß das intendierte Ziel eines didaktischen Beitrags zum exemplarischen Lernen im breiten Maße bei möglichst vielen Verwendern zum Zuge kommt. Den Herausgebern sei für ihr anregendes Pilotprojekt gedankt. Möge es Schule machen!